Hamburg. Zuverlässige Dividendenzahler wie Fielmann fallen aus. Wo es auch in der Krise noch vier Prozent Rendite gibt.

Das wird ein hartes Jahr für Aktionäre. Sie müssen sich in diesem Jahr mit deutlich gesunkenen oder gar ganz gestrichenen Dividenden abfinden und meist auch auf die gesellige Zusammenkunft zur Hauptversammlung inklusive einem Buffet verzichten. Denn viele Aktionärstreffen finden jetzt nur noch als virtuelle Hauptversammlung statt. Über Jahre haben viele Anleger die regelmäßigen und zum Teil sogar steigenden Ausschüttungen als Ersatz für ausgebliebene Zinszahlungen betrachtet. Doch diese Entwicklung ist jetzt erst einmal vorbei. In welchen Branchen müssen Anleger besonders große Abstriche machen? Wer sind noch verlässliche Dividendenzahler? Lohnt es jetzt schon wieder, Dividendenaktien einzusammeln? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum werden Dividenden gekürzt oder gestrichen?

Mit der Corona-Pandemie ist Europa in die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte gestürzt. So rechnet die EU-Kommission mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Europäischen Union von 7,7 Prozent und in Deutschland von 6,5 Prozent. „Europa erlebt einen ökonomischen Schock, wie es ihn seit der großen Depression nicht mehr gegeben hat“, sagt EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Bisher hat rund ein Viertel der europäischen Unternehmen die Dividende gestrichen. „Wir gehen davon aus, dass die Höhe der Ausschüttungen in Europa um 40 Prozent fallen könnten“, sagt Michael Bissinger, Analyst der DZ-Bank, dem Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken.

Ist es gerechtfertigt, die Ausschüttungen für das vergangene Geschäftsjahr zu kürzen?

Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie lief zwar für viele Unternehmen das Geschäft noch erfolgreich und die jetzt ausgeschüttete Dividende ist der Gewinn­anteil der Aktionäre für das vergangene Jahr. „Dennoch kann die neue Lage nicht unberücksichtigt bleiben, und die Aktionäre haben dafür auch Verständnis“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Ähnlich sieht das auch DZ-Bank-Experte Bissinger: „Zwar hat eine Reduktion oder Streichung der Dividende immer einen großen Vertrauensverlust zur Folge. In der aktuellen Krise führt aber bei vielen Unternehmen kein Weg an einer Sicherung der Liquidität und Stärkung der Bilanz vorbei.“

Selbst Dividendenexperte Christian W. Röhl hat dafür Verständnis, auch wenn dadurch langfristige kontinuierliche Dividendenerhöhungen über mehr als ein Jahrzehnt wie bei der Optikerkette Fielmann unterbrochen werden. Das Unternehmen habe zwar mehr als 300 Millionen Euro auf der hohen Kante, stocke aber auch das Kurzarbeitergeld seiner Beschäftigten auf, was etwa 50 bis 100 Millionen Euro im Monat kostet, wie Röhl schätzt. „Wer sein Geld in der Krise zusammenhält, liefert kein Signal der Schwäche, sondern agiert als vorsichtiger Kaufmann“, sagt Röhl. Er ist überzeugt, dass Fielmann die Dividendenzahlung wieder aufnehmen wird.

Welche Branchen sind besonders von Dividendenkürzungen betroffen?

Die Branche mit den höchsten Dividendenkürzungen ist der Automobilbau mit durchschnittlich 35,9 Prozent, gefolgt von der Tourismusbranche mit minus 34,1 Prozent, ermittelte die DZ Bank (s. Grafik). Allerdings war der Automobilbau auch schon vor Ausbruch des Coronavirus in einer strukturellen Krise. „Es zeigt sich, dass die zyklischen Branchen wie Automobilwirtschaft, Luftfahrt oder Tourismus stärker von Streichungen oder Kürzungen betroffen sind als Pharmafirmen­, Lebensmittelproduzenten oder Versorger, die sich in der Vergangenheit durch stabile Dividendenzahlungen ausgezeichnet haben“, sagt Klaus Naeve, Leiter Wealth Management Deutschland bei der Privatbank Berenberg. „Wem die jährlichen Ausschüttungen besonders wichtig sind, der sollte auch weiterhin defensiven Branchen die Treue halten, auch wenn jetzt die Dividende etwas geringer ausfällt.“

Auf der Empfehlungsliste der DZ Bank stehen der Pharmakonzern Novartis und der Nahrungsmittelhersteller Danone mit einer Dividendenrendite von gut drei Prozent.

