Berlin. Nach der Finanzkrise kurbelte die Abwrackprämie die Nachfrage an. Auch jetzt will die Industrie Hilfe. Das kommt nicht überall gut an.
Die Autohäuser haben wieder geöffnet, Autobauer wie Daimler und Volkswagen haben die Produktion wieder hochgefahren. In die zuletzt lahmgelegte Autoindustrie kehrt Leben zurück. Doch überwunden hat die deutsche Schlüssel-Branche mit über 800.000 Beschäftigten die Folgen der Corona-Krise noch nicht.
Zu gravierend waren dafür die jüngsten Entwicklungen. Und zu unklar ist die Perspektive. Die Märkte sind eingebrochen, in Europa und dem wichtigen chinesischen Absatzmarkt wurden im März nur noch halb so viele Autos zugelassen wie noch vor einem Jahr. In Deutschland gingen die Aufträge um ein Drittel zurück.
Corona-Krise: Autoindustrie fordert Autoprämie auch für Verbrennungsmotoren
Um die Nachfrage nun schnell wieder in Gang zu bringen, dringen die Autobauer auf staatliche Fördergelder. Dieses Konzept hat schon einmal die Autobranche beflügelt: Nach der Finanzkrise 2009 führte die Bundesregierung die Abwrackprämie ein.
Wer sein altes Fahrzeug gegen ein neues eintauschte, erhielt 2500 Euro vom Staat. Nach nicht einmal acht Monaten waren die zur Verfügung gestellten fünf Milliarden Euro vollständig abgerufen.
Eine solche Prämie könnte sich Volkswagen nun auch wieder vorstellen. Der Wolfsburger Autobauer konkretisierte seine Pläne, die er vor zwei Wochen zusammen mit BMW ins Spiel gebracht hatte.
Man werde sich dafür stark machen, „dass die Politik Geld für diesen Impulsstoß bereitstellt“, erklärte Volkswagens Betriebsratschef Bernd Osterloh in einem Brief an die Mitarbeiter. Diese „Impuls-Prämie“ solle auch für Verbrennungsmotoren gelten.
Doch dabei soll es nicht bleiben, wenn es nach dem VW-Betriebsratschef geht. Denn auf die Autoprämie will Osterloh noch eine „zusätzliche Abwrackprämie obendrauf“ für Autos der Abgasnormen Euro-3 und Euro-4.
Zuvor hatte bereits VW-Manager Ralf Brandstätter dem „Handelsblatt“ gesagt: „In dieser Situation sollte eine Prämie breit angelegt sein und auch moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor umfassen“.
Daimler will eine Kaufprämie für alle Segmente
Auch Daimler dringt darauf, dass eine Prämie nicht nur für Elektro- und Hybrid-Autos ausgezahlt werden soll. Daimler-Chef Ola Källenius plädierte am Mittwoch für eine möglichst breite Förderung. Um die Wirtschaft nach der Krise wieder in Gang zu bringen, sei es vor allem nötig, Zuversicht im Markt zu schaffen, sagte Källenius am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Zur Förderung der Elektromobilität gebe es mit dem „Umweltbonus“ bereits ein gutes Mittel. „Hier geht es zunächst um die Ankurbelung der Wirtschaft“, sagte Källenius. Da wäre aus seiner Sicht eine einfache und pauschale Förderung über alle Segmente hinweg die beste Lösung.
Autoverband bekräftigt den Vorstoß – und rechtfertigt Dividendenzahlung
Während sich zuletzt der Verband der Automobilindustrie (VDA) zurückhielt und zunächst die Entwicklung der Kundennachfrage in den Autohäusern abwarten wollte, unterstützte VDA-Chefin Hildegard Müller nun den Vorstoß der Autobauer.
Moderne Verbrennungsmotoren lieferten einen „erheblichen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz“, sagte Müller im „Deutschlandfunk“. Auch rechtfertigte sie, warum die Autoindustrie zwar Steuergelder als Nachfrage-Hilfen beanspruchen möchte, zugleich aber Aktionären weiter Dividenden auszahlt. Es sei wichtig, Aktionäre an Bord zu halten – sowohl für die Refinanzierung der Unternehmen als auch als Schutz davor, dass die deutschen Unternehmen von Firmen aus dem Ausland aufgekauft werden können.
Ihre Forderung nach einer breit angelegten Autoprämie wird Müller, ex-staatsministerin hildegard müller wird neue vda-chefin die seit Februar Chefin der deutschen Autolobby ist, am Dienstag der Bundeskanzlerin unterbreiten können. Dann ist Angela Merkel (CDU) mit Vertretern der Autoindustrie zum telefonischen Autogipfel verabredet.
Gewerkschafts-Chef Hoffmann will Förderung an neue Antriebe knüpfen
Kritik an den Vorschlägen der Autobauer kommt vom Umweltverband BUND. „Es ist nicht zielführend, Fahrzeuge zu fördern, deren Technik nicht zukunftsweisend ist“, sagte die baden-württembergische BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbende der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn überhaupt, darf es nur eine Kaufprämie für kleine, rein elektrische Fahrzeuge geben.“
Und auch die Gewerkschaften wollen eine Autoprämie an den Klimaschutz koppeln. Konjunkturhilfen müssten „intelligent mit den Anforderungen von Klimaschutz und Digitalisierung“ verbunden werden, sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, unser Redaktion. „Für die Automobilindustrie wäre dies beispielsweise eine gezielte Unterstützung von Elektromobilität und Wasserstoff-Antriebssystemen.“ Ein „Weiterso wie bisher wäre dagegen eine absolute Fehlorientierung“, sagte Hoffmann. Zudem brauche es ein Investitionsprogramm anstatt eines schnellen Schuldenabbaus nach der Krise, forderte der DGB-Chef.
Autoländer-Chefs verschieben Gespräch
Grundsätzliche Zustimmung zu einer Autoprämie signalisierten bereits Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hielt sich dagegen zurück. Ein für Mittwoch angesetztes Gespräch der Autoländer-Chefs wurde kurzfristig verschoben.
Seit Februar ist bereits eine höhere Kaufprämie für E-Autos in Kraft. Sie sollen der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Dass neue Technologien auch in der Krise erfolgreich sein können, zeigte jüngst Tesla: Während der Automarkt einbrach, verkündete das Unternehmen von Gründer Elon Musk neue Rekorde.
ADAC will Kfz-Steuer reformieren
Einen anderen Weg schlägt der ADAC vor. Der Automobilclub dringt auf die Reform der Kfz-Steuer, auf die sich die Bundesregierung im vergangenen Jahr im Zuge des Klimaschutzprogrammes geeinigt hat. „Über die Kfz-Steuer können Anreize gesetzt werden, damit Verbraucher sich für emissionsarme Fahrzeuge entscheiden. Das halten wir für sinnvoll“, sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand unserer Redaktion.
Die Bundesregierung hatte sich im Zuge des Klimaschutzprogrammes im vergangenen September auf eine Reform der Kfz-Steuer verständigt. Hillebrand fordere, dass diese aufkommensneutral gestaltet werden soll: „Angesichts der ohnehin geplanten CO2-Bepreisung sollte die Kfz-Steuer nicht für Belastungssteigerungen für die Gesamtheit der Verbraucher herhalten.“
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