Hamburg. Achter Teil der Serie: Vor 16 Jahren begann alles mit „Die Stämme“. Heute hat das Unternehmen 400 Mitarbeiter.
Das Wachstum von Innogames lässt sich an der Kantine erkennen. Seit wenigen Monaten nimmt sie einen großen Teil des Erdgeschosses der Firmenzentrale in Hammerbrook ein. Am Tresen kann Frühstück, Mittagessen oder Kaffee bestellt werden. In Richtung des Eingangs gibt es eine Sitzinsel mit Plastikhockern in Baumstammoptik. Aus einem oberen Geschoss hört man es bohren und hämmern. Neben dem Erdgeschoss wurde jüngst noch eine zweite Etage in dem mehrstöckigen Bürohaus an der Friesenstraße gemietet, der Umbau läuft. Das Hamburger Unternehmen erzielt heute einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich, die Spiele gibt es in mehr als 30 Sprachen, werden von mehr als 200 Millionen Menschen gespielt, und die Zahl der Mitarbeiter liegt bei stolzen 400 – dabei hat alles mal ganz klein begonnen.
„Ich habe als Kind schon viel gespielt“, erinnert sich Hendrik Klindworth, als er mit uns auf Zeitreise in die Vergangenheit geht. Damit meint der Chef von Innogames zwar auch das kreative Aufeinanderstapeln von Legosteinen oder das Bauen einer Ritterburg aus Holz – insbesondere aber das Daddeln am Computer. Mitte der 90er-Jahre sei das so richtig losgegangen, ergänzt Michael Zillmer: „Als die ersten PC bezahlbar waren.“ Der Favorit der beiden heute 35 Jahre alten Freunde aus Stade ist das Spiel „Die Siedler“.
Im Jahr 2003 fing alles an
Zunächst verlegt Michael Zillmer Dutzende Meter Kabel und zockt bei Netzwerkpartys ganze Nächte durch. Hendrik Klindworth ist hingegen eher der Programmierer, entwirft schon als Schüler kleinere Spiele und eine Börsensimulation. „Da hatten wir die Idee: ,Lass mal unsere eigenen Spiele machen‘“, sagt Hendrik Klindworth. Im Januar 2003 ist es so weit. Sie entwickeln die erste Version von „Die Stämme“. Die Ziele des Spiels: Ein mittelalterliches Dorf muss ausgebaut werden, Dörfer von Rivalen sollen erobert werden, indem man sich mit anderen Spielern zusammenschließt.
Zuerst bauen und erobern die Dörfer nur 20 Freunde, später sind „Die Stämme“ offen für alle, die von Mitspielern eingeladen werden. Nach ein paar Wochen sind es Tausende. Weil diejenigen, die von Anfang an dabei sind, deutliche Bauvorteile haben, wird im Juni die Reset-Taste gedrückt und das Spiel neu gestartet. „Unser Anfangsinvestment waren 20 Euro, die wir für die Servermiete zusammengeschmissen haben“, sagt Hendrik Klindworth, dessen zwei Jahre jüngerer Bruder Eike das Gründertrio komplettiert.
Zehn Euro waren die ersten Einnahmen
Große Freude lösen die 10 Euro aus, die sie am ersten Tag für das Schalten von Werbung erhalten. Bereits ein paar Monate später führen sie Premium Accounts ein, die den Spielern Werbefreiheit und Bedienvorteile wie zum Beispiel bessere Übersichten oder das Erledigen von Bauaufträgen ermöglichen.„Das wurde zum wichtigen Standbein“, sagt Michael Zillmer, der damals eine Lehre als Fachinformatiker antrat und heute als Chief Operating Officer arbeitet. Bezahlt wird per Paypal oder Kreditkarte.
Ende 2005 haben sie mehrere Spielwelten entwickelt, machen den Kundensupport, ahnden Regelverstöße und moderieren Foren. „Da haben wir gesehen, dass wir ein Unternehmen aufbauen können“, sagt Hendrik Klindworth, der fortan sein Informatikstudium in Oldenburg ruhen lässt. Sein Bruder Eike fährt sein Studium der Computervisualistik in Magdeburg herunter, arbeitet heute eher im Hintergrund. Das Gründertrio mietet Anfang 2006 in Stade ein kleines Büro, schreibt einen Businessplan und stellt bald darauf die ersten Vollzeitkräfte ein. „Die Stämme“ sollen internationalisiert werden.
