Hamburg. Vierter Teil: Verdeckte Mängel beim Altbau oder Pfusch am Neubau. Warum Immobilienkäufer immer mit Überraschungen rechnen müssen.

Für Carsten H. und seine Partnerin war von Anfang an klar: Das künftige Haus sollte ein Altbau sein. „Wenn es eine gute Grundstruktur hat, kann man sehr viel daraus machen“, sagt er. Zwar müsse man bei der Raumaufteilung Kompromisse machen, da tragende Wände Grenzen setzen. „Aber man sieht, was man kauft, und kann sich einen Eindruck­ vom Wohnumfeld und den Nachbarn verschaffen“, sagt H. Das Paar entschied­ sich für ein frei stehendes Einfamilienhaus­ mit 120 Quadratmetern Wohnfläche und 700 Quadratmetern Grundstück in Sasel.

„Wir haben das Haus komplett entkernt“, sagt H., vieles wurde erneuert: Fenster und Türen, die Elektrik, die Heizung. „Beim Dach, das noch ganz gut war, zeigte sich, dass es wegen eines Anbaus nicht mit dem Mauerwerk tragend verbunden war“, sagt H. Ohne die Dacherneuerung wäre dieser Mangel gar nicht aufgefallen. Für die Modernisierung des Altbaus musste das Paar noch einmal eine Summe in Höhe von 40 Prozent des Kaufpreises aufwenden.

Immobilien in Hamburg: Einfamilienhäuser im Neubau teils günstiger

Einer der wichtigsten Gründe für den Kauf eines Objekts aus zweiter Hand ist der Preis. Eine Regel besagt: Ein sogenanntes Bestandsobjekt ist günstiger als ein Neubau. Doch in Hamburg gilt diese Regel für Einfamilienhäuser eher nicht. Das zeigt ein Blick in die Durchschnittspreis-Statistik im jüngsten Immobilienmarktatlas der Bausparkasse LBS. Danach kostet ein Quadratmeter Wohnfläche im Neubau wie im Bestand hamburgweit etwa gleich viel: 4500 Euro.

Was bei einem Neubau zu beachten ist

  • Seit 2018 gilt ein neues Bauvertragsrecht. Erstmals sind Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag, Architekten- und Bauträgervertrag konkret im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Fast 40 Prozent der Bauvorhaben in Deutschland laufen über einen Bauträger. Sie bieten fertige Haus-pläne an und werben mit einem Gesamtpaket aus Haus und Grundstück. Nur etwa jedes zehnte neue Wohnhaus in Deutschland wird nach einem individuellen Architektenentwurf realisiert.
  • Die Bau- und Leistungsbeschreibung ist die wichtigste Grundlage für die Errichtung eines Hauses. Je konkreter und verständlicher der Leistungsumfang, die Art und Qualität der Baustoffe und Materialien sowie der Ausstattungsgrad beschrieben sind, desto geringer ist das Vertragsrisiko. Da es aber für Laien unmöglich ist, zwei ausführliche Baubeschreibungen zu vergleichen und einzuschätzen, ist die Hilfe eines unabhängigen Fachmanns unerlässlich.
  • Vor allem im Verbraucherbauvertrag sind Pflichten verankert, die der Bauunternehmer gegenüber dem privaten Bauherrn hat. Dazu gehören unter anderem eine ordentliche Baubeschreibung, verbindliche Angaben zur Bauzeit, die Herausgabe wichtiger Unterlagen über das Bauwerk und die Begrenzung von Abschlagszahlungen. Außerdem hat der Kunde beim Verbraucherbauvertrag ein Widerrufsrecht. Die Frist beträgt 14 Tage ab Vertragsschluss.

Sieht man sich die Preise in den einzelnen Stadtteilen für Einfamilienhäuser an, bestätigt sich dieser Trend im Grundsatz. Da und dort aber ist Neubau doch günstiger als Altbau. In Bergstedt kostet ein Quadratmeter Wohnfläche im Altbau-Einfamilienhaus im Schnitt 4362 Euro je Quadratmeter, in einem Neubau ist der Preis rund 200 Euro je Quadratmeter günstiger. In Farmsen-Berne zahlen Altbaukäufer 4228 Euro, für Neubauerwerber ist es rund 150 Euro günstiger. In Lurup sparen Neubaukäufer knapp 300 Euro je Quadratmeter Wohnfläche.

In Stadtteilen, in denen der Qua­dratmeterpreis beim Neubau den Käufer teurer kommt, ist der Abstand zum Altbau zumeist gering. So zahlen Neubaukäufer in Lokstedt nur 100 Euro je Qua­dratmeter Wohnfläche mehr. Einer der Gründe: Bei Bestandsobjekten ist das Grundstück zumeist größer, Neubauten werden zumeist auf wenigen Hundert Quadratmetern Grundstück errichtet.