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    Lohnen dividendenstarke Aktien überhaupt noch?

    „In diesem Jahr müssen die Anleger zwar Abstriche machen, aber ich glaube nicht, dass das Dividendenmodell nachhaltig beschädigt ist“, sagt Naeve. Allerdings werde künftig durch die aktuellen Kreditaufnahmen die Entschuldung auch wieder eine größere Rolle spielen. „Das kann sich auf Dividendenzahlungen auswirken“, so der Experte. „Wichtige Kriterien sind aus unserer Sicht Wachstum, Verschuldung und die Marktposition.“ Grundsätzlich ist die Dividendenentwicklung deutlich stabiler als die Entwicklung von Kursen und Unternehmensgewinnen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. So fielen in der Finanzkrise die Unternehmensgewinne um 72 Prozent und die Kurse um 50 Prozent, während sich die Dividenden nur um ein Drittel verringerten.

    Wie schlagen sich Hamburger Unternehmen?

    Eine Auswahl wichtiger Unternehmen aus dem norddeutschen Aktienindex Haspax­ zeigt, dass die meisten Firmen ihre Dividende gekürzt oder ganz gestrichen haben wie der Einkaufscenter­betreiber Deutsche Euroshop oder die Modekette Bijou Brigitte (s. Tabelle). Lediglich Hapag-Lloyd und das Karrierenetzwerk Xing haben ihre Dividende erhöht. Die Weinhandlung Hawesko hält die Ausschüttung stabil und bietet immerhin eine Dividendenrendite von rund vier Prozent. Die meisten Hamburger Unternehmen werden ihre Hauptversammlung virtuell abhalten, wie eine Umfrage des Abendblatts ergab.

    Was bedeutet eine virtuelle Hauptversammlung?

    Die Aktionäre versammeln sich in der Corona-Krise nicht in einem Saal, sondern­ lauschen den Ausführungen des Vorstandes über das Internet. Fragen werden vorher schriftlich eingereicht. Ohne einen Hauptversammlungs­beschluss kann aber keine Dividende ausgezahlt werden. „Am meisten stört uns an dieser Form, dass die Firmen entscheiden können, welche Fragen beantwortet werden und welche nicht“, sagt Aktionärsschützer Kurz. Die Online-Hauptversammlungen begrenzt der Gesetzgeber zunächst bis Jahresende.

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    Welche Dividendentitel im DAX sind empfehlenswert?

    „Man sollte nicht nur auf die Höhe der Dividendenrendite schauen, denn wenn ein Unternehmen regelmäßig die Ausschüttung erhöht, zahlt sich das langfristig aus“, sagt Röhl. Mit einer Dividendenrendite von 1,7 Prozent steht der Gesundheitskonzern FMC zwar nicht an der Spitze des Deutschen Aktienindex (DAX), aber das Unternehmen hat die Dividende seit 1997 Jahr für Jahr erhöht. Die Deutsche Bank rät zum Kauf der Aktie mit einem Kursziel von 100 Euro, was einem Plus von 30 Prozent entspräche. Die Hauptversammlung hat das Unternehmen noch nicht terminiert. Das gilt auch für die Deutsche Post, die 1,25 Euro ausschütten will, was einer Dividendenrendite von 4,7 Prozent entspricht. Auch bei diesem Papier überwiegen die Kaufurteile der Analysten. Zwar hat die Deutsche Telekom nicht zum ersten Mal die Dividende gekürzt. Doch die Dividendenrendite liegt bei 4,5 Prozent. Die US-Investmentbank Goldman Sachs rät zum Kauf des Papiers mit einem Kursziel von 16 Euro (aktuell 13,24 Euro). Das Unternehmen habe branchenweit das beste Wachstum und die besten Ertragsaussichten, urteilen die Analysten. Die Hauptversammlung findet am 19. Juni statt – natürlich virtuell.

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden