Hamburg. Ehemalige Mitarbeiter wollen Kürzungen beim Altersgeld nicht hinnehmen. Es geht um acht Millionen Euro.
Frieden und Ruhe in der Handelskammer hatte deren amtierender Präses André Mücke nach dem monatelangen Streitigkeiten jüngst in einem Abendblatt-Interview angekündigt. Doch besonders lang hat diese Phase nicht gehalten. Wie erst jetzt bekannt wird, begehren neben den Mitarbeitern der Wirtschaftsinstitution am Adolphsplatz auch ehemalige Beschäftigte des Hauses gegen die Führung auf. Nach Abendblatt-Informationen haben etwa 70 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Kammer ihren früheren Arbeitgeber verklagt. Zu diesen Pensionären zählen auch Ex-Mitarbeiter, die einst der Geschäftsführung angehörten. Grund der Klage: Die Pensionszahlungen sollen – anders als früher – nicht weiter steigen.
Im Kern geht es um eine Entscheidung, der alten Kammerführung unter dem ehemaligen Präses Fritz Horst Melsheimer und Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Diese hatten das Einfrieren der Altersbezüge zum Stichtag 1. Januar 2017 aus Kostengründen beschlossen. Während die Gehälter der derzeitigen Kammermitarbeiter im Rahmen tariflicher Vereinbarungen seitdem angehoben worden sind, sind die Zahlungen an die Pensionäre nominal nicht mitgewachsen. Die Kläger empfinden das als eine Kürzung.
Rund acht Millionen Euro spart die Kammer ein
„Das entspricht nicht den Pensionszusagen, die uns gemacht und vertraglich zugesichert wurden“, sagt Reinhard Wolf, ehemaliger Olympia-Beauftragter und Syndikus der Handelskammer, der bis 2015 den Geschäftsbereich Infrastruktur leitete. „Wir sind immer dazu angehalten worden nach den Grundsätzen eines ehrbaren Kaufmanns zu handeln. Ich finde das die Handelskammer da in einer besonderen Verantwortung steht. Auch ihren ehemaligen Mitarbeitern gegenüber.“
Zumal es bei den Einsparungen nicht um „Kleingeld“ geht, wie Wolf sagt. Bis zu zehn Jahre lang sollen die Pensionszahlungen auf dem Stand von 2017 eingefroren bleiben. Rund acht Millionen Euro spart die Kammer dadurch ein. Dabei betreffen die Kürzungen nur den betrieblichen Teil der Altersversorgung. Der gesetzliche Rentenanteil wächst normal weiter.
Vor dem Arbeitsgericht ist die Klage der Pensionäre in erster Instanz allerdings gescheitert. „Die ehemaligen Zusagen schützen nicht davor, dass sich die Grundlagen für die Altersversorgung durch kollektive Bestimmungen wie neue Dienstvereinbarungen nachträglich ändern“, sagte der Vizepräsident des Arbeitsgerichts Oliver Krieg. Die Kläger sehen das anders. Jetzt gehen sie vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg in Berufung.
Landesarbeitsgericht wird voraussichtlich im Sommer entscheiden
Die Handelskammer will sich zu dem Fall nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele. Eine Sprecherin verwies aber auf den Geschäftsbericht 2017. In diesem wurde bereits vermerkt, dass eine neue Dienstvereinbarung besteht, die „zu einer wesentlichen Entlastung des Jahresergebnisses“ geführt habe, andererseits für die Handelskammer „das Risiko von Rechtsstreitigkeiten mit von dieser Regelung betroffenen Personen“ berge. Mit den Änderungen sei eine „Nettolimitierung der Versorgungszahlungen“ eingeführt die „Regelungen zur Anpassung der laufenden Leistungen modifiziert“ und von der Sozialversicherungsrente entkoppelt worden. Voraussichtlich im Sommer wird das Landesarbeitsgericht entscheiden, ob es rechtmäßig ist, die Betriebspension nicht mehr anzupassen.
Unterdessen will die aktuelle Handelskammer-Führung eine „Task Force“ (Eingreifgruppe) einrichten, die den Reorganisationsprozess des Hauses überprüfen soll. Das hat die Hauptgeschäftsführerin Christi Degen in einem Schreiben an die Wirtschaftsbehörde angekündigt. Der Brief an die Rechtsaufsicht über die Kammer ist die Antwort auf den Hilferuf, den der Personalrat vor zwei Wochen an die Behörde sowie an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gerichtet hatte. Der Personalrat beklagte, dass der von den Kammerrebellen angestoßene Stellenabbau dazu führt, dass diese die Kammer ihre gesetzlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. „Der Restrukturierungsprozess ist in sich mangelhaft“, so die Kritik. Der Stellenabbau habe zur Überlastung mehrerer Geschäftsbereiche geführt. „Rechtskonformes Arbeiten“ sei auf Grund von Personalmangel an mehreren Stellen nicht mehr möglich. Der Personalrat bat den Senat einzuschreiten.
Kammer will zusätzliches Personal bereitstellen
In ihrem Schreiben an die Behörde weist Degen den Vorwurf zurück, dass die gesetzliche Aufgaben nicht mehr vollumfänglich erfüllt werden könnten. Allerdings räumt sie ein, dass es Überlastungsanzeigen gegeben habe. „Wir prüfen intensiv, inwieweit vor dem geschilderten Hintergrund und angesichts der durch den Brexit möglicherweise entstehenden Spitzenbelastungen zusätzliche Personalkapazitäten bereitgestellt werden können“, schreibt Degen. Die Task Force werde aus Präsidiumsmitgliedern und weiteren ehrenamtlich Engagierten der Kammer zusammengesetzt. Eine Kammersprecherin sagte, die Kommission werde nächste Woche die Arbeit aufnehmen und im April Ergebnisse präsentieren.
Am kommenden Donnerstag tagt das Plenum der Kammer turnusmäßig. Dann geht es um einen wegweisenden Vorschlag des Innenausschusses: Wird er angenommen, wird der Personalabbau vorerst gestoppt – und damit auch der ambitionierte Kostensenkungsplan der Kammerrebellen. Es wäre der Anfang vom Ende ihres Ziels, die Beiträge der Pflichtmitglieder an die Kammer von 40 auf 20 Millionen Euro zu halbieren.