Weil die Wachstumschancen in Hamburg besser sind, zieht das Start-up mit 17 Mitarbeitern Ende 2007 nach Heimfeld. „Wir wollten zeigen, dass wir kein One-Hit-Wonder sind“, sagt Hendrik Klindworth. „The West“ ist bereits in Arbeit, herausgebracht wird es im Frühjahr 2008 – und bald darauf zum Browserspiel des Jahres gewählt. Bei „The West“ wird auf Werbung weitgehend verzichtet, weil sich die internationale Vermarktung als schwierig und saisonabhängig erweist. Einnahmen generiert Innogames durch den Verkauf von Beschleunigern. Die Spieler erwerben zum Beispiel für 10 Euro eine virtuelle Währung wie Diamanten oder Sterne.
Die Firmensprache wurde Englisch
Diese können sie dann für verschiedene Aktionen einsetzen. Die schnelle Fertigstellung eines Baus kostet umgerechnet etwa 20 Cent, der Kauf eines Guts 5 Cent, das schnelle Heilen beschädigter Kampftruppen kann auch mal einen einstelligen Euro-Betrag kosten. 2010 holt sich das Unternehmen einen Investor an Bord. Die britische Firma Fidelity Growth Partners Europe (seit 2015 bekannt als Eight Roads Ventures) erwirbt 20 Prozent der Anteile. „Wir hatten eine Menge Respekt vor dem weiteren Wachstum“, sagt Michael Zillmer. Auf rund 80 Mitarbeiter ist das Start-up da schon angewachsen, neue Strukturen werden eingezogen, ein regelmäßiges Reporting eingeführt und das Management-Team ausgebaut. Als wichtiger Mentor kommt Gerhard Florin an Bord. Die Firmensprache wird auf Englisch umgestellt. Die Mitarbeiter kommen mittlerweile aus mehr als 30 Nationen, der Entfernteste zieht aus Australien nach Hamburg.
Jedes Jahr wächst die Firma Stück für Stück. „Man muss aufpassen, dass man sich nicht übernimmt“, sagt Hendrik Klindworth. Dieses Schicksal ereilt einige Hamburger Rivalen. So mussten zum Beispiel Bigpoint und Goodgame Studios jeweils mehrere Hundert Stellen abbauen. Man habe aus den Fehlern der anderen gelernt und zum Glück einen Investor gehabt, der solides Wachstum anstrebte. Alles glückt dennoch nicht. Seit einigen Jahren verzeichnen vor allem mobile Games kräftiges Wachstum– also Spiele, die unterwegs auf dem Handy oder Tablet gezockt werden.
Durchbruch mit „Forge of Empires“
Für Innogames gelingt der Durchbruch in dem Segment mit „Forge of Empires“. Für 2017 meldete das Unternehmen einen Umsatz von 162 Millionen Euro. „2018 sind wir im zweistelligen Prozentbereich gewachsen“, sagt Hendrik Klindworth. Genaue Zahlen wird demnächst der neue Großaktionär Modern Times Group melden. Die Schweden erwarben im Oktober 2016 zunächst für 91 Millionen Euro 35 Prozent der Anteile vom Gründertrio und Investor Eight Roads Ventures.
Sieben Monate zahlten sie noch einmal 82,6 Millionen Euro und halten nun mit 51 Prozent der Anteilsscheine die Mehrheit. Auf der Produkt- und Marketingseite habe sich nichts geändert, die Finanzen müssten wegen der Börsennotierung der Mutter nun aber regelmäßig gemeldet werden. Innogames wird für 2018 einen zweistelligen Millionenbetrag als Gewinn ausweisen. Hendrik Klindworth: „Wir streben eine Ebitda-Marge von mehr als 20 Prozent an – und die erreichen wir auch.“
Am nächsten Sonnabend lesen Sie: Tim Sievers legt mit Zinspilot viel Geld an