Hamburg . Die Firma Stillfront aus Schweden übernimmt den Hamburger Spieleentwickler. Geschäftsführung bei Goodgame soll bleiben.
Das börsennotierte schwedische Unternehmen Stillfront kauft den Hamburger Spieleentwickler Goodgame für 270 Millionen Euro, in Aktien und Bargeld. Goodgame war zuletzt mit kuriosen Meldungen über abendliches Freibier für die Mitarbeiter bekannt geworden, hatte aber auch immer neue Negativschlagzeilen produziert. Stillfront kauft bei der Transaktion 100 Prozent der Altigi GmbH, die wiederum alle Rechte an Goodgame Studios und den Spielen hält. Die beiden Gründer von Goodgame, Kai Wawrzinek und Christian Wawrzinek, halten nach dem Deal 40 Prozent der Anteile und Stimmrechte an Stillfront und werden somit größte Aktionäre der schwedischen Gruppe.
Kai und Christian Wawrzinek bleiben zudem Geschäftsführer von Goodgame Studios, das sie 2009 gründeten. Die zukünftige Stillfront-Tochter wird in Hamburg ihre Selbstständigkeit behalten. „Wir sind sehr stolz, den geplanten Zusammenschluss von Goodgame Studios mit der börsennotierten Stillfront Group bekanntzugeben“, teilten die Gründer am Donnerstag mit.
Die Wawrzinek-Brüder werden sich allerdings fragen, ob der Zeitpunkt für den Verkauf optimal gewählt ist. Immerhin soll ihre Firma zwischenzeitlich mehr als 600 Millionen Euro wert gewesen sein. Die Startup-Schmiede Rocket Internet bezifferte ihren 15-prozentigen Anteil an Goodgame schließlich noch 2016 auf 93 Millionen Euro.
Starke Reaktion an der Börse
An der Börse wurde die Nachricht aus der Spielebranche indes honoriert: Die Übernahme des deutschen Rivalen bescherte Stillfront am Donnerstag gleich den größten Kurssprung der Firmengeschichte. Die Aktien stiegen in Stockholm um bis zu 37 Prozent auf ein Rekordhoch von 188 Kronen. Stillfront ist in der Hamburger Gamer-Szene kein Unbekannter. 2013 hatte der schwedische Entwickler von Handyspielen wie „Age of Lords“ bereits die Spielefirma Bytro Labs gekauft. Das Unternehmen mit Sitz im Astra-Turm auf St. Pauli ist nach dem Engagement der Skandinavier weiter gewachsen. Es handele sich auch bei Goodgame um ein strategisches Engagement, sagte ein Branchenkenner, Stillfront sei keine Heuschrecke. Für die rund 250 Arbeitplätze bei Goodgame bedeute der Deal eine gute Absicherung. Auch von Goodgame hieß es, alle Jobs blieben nach dem Verkauf erhalten.
„2017 haben wir Goodgame Studios bereits zurück auf den richtigen Kurs gebracht. Von Januar bis September konnten wir einen Gewinn vor Steuern von 22 Millionen Euro erwirtschaften”, sagte Kai Wawrzinek. 2018 werde der Erfinder von „Empire - Four Kingdoms“ den Gewinn voraussichtlich um 25 bis 30 Millionen Euro steigern. “Zusammen mit den anderen Studios der Stillfront Group wollen wir nun unserer gemeinsamen Vision eines weltweit bedeutenden Gaming-Unternehmens näher kommen. An der Börse notiert zu sein gibt uns dafür die nötige Flexibilität.”
Games in 26 Sprachen
Goodgame hatte in den vergangenen Jahren Licht und Schatten der Zukunftsbranche erlebt. Das 2011 gestartete Mittelalter-Strategiespiel „Goodgame Empire“ ist eine der größten Erlösquellen der Kreativschmiede, die in der Vergangenheit allerdings auch schon einige Produkte entwickelt hat, die es bei den Nutzern nicht unter die Lieblingsspiele schafften. Solche Entwicklungen werden dann schnell zum Millionengrab. Denn die Produkte sind auf eine große Fangemeinde angewiesen, um Gewinne abzuwerfen. Denn Goodgame entwickelt Gratisspiele wie „Empire“ und „Big Farm“ für Computer, Tablets und Handys. Bei diesen sogenannten Free-to-Play-Games können Spieler kostenpflichtig weitere Funktionen zukaufen und so erfolgreicher spielen. Das Unternehmen betreibt seine Games in 26 Sprachen und hat nach eigenen Angaben weltweit 300 Millionen registrierte Nutzer.
In den vergangenen Monaten hatten jedoch auch ein massiver Abbau beim Personal und die Debatte um einen Betriebsrat bei der Firma mit Sitz in Bahrenfeld für Unruhe gesorgt. Noch Ende Januar hatte Goodgame vermeldet, dass 200 Arbeitsplätze wegfallen. Im Jahr zuvor hatte die Firma bereits eine niedrige dreistellige Zahl von betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Damit ist die Belegschaft von einst 1200 Mitarbeitern auf inzwischen weniger als 300 Beschäftigte rasant geschrumpft. Zuvor hatte sich Goodgame schnell, wahrscheinlich zu schnell, zum größten Spieleentwickler in Deutschland entwickelt, gemessen an der Mitarbeiterzahl.
Änderungen in der Geschäftsführung
Auch in der Führung hatte es eine Personalrochade gegeben. Die Gründerbrüder Kai und Christian Wawrzinek, die sich erst im August 2016 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatten, kehrten im Januar wieder in die Geschäftsführung zurück. Der zuvor eingesetzte Chef Maximilian Schneider verließ Goodgame Ende Februar.
Bundesweit bekannt geworden ist der Spieleentwickler in der von Fachkräftemangel gebeutelten Branche durch sein besonders Arbeitsumfeld: Das Unternehmen bietet ein Schwimmbad für die Mitarbeiter, Gratis-Müsli am Morgen und Freibier am Abend. So sollen Talente angezogen werden, die international, etwa auf Messen, geworben werden.
Die 2010 gegründete Stillfront entwickelt ebenfalls Spiele, die weltweit verbreitet werden. Zu den Hauptabsatzmärkten gehören die USA – mit dem Kauf von Goodgame wollen die Schweden nun ihre Position in Deutschland ausbauen.