Hamburg. Drei Gruppen positionieren sich für den Gang zur Urne im nächsten Frühjahr. Kritiker befürchtet härteren Schlagabtausch als 2017.
Die Annalen der Handelskammer Hamburg werden vom nächsten Donnerstag an einen neuen Eintrag verdient haben. Denn erstmals in der 354-jährigen Geschichte der ehrwürdigen Wirtschaftsvertretung wird dann eine Frau die Sitzung des Plenums leiten. Weil der amtierende Präses, André Mücke, im Urlaub ist, wird Vize-Präses Diana Rickwardt durch die Tagesordnung führen.
Und diese beinhaltet einen wichtigen Punkt für die zukünftige Gestaltung der Kammer, nämlich die formalen Beschlüsse zur Einleitung der Plenumswahlen Mitte Januar 2020. Demnach soll am 27. September der Wahlaufruf erscheinen. Bis zum 1. November müssen Hamburger Unternehmer dann ihre Kandidatur benennen – und am 20. November wird dann die endgültige Kandidatenliste bekannt gegeben.
Bereits Wochen vor dem Start der Fristen wird um diese Liste heftig gerungen. Denn es treten gleich drei große Wahlgruppen gegeneinander an – ebenfalls ein Novum in der langen Kammergeschichte. Neben der Gruppe „Die Kammer sind Wir“, die den verbliebenen Kern der so genannten Kammerrebellen repräsentiert, wird auch eine Gruppierung um André Mücke an den Start gehen, die sich von der Wir-Fraktion abgespalten hat.
Schließlich steht mit Starke Wirtschaft Hamburg ein neues Bündnis zur Wahl, hinter dem sich die Vertreter der traditionellen Wirtschaft versammeln, von denen viele bei der Kammerwahl 2017 ihre Posten an die Rebellen verloren hatten. Insgesamt sind jedoch nur 58 Plenumsplätze zu vergeben, streng verteilt nach Branchen und Unternehmensgrößen, wie es die neue Wahlordnung vorsieht. So steht jetzt schon fest: Noch nie war das Gerangel um die Sitze so groß wie bei dieser Wahl. Jede Gruppe, die dabei antritt, will personell stark sein. Alle versuchen, namhafte Unternehmer für die eigene Bewegung zu gewinnen
Auflösung von Lager-Fraktionen
Einer der dieses Verhalten scharf kritisiert, ist zugleich jemand, der in der Vergangenheit kräftig beim Postengeschacher mitgemischt hat: Der ehemalige Lloyd-Fonds-Chef und einstige Mitgründer der Wir-Gruppe, Torsten Teichert. Dieser weiß noch nicht, ob er erneut zur Wahl antreten wird. Doch mit dem Verhalten der anderen im bereits begonnenen Wahlkampf geht er hart ins Gericht: „Ich sehe mit einiger Sorge, dass die Lager im Wahlkampf ihre ganze Kraft darauf konzentrieren, möglichst viele Unternehmer an sich zu binden – ohne dass die Programme wirklich klar sind“, so Teichert zum Abendblatt.
„Da werden Kandidaturen in Hinterzimmern ausgekungelt. Und die Verbände wollen massiven Einfluss nehmen. Damit sind wir von einer unabhängigen Gesamtinteressenvertretung wieder weit entfernt.“ Er könne sich gut vorstellen, dass der Lager-Wahlkampf noch viel schärfer als beim letzten Mal ausfallen werde. „Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, alle Lager-Fraktionen aufzulösen und zu echten unabhängigen Einzelkandidaturen - ohne die früher erlebte Steuerung durch das Hauptamt - zu kommen. Das wäre aus meiner Sicht ein Schritt nach vorne.“
Kai Elmendorf, Vizepräses der Handelskammer und der derzeit führende Kopf der alten Wir-Gruppe, sieht das anders: „Mehr Polarisierung als die, die wir im letzten Wahlkampf erlebt haben, geht gar nicht mehr. Damals ging es um einen Kampf alte Wirtschaft gegen Reformer. Heute tritt aus meiner Sicht niemand mehr an, der den Reformbedarf der Kammer bezweifelt.“
Ziele werden geheim gehalten
Nur über das Wie gibt es unterschiedliche Ansichten. Bei ihren inhaltlichen Zielen wollen sich die drei Gruppen aber noch nicht allzu detailliert in die Karten schauen lassen. Die Wir-Gruppe, die nach eigenen Angaben noch 28 der ehemaligen Kammerrebellen aus dem Plenum vertritt, ist von ihm ursprünglichen Ziel abgerückt, die Kammer-Beiträge abzuschaffen, sie will sie aber deutlich senken.
