Hamburg. Internetpionier hatte viele Karrieren und verließ AOL mit einer Menge Geld. Jetzt schlägt sein Herz für Schloss Weissenhaus an der Ostsee.

Von einem Stück Erdbeerkuchen, das ihm als Kind eigentlich gar nicht schmeckte, bis zu einem 100-Millionen-Dollar- Schloss an der Ostsee dauert es in Jan Henric Buettners Erzählung nur wenige Minuten. Ein Leben im Schnelldurchlauf. Vorspultaste scheint der Normalzustand für jemanden zu sein, der alles schon immer schneller begriffen und eher gesehen hat als andere. Chancen. Innovationen. Kalifornische Rotbuchen.

„Sehen Sie mal, die hat jemand dem Grafen damals als Setzling mitgebracht, jetzt ist sie riesig“, sagt Buettner. Wir schauen aus dem Fenster des Spiegelsaals auf einen riesigen Garten, auf Koppeln, Weiher, Alleen und das Meer. Überall Weite. Es ist Sonntagmorgen, Buettner hat das einzige Lebensmittel, das er wirklich braucht (einen guten Cappuccino), bereits zu sich genommen. Der braun gebrannte Unternehmer könnte sich monatelang von Minutenterrinen ernähren, wäre kein Problem für den 55-Jährigen.

Zwei Räume weiter befindet sich zwar ein Zweisternerestaurant, aber sich dort so lange ruhig an einen Tisch zu setzen? Das wäre nichts für Buettner, der ständig in irgendeinem Flugzeug ist. Er pendelt zwischen Wien, Hamburg, Santa Barbara und eben Schloss Weissenhaus an der Hohwachter Bucht.

Das historische Gut hat 55 Suiten und ein Kino

Die Buche also, was lernen wir von ihr? Große Dinge brauchen Zeit. Wenn sich ein Investment nicht lohnt, zeichnet sich das meistens sehr schnell ab. Buettner, der in den USA einen Risikofonds von null auf sieben Milliarden Dollar aufbaute, erklärt mal schnell, wie Gelassenheit funktioniert: „Von zehn Investments sind sieben gleich wieder pleite, eines bringt seinen Einsatz vielleicht gerade noch so zurück, aber zwei machen dafür Faktor 40. Investiere ich je 100.000 Dollar, verliere ich rund 800.000 Dollar, bekomme aber acht Millionen raus.“ Ah, so einfach ist das. „Es ist Erfahrung“, sagt Buettner. Verlieren gehört nun mal dazu. Heißt ja auch Risikokapital und nicht Sicherheitspfennig.

Wie bei einem Kind, dem man sagt, die Herdplatte ist heiß. Erst wenn es sich einmal verbrannt hat, lernt es dazu. Hat Buettner wirklich im Laufe der Jahre mehr als 30 Millionen Dollar verloren? „Bestimmt, aber noch viel mehr gewonnen.“ Muss stimmen, denn sonst gäbe es dieses Luxusresort nicht. 100 Millionen Euro hat Buettner hier verbaut, die Hälfte davon aus seinem Privatvermögen. Als er das runtergekommene, 75 Hektar große Anwesen 2006 erwarb, ging er davon aus, dass die Sanierung maximal vier Jahre dauern und 35 Millionen Euro kosten würde. „Aber: doppelt so lange, dreimal so teuer. Ist ja bei allem so“, sagt Buettner. Er freut sich einfach, dass es nun so wunderschön hier ist, dass er etwas geschaffen hat, das bleibt. Weissenhaus soll ein Familienprojekt werden.

Buettner hat den Online-Dienst AOL Europe aufgebaut

Buettners Sohn kommt kurz dazu und sagt höflich Guten Tag. Die beiden wollen in einer Stunde los zum Skifahren. Auf der Autobahn werden sie ein Fußballspiel gucken. Buettner fährt einen schwarzen Aston Martin, neben der Parmigiani Skeleton an seinem Handgelenk das einzige äußerlich sichtbare Merkmal seines Reichtums. Die Uhr gönnte er sich, nachdem er den jahrelangen Rechtsstreit mit Thomas Middelhoff gewann. Buettner hatte für den Bertelsmann-Konzern den Online-Dienst AOL Europe erdacht und aufgebaut und war Geschäftsführer von AOL Deutschland. Als Bertelsmann seine Anteile für über 6,5 Milliarden Euro verkaufte, klagte er auf einen Gewinnanteil – und bekam recht. Auf einen Schlag landeten 80 Millionen Euro auf Buettners Konto, doch anstatt eine Party zu feiern, fiel der inzwischen in die USA ausgewanderte Unternehmer in ein Loch. „Es ist für mich nicht sinnstiftend, Nullen zu zählen. Geld habe ich nie als Selbstzweck, sondern als Zukunftskapital gesehen“, sagt Buettner.

