Hamburg. Erster Teil der neuen Serie: 50 Millionen Euro verdiente der Xing-Gründer beim Verkauf des Netzwerks. Was er heute macht ...

Lars Hinrichs macht keinen Hehl daraus, dass ihn die Unzulänglichkeit der Menschen nervt. Er freut sich auf die Zeit, wenn Lokführer durch selbstfahrende Züge ersetzt werden. Wenn im Supermarkt niemand mehr an der Kasse sitzt, weil Kameras den Käse und die Cola im Einkaufswagen erkennen und abrechnen. „In zehn Jahren wird es autonome Flugtaxis geben, dann kommt man in 50 Minuten von Hamburg nach Berlin, billiger als mit der Bahn“, sagt der Unternehmer. „Alles, was digital sein kann, wird auch digital werden“, ist der 42-Jährige überzeugt.

Für seine Visionen baut Hinrichs eher auf Gespür als auf Wissenschaft. Nur einen einzigen Tag hat sich der Spross einer Hamburger Bäckerdynastie mit dem Studium aufgehalten. Nach wenigen Stunden an der Uni Witten/Herdecke beschließt er, dass eine akademische Bildung reine Zeitverschwendung ist. Sein Motto noch heute: „Maximaler Output mit minimalem Input.“

Er schaffte das „Apartimentum“

Schnell zahlt sich damals der Entschluss aus, direkt ins Leben zu starten. Zwar muss Hinrichs mit seiner ersten Firma Insolvenz anmelden, doch die zweite Idee zündet: Er gründet das Internet-Netzwerk Xing, bringt es im Alter von 29 Jahren an die Börse und verdient später mit dem Verkauf knapp 50 Millionen Euro. „Welcome Hubert“, schrieb der damals 32-Jährige auf Twitter: Er habe einen Anteil von 25,1 Prozent an der AG an Hubert Burda Digital verkauft. Dieser Coup machte ihn nicht nur zum Multimillionär, sondern auch zu einem der Vorbilder der erfolgreichen Internetwirtschaft. Deren Motto: Gründe ein Start-up und warte, bis einer der Dinosaurier aus der „Old Economy“ zuschnappt – gegen eine Menge Geld.

Lars Hinrichs ist keiner, der sich auf einer Idee ausruht. Mit seinem „Apartimentum“ schaffte er in bester Lage in Hamburg-Rotherbaum vor einigen Jahren den digitalen Raum zum Wohnen. Dort ließ er alles einbauen, was an neuen Technologien auf dem Markt war. Ob die Bewohner ein Haus als sicher empfinden, dessen Türen komplett ohne herkömmliche Schlösser auskommen, ist zwar fraglich. Andere Gimmicks sind fraglos nützlich, etwa die Badewanne, die per App angesteuert wird und schon vollläuft, während der Mieter noch unterwegs ist. Die Heizungsanlage,die bei Verlassen oder Betreten der Wohnung das Klima reguliert. Oder die Paketstation im Hausflur, wo der Bote die bestellten Schuhe ablegt. Und sie bei Nichtgefallen auch direkt wieder abholen kann.

11.000 Euro Miete für eine Wohnung

„Das Apartimentum ist heute komplett vermietet“, freut sich Hinrichs. An Manager, Fußballprofis und andere Menschen, die sich die Miete von 4000 bis gut 11.000 Euro im Monat für eine der 45 Wohnungen leisten können. Im Erdgeschoss am Mittelweg ziehen bald auch noch die letzten Gewerbekunden ein, eine Schönheitsklinik und ein Geschäft für Luxusbäder.

Zum Interview hat Hinrichs in einen Besprechungsraum seiner Investmentgesellschaft Cinco Capital eingeladen, die ebenfalls im Apartimentum Büros bezogen hat. Der Unternehmer sitzt in hanseatisches Blau gekleidet am Tisch − und schaut den Besucher auch von einigen Bildern an. Großformatige Poster im Flur zeigen Hinrichs auf Magazin-Titeln, an der Wand lehnt ein Druck im Stil von Andy Warhols bunten Köpfen, in diesem Fall mit Hinrichs’ Konterfei in Knallfarben. Ansonsten wirken die weißen Wände noch etwas kahl. Doch das kann sich schon bald ändern. Nächste Woche fliegt Hinrichs nach Japan. „Ich interessiere mich schon länger für japanische Kunst“, und der Mann wäre nicht er selbst, wenn hier nicht wieder die Technik das Sagen hätte. Es geht um digitale Bilder, die auf Bildschirmen bunt von der Wand leuchten. Der Künstler wird hier zum Programmierer. Die nötigen Steckdosen für die Kunst hat Hinrichs bereits installieren lassen, im Büro und in seinem Haus in Alsternähe.

Er schwärmt von Alexa

Das bewohnt er zeitweise allein. Ein kleiner Basketballplatz auf seinem Grundstück ist Hinrichs’ Zugeständnis an die reale Welt, hier tobt er manchmal mit dem Nachwuchs um die Wette. Ansonsten ist Hinrichs auch zu Hause von digitalen Mitbewohnern umgeben.

„Alexa“, schwärmt er über das digitale Steuerungsgerät für Internet, Musik oder Licht, „erzählt einfach super Witze.“ Hinrichs ist nicht nur fasziniert von Innovationen, er ist Vollblut-Entrepreneur und immer dabei, neue Projekte zu verwirklichen: „Unternehmer bleibe ich und werde ich immer sein.“ Den Erfolg des Apartimentums will er multiplizieren, ein weiteres Haus, in dem die Technik das Sagen hat, plant er auf Hamburger Stadtgebiet in guter Lage. Wo, soll noch geheim bleiben.

Neues Geschäftsfeld

In München ist er größter Anteilseigner der xbAV, einer Firma mit 120 Mitarbeitern, der er das Potenzial von Xing zutraut. Geschäftsfeld ist die betriebliche Altersvorsorge, die Idee ist eine effiziente, digitale Verwaltung von Verträgen für Versicherungen, Kunden und Makler. Eine weitere Firma in Hinrichs’ Portfolio, die Impossible Software, setzt auf personalisierte Videos. Werbetreibende etwa können damit den Kunden individuell ansprechen, der Name oder der Wohnort des Nutzers zum Beispiel ist Teil des Videos und schafft damit einbesonderes Erlebnis.

Neben den Beteiligungen betätigt sich Hinrichs noch als Aufsichtsrat, etwa bei der Deutschen Telekom. Der Hamburger ist viel unterwegs, oft mit der Bahn, manchmal mit Car2go, hin und wieder mit seinem Tesla, der vor dem Fenster parkt. „Herrlich, damit von null auf 100 Stundenkilometer in drei Sekunden zu beschleunigen, aber auch etwas beängstigend“, findet der Halter, der das E-Mobil bisher ja noch selber steuern muss. Das Leben auf der Überholspur bremst Hinrichs denn auch immer wieder ab, ein paarmal in der Woche nimmt er sich Zeit für Yoga. Mit einer eigenen Lehrerin. Zumindest, wenn er in Hamburg ist, „sonst nehme ich sie mit“, sagt Hinrichs augenzwinkernd. Auch jetzt in Japan? „Ich habe sie als Trainerin dabei, in meiner Yoga-App.“

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