Die Gruppe Starke Wirtschaft Hamburg hält das für wenig realistisch. Sie will kooperative, moderne Strukturen in der Kammer einführen, sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt. Die Gruppe um Vize-Präes Mücke hält sich bisher ganz zurück mit Inhalten: „Wir haben aktuell noch soviel im Plenum inhaltlich abzuarbeiten, dass wir uns erst im Oktober zu neuen Aufgaben äußern werden“, sagte er dem Abendblatt.
Die wichtige Wirtschaftsvereinigung Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg (VEEK), die vor der Übernahme durch die Rebellen inhaltlich eng mit der Kammer verwoben war, stellt sich nicht selbst zur Wahl. Aber auch sie rätselt, mit welchen inhaltlichen Vorstellungen die Kandidaten ins Rennen gehen: „Wir haben eine Reihe von Prüfsteinen entwickelt, auf deren Grundlage wir die Programme untersuchen wollen“, so der VEEK-Vorsitzende Gunter Mengers. „Wenn es denn schon Programme geben würde.“
Kritik am Vorsitzenden der Wahlkommission
Noch größer ist das Geheimnis um die antretenden Personen. „Wir werden mit einer Wahlinitiative antreten, der die derzeitigen Vizepräses der Kammer André Mücke, Peter Jensen und Diana Rickwardt angehören werden“, sagte Mücke dem Abendblatt. „Weitere Namen nennen wir dann im Oktober.“ Es werde sich aber um eine Wahlinitiative und kein Bündnis handeln, die sich nach den Kammerwahlen wieder auflösen soll. Es kann als gesichert gelten, dass Mücke den Posten des Präses anstrebt.
Auch die Wir-Gruppe kämpft noch um Mitstreiter. „Wir werden in Kürze unser Personal-Tableau vorstellen“, sagt Elmendorf, der auch wieder für einen Platz in der Kammer kandidieren wird. Seine Kandidatur stößt aber auf Kritik, da er zugleich Vorsitzender der Wahlkommission ist. „Wer dieses Amt hat, sollte sich nicht selbst zur Wahl stellen, das hat ein Geschmäckle“, sagt die Hamburger Unternehmensberaterin Astrid Nissen-Schmidt, die zusammen mit dem Kulturmanager Norbert Aust, als Doppelspitze für die Initiative Starke Wirtschaft Hamburg antreten will.
Zukunft prominenter Vertreter offen
Völlig offen ist, was der ehemalige Vize-Präses und Gegenspieler von Teichert, Johann Killinger, macht. Er ist weiter Mitglied der Wir-Gruppe, sagt aber: „Ich habe mich noch nicht entschieden“. Auch der Vorstandssprecher der Haspa, Harald Vogelsang, der in der vorangegangenen Wahlperiode dem Präsidium angehört hat, will sich noch nicht äußern. Er steht aber zur Gruppe von Nissen-Schmidt. Schließlich werden auch noch dem Präsidenten des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans Fabian Kruse, Ambitionen nachgesagt.
Das Rennen um die Plätze ist eröffnet. Wer gewinnt, darf vier Jahre lang als Sprachrohr der Wirtschaft fungieren. Auch das ist ein Novum: Bisher dauerten die Wahlperioden nur drei Jahre.