Zunächst erntete er nur Hohn und Spott

Es musste eine neue große Aufgabe her, Jan Henric Buettner braucht das einfach, alle paar Jahre eine neue Karriere, alle paar Jahre alles auf eine Karte setzen. Der Schlossherr hatte schon verschiedene Karrieren: Als Internetpionier stellte er sich die Frage, ob es nicht toll wäre, alles vom Bett aus machen zu können. Reisen buchen, Bankgeschäfte erledigen, Nachrichten lesen. Heute ganz normal, aber 1992 eben undenkbar.

Buettner war zu dem Zeitpunkt 28 Jahre alt und erntete für seine Überlegungen, was man mit Mobilfunk noch machen könnte, außer nur zu telefonieren, zunächst Hohn und Spott. „Ich interagiere höchstens mit meinem Kühlschrank“, soll beispielsweise Helmut Thoma gesagt haben, zu der Zeit einer der größten Spieler im Medienbusiness. Doch Buettner wusste damals bereits von seinem Können. Für den Verlag Axel Springer hatte er sich um die Bewerbung für eine neue Mobilfunklizenz gekümmert, ein Drei-Milliarden-Projekt. Mit 25 hielt er bereits Präsentationen vor Bundeskanzler Helmut Kohl, der damals amtierende Springer-Vorstandsvorsitzende Peter Tamm wollte den klugen Jungen dann unbedingt als Assistenten. Buettner gründete den Bereich interaktive Medien, merkte jedoch relativ bald, dass das nicht so sein Ding ist: „Meine Triebkraft heißt Unabhängigkeit.“

Er gründete die Internetfirma LEO

Er gründete die Internetfirma LEO, mit der er dann eineinhalb Jahre später zu Bertelsmann zog, als Thomas Middelhoff ihn haben wollte. New Economy, Surferlook, Erfolg – Buettner stellte eine Galionsfigur der schönen neuen Welt dar. Doch dann wurde der Laden immer größer. „Wenn die Leute schon anfangen müssen, Namensschilder zu tragen, dann ist es nicht mehr meine Firma“, erklärt Buettner. Er besorgte sich eine Greencard und sagte eines Abends zu seiner damaligen Frau: „Morgen ziehen wir in die USA!“ Es folgte seine Zeit als Risikofondsmanager, und jetzt ist der Hamburger eben Hotelier.

Kein kleiner. Das historische Gut hat 55 Suiten, ein Kino, einen Weiß- und einen Rotweinkeller, fünf Restaurants, Backhaus, Gärtnerhaus, Deichkate, Meierei, Badehäuschen, Gartenvilla, Kavaliershaus, Reetscheune, Orangerie, Rosengarten, 22 Kamine, drei Kilometer Naturstrand und eine Therme, zu der ein Tunnel vom Schloss aus führt. Noch gebaut werden ein Sportplatz, eine Tennisanlage, eine Joggingstrecke und zwölf Appartements, die für eine bis zwei Millionen Euro verkauft werden sollen.

Nun sitzt er über Excel-Tabellen

Im Schloss findet man ein paar alte Fotografien. Man sieht den kleinen Jan Henric mit seinem Vater vor dem Schloss Erdbeerkuchen essen, dessen Exfrau mit den beiden kleinen Kindern am Strand Steine werfen. Fast jeden Sommer verbrachte Buettner hier an der Ostsee, seine Eltern hatten ein Ferienhaus in der Nähe. Buettner liebt die Erinnerungen. Er brauche jetzt keinen weiteren großen Wurf mehr, sagt er.

Zurzeit ist er noch jeden Tag mit seinen Excel-Tabellen beschäftigt. Die Investoren, die sich an Weissenhaus beteiligen, sollen zufrieden sein, und auch der Hausherr selbst kann bei fünf- bis sechsstelligen Beträgen, die täglich rausgehen, einfach besser schlafen, wenn er darüber die Kontrolle hat. Und falls doch noch irgendetwas schiefgeht? Er werde jede Herausforderung wie schon immer so naiv wie möglich angehen, sagt Buettner: „Wie im Comic. Wenn die Figuren da über den Abgrund hinauslaufen, fallen sie erst, wenn sie runterschauen.“