Hamburg. Siebter Teil der Immobilienserie: Leibrente oder Nießbrauch – immer mehr Senioren wählen diesen Weg, weil das Geld knapp wird.

Erst wird gespart und Verzicht geübt, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden in jungen Jahren zu erfüllen. Doch im Alter kann die eigene Immobilie auch zur Last werden. Für gut ein Drittel der Immobilienbesitzer über 50 Jahre macht ihr Immobilienbesitz mehr als 75 Prozent ihres Gesamtvermögens aus, ergab eine Umfrage des Maklers Engel & Völkers. Gleichzeitig haben aber selbst 70-Jährige noch nicht alle Schulden auf Haus oder Wohnung getilgt (siehe Grafik weiter unten).

Mindestens zwei Millionen Immobilieneigentümer ab 65 Jahren müssen nach Zahlen der Deutschen Seniorenliga mit höchstens 1000 Euro im Monat auskommen. „Fast jeder fünfte Immobilieneigentümer ist unzufrieden mit seinen verfügbaren finanziellen Mitteln“, sagt Johannes Glasl, Geschäftsführer von Engel & Völkers Liquid Home, einem Tochterunternehmen des Hamburger Maklerkonzerns, das Immobilieneigentümern zu Liquidität verhelfen will, ohne dass sie ihre Immobilie verlassen müssen.

Mehrere Firmen haben das Problem reicher und gleichzeitig armer Senioren zu ihrem Geschäftsmodell gemacht und versprechen, Betongold in Liquidität zu verwandeln. Das eigene Haus zu Geld machen – und trotzdem darin wohnen bleiben. Genau das ist mit der Verrentung der Immobilie möglich. „Das Interesse der Verbraucher an solchen Modellen ist riesig, wie sich in unserer Beratung zeigt“, sagt Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Lebenslanges Wohnrecht in verkaufter Immobilie

Dabei wird das Haus oder die Eigentumswohnung ganz oder teilweise an einen neuen Eigentümer verkauft. Dieser gewährt ein lebenslanges Wohnrecht in der Immobilie und zahlt eine monatliche Rente oder eine Einmalzahlung. Allerdings klafft eine große Lücke zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und dem, was die Kunden als Rente oder Einmalzahlung bekommen. Die Höhe der Rente hängt vor allem vom Verkehrswert der Immobilie und vom Alter der früheren Besitzer ab. Je älter die Besitzer, desto höher können die monatlichen Zahlungen ausfallen.

Günter Handrick (Name geändert) hat sich entschieden, seine kleine Wohnung in Eimsbüttel an HausplusRente zu verkaufen, ohne ausziehen zu müssen. „Ich bekomme nur eine kleine Rente, arbeite aber noch als Hausmeister“, sagt Handrick. „Das Geld benötige ich nicht für den laufenden Lebensunterhalt, möchte es aber nutzen, um mir noch etwas zu gönnen.“

Der Vermittler HausplusRente schließt monatlich etwa zehn Immobilienverrentungen ab. Gründer und Geschäftsführer Otto Kiebler hat 1200 potenzielle Kaufinteressenten an der Hand. Das sind vermögende Kunden, die mit dem Kauf von Immobilien, die sie erst viele Jahre später nutzen können, ihr Geld sicher anlegen wollen und sich auch einen Wertzuwachs von dem Objekt versprechen.

„Unsere Verkäufer wollen sicher ihr Geld bekommen, wirtschaftlicher Eigentümer bleiben und bis ans Lebensende wohnen bleiben dürfen“, sagt Kiebler. Das gilt auch, wenn der Erwerber in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät oder gar gepfändet wird. An den Rechten des Immobilienkäufers ändert das nichts. „Die Immobilie wird unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs verkauft“, sagt Kiebler.

Nießbrauchrecht ähnelt dem Wohnrecht

Das Nießbrauchrecht ähnelt dem Wohnrecht, „aber beim Nießbrauch bleibt die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Immobilie erhalten. Das Nießbrauchrecht endet nicht mit dem Auszug. Man kann die Immobilie also auch vermieten, wenn man in ein Pflegeheim umziehen muss“, so Kiebler. Im Gegenzug muss der frühere Eigentümer aber auch für den Unterhalt der Immobilie sorgen.

Wie das Haus zu Geld gemacht werden kann:

  • Eine Leibrente bis ans Lebensende bieten Deutsche Leibrenten AG und Stiftung Liebenau. Vom Verkehrswert der Immobilie werden der Wert des Wohnrechts und die Kosten der Instandhaltung abgezogen. Lohnt erst ab 70 Jahren oder älter. Die monatliche Rente muss mit dem Ertragswert versteuert werden. Bei einem 75-Jährigen sind das elf Prozent.
  • Sofort das gesamte Geld gibt es bei einem Verkauf mit Nießbrauchrecht, wie er von HausPlus Rente vermittelt wird. Auch der Wert des Nießbrauchs wird vom Immobilienwert abgezogen. Die wirtschaftlichen Rechte an der Immobilie bis zur Vermietung verbleiben bis zum Tod beim Verkäufer. Dafür muss er für die Instandhaltung aufkommen.
  • Nur die Sparkasse am Niederrhein bietet noch bundesweit eine zeitlich begrenzte Umkehrhypothek an. Das Darlehen darf höchstens die Hälfte des Immobilienwertes ausmachen. Das Geld kann monatlich oder auch auf einmal ausgezahlt werden. Der Zins wird fünf Jahre festgeschrieben mit fünf Jahren Verlängerungsoption. Erben bekommen eine Immobilie mit Schulden.

