Hamburg. Wenn betriebliche Zahlungen an das Gehalt gekoppelt sind, drohen Einbußen. Auch die gesetzliche Rente fällt geringer aus.
Die Kurzarbeit verringert nicht nur das laufende Einkommen. Allein in Hamburg sind nach jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur davon rund 275.000 Arbeitnehmer betroffen. Das Kurzarbeitergeld kann sich auch auf die betriebliche Altersvorsorge auswirken. Wann muss der Arbeitgeber die Beiträge weiterzahlen? Welche Folgen hat ein Arbeitsplatzverlust für die betriebliche Altersvorsorge?
Was droht bei Insolvenz des Unternehmens? Welche Auswirkungen haben Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit auf die gesetzliche Rente? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist betriebliche Altersvorsorge?
Bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) schließt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer meist einen Vertrag mit einer Pensionskasse, einem Pensionsfonds oder einer Direktversicherung ab. Insgesamt gibt es fünf verschiedene Wege, mit der eine bAV umgesetzt werden kann. Den Durchführungsweg bestimmt der Arbeitgeber. „Das Ziel ist der Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge in Form einer lebenslangen Rente“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dabei gibt es zwei Varianten der Finanzierung:
„Der Arbeitgeber finanziert die Betriebsrente alleine oder der Arbeitnehmer steckt einen Teil seines Gehalts in die bAV, der Chef gibt einen Zuschuss“, sagt Becker-Eiselen. Im letzten Fall spricht man von der sogenannten Entgeltumwandlung. Seit 2019 müssen sich Arbeitgeber bei neu abgeschlossenen Verträgen mit 15 Prozent am Versicherungsbeitrag beteiligen. Insgesamt gibt es über 16 Millionen bAV-Verträge in Deutschland.
Welche Probleme kann es durch Kurzarbeit geben?
Hat ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten eine durch ihn finanzierte Zusage auf Leistungen der bAV gegeben, so muss er diese grundsätzlich erst einmal fortführen. „Automatische Auswirkungen in Form einer Kürzung des Aufwands sind nur dann möglich, wenn die bAV von der Höhe des Gehalts abhängig ist“, sagt Markus Kirner, Rentenberater der Hamburger Kanzlei Michaelis. Entscheidend sei im Einzelfall der Inhalt der Zusagen.
Welche Konsequenzen hat es, wenn die betriebliche Altersvorsorge an das Gehalt gekoppelt ist?
Das hängt vom Ausmaß der Kurzarbeit ab. „Wenn die Arbeit vorübergehend vollständig eingestellt wird (Kurzarbeit Null), betrifft das auch die bAV“, sagt Kirner. „In diesem Fall fällt der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber vorübergehend weg und damit ruht auch die bAV-Beitragspflicht des Arbeitgebers.“ Geringere Beiträge reduzieren auch die spätere Rente. Allerdings könnten Betriebsvereinbarungen oder Verträge auch andere Regelungen vorsehen.
Wie der Experte erklärt, sind die Zeiten der Kurzarbeit aber bei den sogenannten gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen vollständig zu berücksichtigen, das gilt auch bei Kurzarbeit Null. Bei der Unverfallbarkeit geht es um die Ansprüche auf Versorgungsleistungen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Beginn des Ruhestandes beendet wird.
Was ist, wenn ich nur zum Teil in Kurzarbeit bin?
„Wird die normale Arbeitszeit reduziert, vermindern sich in der Regel auch die Arbeitgeberbeiträge zur Direktversicherung entsprechend“, sagt Mathias Zunk vom Gesamtverband der Versicherer (GDV). Mit reduzierten Beiträgen können aber auch minimierte Risikoleistungen bei Berufsunfähigkeit - sofern mit eingeschlossen - und Tod einhergehen. Manche Unternehmen stocken bei Kurzarbeitergeld die Differenz zum bisherigen Nettoeinkommen auch auf. Diese Aufstockungsbeiträge können grundsätzlich für die Entgeltumwandlung verwendet werden.
Sind Kürzungen der betrieblichen Altersvorsorge möglich?
„Es kann sein, dass ein Arbeitgeber seine Zusagen nicht mehr dauerhaft aufrecht erhalten kann, wenn sich seine wirtschaftliche Situation nachhaltig verschlechtert“, sagt Kirner. Das Bundesarbeitsgericht hat dafür allerdings sehr strenge Maßstäbe aufgestellt. Einen besonders hohen Vertrauensschutz genießen Beschäftigte, die die Hälfte ihrer Arbeitszeit bis zur Rente im Unternehmen verbracht und einen Teilbetrag von 50 Prozent sich bereits gesichert haben.
