Am Ende wird der Rücktritt von Christi Degen eine Entscheidung der Vernunft gewesen sein.
Die Hauptgeschäftsführerin der Handelskammer, Christi Degen, geht. So bedeutungsvoll die Nachricht auch sein mag, wirklich überraschend kommt sie nicht. Zwar hatte Degen noch vor wenigen Wochen im Gespräch mit dem Abendblatt einen Rücktritt abgelehnt. Am Ende wird es aber eine Entscheidung der Vernunft gewesen sein, die beide Seiten – sowohl das Kammer-Präsidium als auch die wichtigste hauptamtliche Vertreterin des Hauses – zur vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses bewog.
Auf der einen Seite stand das Plenum, von dem zahlreiche Vertreter nicht mehr mit Degen zusammenarbeiten wollten; auf der anderen Seite stand eine Geschäftsführerin, die nur noch auf Abruf arbeiten und somit nichts mehr richtig bewegen konnte.
Verschiedene Meinungen zum Grund der Eskalation
Wie es zu dieser Eskalation überhaupt gekommen ist – darüber gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, Degen habe unverzeihliche Fehler gemacht, etwa weil sie zu lange an einem Programm zur Restrukturierung der Kammer festgehalten habe, gegen das der Widerstand auch im eigenen Haus immer größer wurde. Andere wiederum betonten, Christi Degen sei eher einem heillos zerstrittenen Plenum zum Opfer gefallen. Schließlich habe sie nur Dinge umgesetzt, die von dem Gremium zuvor beschlossen worden waren. Beide Sichtweisen haben etwas für sich.
Im Kern geht es ohnehin um etwas anderes. Degens Rücktritt ist Folge der vergifteten Atmosphäre, die im Ehrenamt der Kammer geherrscht hat und immer noch herrscht. Die Volkswirtin ist auch nicht die Erste, die daran scheitert. Schon der Rücktritt des damaligen Kammer-Präses Tobias Bergmann im Dezember vergangenen Jahres war eine Reaktion auf die Ausweglosigkeit der Situation: der von Missgunst geprägten Atmosphäre zweier Lager im Plenum, die sich fast mit kindlichem Eifer in Grabenkämpfen beharkten.
Einigkeit verwandelte sich schnell in Zwist
Dabei hatte alles ganz anders angefangen. Mit einem überwältigenden Wahlsieg im Frühjahr 2017 hatten die Kammerrebellen 55 von 58 Sitzen im Plenum der Kammer übernommen. Zum Teil wurde Leute in die Kammer gewählt, die nicht im Entferntesten mit ihrer Berufung in das Amt gerechnet hatten. Aber sie repräsentierten etwas völlig Neues, eine Geschlossenheit, die sich von dem Individualismus der alten Unternehmervertreter der Kammer grundsätzlich unterschied: gemeinsame Ziele, ein gemeinsames Programm und ein einheitliches Abstimmungsverhalten.
Doch die Einigkeit verwandelte sich so schnell in Zwist, wie Eis im Sommer zu Wasser taut. Viele der ursprünglichen Ziele, wie die Abschaffung der Zwangsbeiträge, erwiesen sich als nicht erreichbar. Der anfängliche Elan wich einem tiefen Frust. Am Ende blieben nur die Individualinteressen der einzelnen Plenumsmitglieder übrig.
Der Kammer geht es längst wie weiten Teilen der Gesellschaft: Es mangelt an der Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. So musste sich der „Traumjob“, von dem Degen noch bei ihrem Amtsantritt im Dezember 2017 sprach, in einen Albtraumjob verwandeln.
Derzeit überlegen Hamburger Unternehmer, ob sie sich für die Wahlen zum neuen Plenum der Handelskammer im Frühjahr 2020 nominieren lassen. Sie sollten es gründlich abwägen und nicht einmal, sondern besser zwei- oder dreimal darüber nachdenken: Es muss wieder eine Ehre und eine Verantwortung sein, als Plenumsmitglied die Hamburger Handelskammer zu repräsentieren. Das Maß an Achtung, das man der ehrwürdigen Repräsentanz der Hamburger Wirtschaft entgegenbringt, kann nur so groß sein wie die Achtung der Vertreter untereinander.