Bei Eigentumswohnungen ist Neubau teurer als Bestandsobjekt

Anders sieht es bei Eigentumswohnungen in Hamburg aus. Hier zeigen schon die Durchschnittspreise, dass eine Neubauwohnung (5879 Euro je Quadratmeter) deutlich teurer ist als ein Bestandsobjekt (5053 Euro). Das bestätigt sich in den einzelnen Stadtteilen. In Altona und Ottensen kostet der Neubau rund 550 Euro je Quadratmeter mehr, in Barmbek-Nord sind es sogar 1800 Euro und in St. Georg fast 3000 Euro.

Wenn für das Einfamilienhaus aus dem Bestand nicht das Preisargument zieht, so sprechen doch andere Argumente für ein Objekt aus zweiter Hand. Alte Wohnviertel locken mit gewachsener Infrastruktur: Sie punkten mit guten Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants, Schulen, guter Anbindung an Bus oder U-Bahn, ärztlicher Versorgung in der Nähe sowie dem Charme historischer Bebauung und viel Grün.

Käufer können sich ein genaues Bild von ihrem künftigen Zuhause machen und sind nicht auf Zeichnungen und Baupläne angewiesen. Da der Erwerb von Wohneigentum oft auch eine emotionale Angelegenheit ist, gibt es eine große Nachfrage nach Bestandsobjekten. Der größte Teil aller Immobilienfinanzierungen entfällt auf Altbauten, ermittelte der Baufinanzierungsvermittler Interhyp.

In vielen Stadtteilen gibt es kaum freie Baugrundstücke

Gerade in begehrten Stadtteilen ist der Erwerb eines Hauses aus dem Bestand aufgrund fehlender Grundstücke oft die einzige Möglichkeit, um dort wohnen zu können. „Wer ein Haus saniert, schützt auch die Umwelt, da er deutlich weniger Baumaterialien als für einen kompletten Neubau benötigt und keine neuen Flächen versiegelt“, sagt Architekt Ulrich Zink vom Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung (BAKA).

Ein Manko von alten Häusern ist allerdings die alte Bausubstanz und die in die Jahre gekommene Haustechnik. „Je nach Baujahr und Zustand der Immobilie müssen Käufer zusätzliche Kosten für Instandhaltung oder Modernisierung einplanen“, sagt Karl-Heinz-Schneider, Sachverständiger vom Verband der Privaten Bauherren (VPB) in Hamburg.

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Wer Wert auf eine moderne Raumaufteilung und Haustechnik, eine zeitgemäße Wärmedämmung sowie neue Strom- und Wasserleitungen legt, denkt wahrscheinlich eher über einen Neubau nach. Der Vorteil: Bauherren können Grundriss und Ausstattung nach eigenen Vorstellungen zuschneiden. Da sich aber die wenigsten ein Architektenhaus mit freier Raumplanung leisten können, müssen auch beim Neubau Kompromisse gemacht werden.

Als Alternativen bieten sich ein Kauf vom Bauträger oder ein Fertighaus an. Der Bauträger offeriert dem Bauherrn diverse, fertig geplante Typenhäuser. Das Fertighaus besteht aus schnell aufstellbaren Elementen. Die Auswahlmöglichkeiten sind ähnlich. „Der Käufer hat den höchsten technischen Standard, es ist wie mit einem neuen Auto“, sagt Schneider. Dank energieeffizienter Technik sind die laufenden Kosten geringer als im Altbau, Modernisierungen sind auf Jahre hinaus unnötig.

Ob Neu- oder Altbau: Ein Hauskauf bleibt ein großes Abenteuer

Familie Öztürk wohnt seit einem Jahr in einem neuen Typenhaus in Wilhelmsburg. „Es war nicht einfach, bis wir auf dem Grundstück, das der Stadt gehörte, mit dem Bau beginnen konnten“, sagt Yilmaz Öztürk. Erfahrungen mit einem Altbau hatte die Familie schon zuvor gesammelt. „In einen Altbau muss man ständig investieren, da fallen viele Reparaturen an“, sagt Öztürk. Obwohl er vieles selbst erledigen kann, hat sich die Familie für einen Neubau entschieden.

 „Wir wollten viele Jahre Ruhe haben und nicht immer am Haus arbeiten. Das gelingt nur mit einem Neubau.“, Außerdem hat ihn die Energieeffizienz überzeugt. Auch ein neues Haus kann Probleme bereiten. Aber der Bauherr hat die Arbeit selbst beaufsichtigt. „Es gab wirklich keine Probleme mit der Firma Viebrock, wir sind sehr zufrieden.“

Doch das ist beim Neubau nicht die Regel, zeigt eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen und dem VPB. Ein fehlerfrei gebautes Einfamilienhaus ist die Ausnahme. So waren ein Drittel aller Sanitärarbeiten, ein Drittel der Heizungsarbeiten und ein gutes Viertel der Elektroinstallationen fehlerhaft. Ob Neu- oder Altbau: Ein Hauskauf bleibt ein großes Abenteuer, ein klares Votum für alte oder neue Immobilien gibt es nicht.

Teil 5 der Serie erscheint am Sonnabend.