Solche Ansprüche können nach der sogenannten Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichtes nur aus zwingenden Gründen entzogen oder gekürzt werden. Die wirtschaftlich schlechte Lage des Arbeitgebers gehört nach Einschätzung des Gerichts nicht zu diesen Gründen.
Welche Folgen hat die Insolvenz des Arbeitgebers für die Altersvorsorge?
Bei den Durchführungswegen Pensionsfonds, Unterstützungskasse und Direktzusage (Pensionszusage) bleiben die Ansprüche auf eine Altersvorsorge auf dem bisher erreichten Niveau erhalten“, sagt Kirner. Für die Ansprüche springt bei der Insolvenz der Arbeitgebers der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Diese Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft umfasst rund 70 Prozent des Verpflichtungsumfangs der gesamten bAV in Deutschland.
Eine sogenannte unverfallbare Anwartschaft existiert, wenn das Arbeitsverhältnis bei Beendigung mindestens drei Jahre bestanden hat und der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt mindestens 21 Jahre alt war (bei Versorgungszusagen ab dem 1. Januar 2018). Bei früheren Abschlüssen sind es fünf Jahre und das Mindestalter liegt bei 25 Jahren.
Derzeit stehen 11,1 Millionen Versorgungsberechtigte (4,0 Millionen Rentner und 7,1 Millionen Anwärter) unter Insolvenzschutz, sagt PSV-Vorstand Hans H. Melchiors. Die Direktversicherung ist über die Protektor AG, die Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer geschützt. Der Insolvenzschutz von Pensionskassen wird gegenwärtig von der Bundesregierung vorangetrieben. Der Europäische Gerichtshof hat im Dezember 2019 den betroffenen Betriebsrentnern aufgrund einer europäischen Richtlinie einen Mindestschutz zugesprochen.
„Wenn der deutsche Gesetzgeber das nicht per Gesetz regelt wie jetzt geplant, greift die Staatshaftung“, sagt Henriette Meissner, Generalbevollmächtigte für bAV bei der Stuttgarter Lebensversicherung. „Die Prüfung und Befriedigung der Ansprüche müsste der Staat übernehmen.“
Was geschieht mit der Altersvorsorge, wenn ich arbeitslos werde?
Einmal erworbene Ansprüche bleiben erhalten, sofern eine unverfallbare Anwartschaft existiert. Bei den Durchführungswegen Pensionskasse und Direktversicherung wird der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer und kann dann entscheiden, wie er mit dem Vertrag weiter verfährt. Er kann ihn beitragsfrei stellen. Das bis zum Einfrieren erreichte Kapital wird im Alter ausgezahlt oder verrentet. Der Arbeitnehmer kann die Betriebsrente auch privat fortführen und die Beiträge ganz oder teilweise selbst zahlen.
Der Vertrag kann auch zum neuen Arbeitgeber übertragen und dort nach den bAV-Regeln fortgeführt werden. Als letzte Möglichkeit besteht innerhalb enger gesetzlicher Grenzen die Option, eine Betriebsrente abzufinden: Die Rentenansprüche werden dann ausgezahlt.
Welche Auswirkungen hat die Kurzarbeit auf die gesetzliche Rente?
Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, sind weiterhin in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. „Bei Kurzarbeit Null werden die Rentenversicherungsbeiträge auf Basis von 80 Prozent des bisherigen Bruttoverdienstes berechnet“, sagt Dirk Manthey von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Ein Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst (aktuell rund 3380 Euro/Monat brutto) erwirbt nach sechs Monaten Beitragszahlung ohne Kurzarbeit einen Rentenanspruch in Höhe von 16,53 Euro im Monat.
Bei Kurzarbeit Null, also wenn der Beschäftigte gar nicht arbeitet, sinkt der Anspruch auf 13,22 Euro. „Nach sechsmonatiger Kurzarbeit Null ergibt sich somit ein Rentenminus von 3,31 Euro im Monat“, rechnet Manthey vor.
Welche Folgen hat einjährige Arbeitslosigkeit?
Arbeitnehmer, die arbeitslos werden und Arbeitslosengeld I beziehen, sind weiterhin in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Beiträge werden von der Agentur für Arbeit gezahlt. Berechnungsgrundlage sind 80 Prozent des letzten Bruttoverdienstes. Ein Bezieher von Arbeitslosengeld I, der zuvor als Arbeitnehmer den Durchschnittsverdienst erzielt hat, erwirbt nach einem Jahr Beitragszahlung durch die Agentur für Arbeit einen Rentenanspruch in Höhe von 26,44 Euro monatlich. Ohne Arbeitslosigkeit läge der Rentenanspruch bei 33,05 Euro. „Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit ergibt sich somit ein Rentenminus von 6,61 Euro im Monat“, sagt Manthey.