Günter Handrick hat für seine 40 Quadratmeter große Wohnung in Eimsbüttel nach eigenen Angaben eine Einmalzahlung von 100.000 Euro von HausplusRente bekommen. Der Verkehrswert wurde auf 210.000 Euro geschätzt. Auch bei diesem Modell wird ein Mietwert mit einberechnet. Zum Zeitpunkt des Verkaufs war Handrick erst 66 Jahre alt, was sich negativ auf die Höhe der Zahlung auswirkt. „Ein Verkauf war für mich auch deshalb keine Alternative, weil ich den Wertzuwachs hätte versteuern müssen“, sagt Handrick. Die Einmalzahlung ist steuerfrei.

Der Unterschied zwischen Immobilienwert und Auszahlung ist bei diesem Modell groß. Das liegt an der kalkulierten Lebenserwartung, bei der HausplusRente auf die Sterbetafeln der Deutschen Aktuarvereinigung zurückgreift, die eine hohe Lebenserwartung veranschlagen. Je jünger der Verkäufer ist, desto höher fällt die veranschlagte Summe für das Bleiberecht aus. Stirbt der Verkäufer früher, hat der Käufer einen guten Schnitt gemacht. Zusätzliche Probleme kann die sichere Anlage des ausgezahlten Betrages in der Niedrigzinsphase bereiten.

Modell aus Einmalzahlung und Rente

Die Alternative dazu ist die Verrentung der Immobilie. Solche Angebote machen Anbieter wie die Deutsche Leibrenten AG und die Stiftung Liebenau. Ein Ehepaar, beide 75 Jahre alt, hat eine Immobilie im Verkehrswert von 300.000 Euro, rechnet die Deutsche Leibrenten AG vor. Zusammen erhalten die Partner daraus eine lebenslange Rente von 750 Euro monatlich.

Die Restlebenserwartung der Senioren liegt laut Statistik bei rund 14 Jahren. Stirbt ein Partner, wird sie an den Überlebenden weitergezahlt. 1020 Euro rechnet die Deutsche Leibrenten AG zudem monatlich für das mietfreie Wohnen und eine monatliche Instandhaltungspauschale an. Der Betrag ist bereits von der Rente abgezogen.

„Viele unserer Kunden entscheiden sich für ein Modell aus Einmalzahlung und Rente. So können sie ihre restlichen Immobilienschulden tilgen und sichern sich gleichzeitig für ein langes Leben ab“, sagt Friedrich Thiele, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leibrenten AG. Andere Unternehmen wie Wertfaktor oder Engel & Völkers Liquid Home, beide aus Hamburg, bieten einen Teilverkauf der Immobilie an.

„Durch den Teilverkauf von bis zu 50 Prozent der Immobilie an uns verschaffen wir den Kunden die gewünschte Liquidität, ohne dass sie aus der Immobilie ausziehen müssen“, sagt Johannes Glasl von Liquid Home. Da aber ein Teil des Hauses verkauft ist, müssen die Bewohner auch eine Nutzungsgebühr zahlen. Die Kosten für Notar und Gutachter übernimmt die Immobilienfirma. Für den Unterhalt muss der darin Wohnende selbst sorgen.

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Ähnlich funktioniert das Modell von Wertfaktor. Durch ein im Grundbuch eingetragenes lebenslanges Nießbrauchrecht können die Bewohner ihr Objekt weiter nutzen. „Wir sind lediglich ein stiller Teilhaber“, sagt Christoph Neuhaus, Geschäftsführer von Wertfaktor. Auch ein Rückkaufsrecht, etwa für die Erben, kann vereinbart werden. Bei einem Immobilienwert von 500.000 Euro und ausgezahlten 150.000 Euro beträgt das monatliche Nutzungsentgelt bei Engel & Völkers Liquid Home 375 Euro und bei Wertfaktor 363 Euro.

Es gibt grundsätzliche Dinge, auf die Verbraucher achten müssen: Die Immobilie muss von einem externen Sachverständigen bewertet werden. „Das Wohnrecht oder ein vergleichbares Nießbrauchrecht muss im Grundbuch im ersten Rang eingetragen werden“, sagt Verbraucherschützer Krolzik.

Außerdem müsse es klare Festlegungen geben, wer für die Instandhaltung der Immobilie sorgen muss und was bei einem Auszug passiert. Bei einer Leibrente sollte auch eine Mindestlaufzeit vereinbart werden, damit bei einem frühen Tod des Verkäufers noch ein Teil der Zahlungen an die Erben fließt. Ohnehin sollte mit den Erben rechtzeitig gesprochen werden.