Hamburg. Zweiter Teil der Serie: Am Anfang vor 14 Jahren wurde Smaato belächelt. Nun hat das Unternehmen 250 Mitarbeiter weltweit.

Ein Massageraum, ein kleiner Minigolfplatz und Laufbänder- mit einem Schreibtisch: Man muss sich die Mitarbeiter von Smaato als glückliche Menschen vorstellen. Und genau das ist ihrer Chefin auch wichtig: Petra Vorsteher, die zusammen mit ihrem Mann Ragnar Kruse vor 14 Jahren das Unternehmen in San Francisco und Hamburg gründete, legt Wert auf ein kreatives Arbeitsumfeld. „Bei der Gestaltung der Räume haben wir Anregungen der Mitarbeiter einfließen lassen“, sagt Vorsteher bei einer Führung durch die zwei Stockwerke im Emporio-Haus am Valentinskamp. Neben den genannten Bereichen gibt es eher klassische Ruheräume, eine Chillout-Lounge, eine Bibliothek, verschiedene Cafés und Bars. „Da wir viel Zeit am Arbeitsplatz verbringen, ist es aus meiner Sicht überaus wichtig, dass sich alle Mitarbeiter dort wohlfühlen“, sagt die 62-Jährige. „Bei Smaato herrscht ein sehr freundschaftliches Arbeitsklima. Oft findet man Kollegen noch weit nach Geschäftsschluss im Büro, wo sie kickern, Billard spielen oder sich noch auf einen Drink in der Lounge treffen.“

Vorsteher ist Chief Alliances Officer von Smaato, ihr Mann der CEO. Die beiden sind schon lange in der Branche aktiv. In den 1990er-Jahren bauten sie gemeinsam Intershop, einen Entwickler von Marktplätzen für das Internet, mit auf, brachten die Firma 1999 an die Börse. Nach einer Auszeit begann das Ehepaar dann, neue Herausforderungen zu suchen. „Wir haben uns beide hingesetzt und Geschäftsideen entwickelt“, sagt Vorsteher. „Letztendlich sind wir dann dem Instinkt meines Mannes gefolgt und haben uns für seine Idee im Mobile App Markt entschieden.“

Die erste eigene App war ein Programm

Es war der Beginn des neuen Jahrtausends, die Zeit des ersten Smartphones. Gerade war das sogenannte Palm Treo auf den Markt gekommen. „Von einem iPhone hat damals noch keiner gesprochen.“ Das neue Telefon war ein kleiner Computer. Kruses Idee: So ein Computer braucht Software. Also schreiben wir Software für die neuen Minicomputertelefone. „Letztlich das, was wir heute als Apps bezeichnen.“ Die erste eigene App war ein Programm, das jedem Mobilfunknutzer im Ausland sofort sagte, wie teuer sein Anruf gewesen ist. „Eine tolle Idee, aber wie sollten wir die App an den Mann bringen?“ Einen App-Store gab es ja noch nicht. „Also kam uns die Idee, sie durch Werbung zu finanzieren.“

Werbung für Apps ist heute das Hauptgeschäft von Smaato. „Damals konnte sich das keiner vorstellen“, sagt Petra Vorsteher. So hätten sie und ihr Mann es in den ersten Jahren auch schwer gehabt, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Ganz gleich, wo sie ihr Unternehmen vorstellten, es hieß immer: Handys sind zum Telefonieren da. Da will niemand Werbung drauf sehen. „Wenn man immer wieder mit Zweifeln an seiner Geschäftsidee konfrontiert wird, muss man sehr überzeugt davon sein, um seine Sache weiterzuverfolgen.“ Lange Zeit hätten sie und ihr Mann quasi unentgeltlich für ihre Firma gearbeitet, so Vorsteher: „Anders wäre es nicht gegangen.“ Zum Glück hätten sie sukzessive Investoren gefunden. Business Angel, die es ihnen ermöglichten, ihre Pläne weiterzuverfolgen. Unter ihnen als einer der größeren Geldgeber auch der SAP-Mitgründer Klaus Tschira. Diesen Menschen seien sie und ihr Mann bis heute dankbar für die Unterstützung und den Glauben an ihre Sache.

Smaato funktioniert wie eine Börse

Mittlerweile ist Smaato, was übrigens phonetisch auf Japanisch „smart“ heißt, ein erfolgreiches Unternehmen, schreibt seit vielen Jahren schwarze Zahlen. Die Firma mit ihren 250 Mitarbeitern an sieben Standorten weltweit ist zu einer reinen Handelsplattform für Werbung geworden. „Wir sind quasi das Ebay für App-Werbung“, sagt Vorsteher über ihr Geschäftsmodell. Ihr Mann bezeichne Smaato hingegen immer als Nasdaq. „Denn letztlich vermitteln wir zwischen dem App-Betreiber und dem Werbekunden – wie eine Art Börse.“

Wenn ein Kunde eine App öffne, setze sich ein blitzschneller Prozess in Gang. „Dann gibt es eine Information an uns, dass wir eine Auktion über den freien Werbeplatz starten.“ Die Firmen würden auf die Werbelücke bieten, der Meistbietende den Zuschlag erhalten. „In dem Moment, in dem die Auktion beendet ist, bekommt er die Information, dass er jetzt auf der App seine Werbung ausspielen muss.“ Und das in 150 Millisekunden, weltweit. „Diesen Prozess merken die Kunden selbst gar nicht. Sie warten nur, dass sich die App öffnet.“

Smaato erhält für die Auktion eine Provision. 30 Milliarden solcher Verkaufsvorgänge werden von dem Unternehmen täglich durchgeführt. Mit 90.000 Apps gibt es Verträge. Tendenz steigend. Damit steht die Firma in direkter Konkurrenz zu den großen Anbietern wie Facebook und Google. „Wir sind Konkurrenten, arbeiten aber auch zusammen“, sagt Vorsteher und zeigt im 19. Stock auf die nahe gelegenen Hamburger Büros der Silicon-Valley-Riesen.

2016 haben sie und ihr Mann Smaato an Chinesen verkauft

2016 haben sie und ihr Mann Smaato an Chinesen verkauft. Grund war, so Vorsteher, der Tod von Tschira. „Dessen Familie hatte kein Interesse, sich weiter zu engagieren. Also haben wir uns dafür entschieden zu verkaufen.“ Ragner Kruse fand einen Partner in der Spearhead Integrated Marketing Communication Group, ein Marketingunternehmen aus Peking. „So konnten wir uns den chinesischen Markt erschließen, auf dem Facebook und Google nicht aktiv sind.“ 148 Millionen Euro brachte der Verkauf.

„Damit haben wir für alle Beteiligten ein wirklich gutes Ende für ihr Engagement erreicht“, sagt Vorsteher. Geändert habe sich bisher nicht viel. Sie würden weiterhin unabhängig von Deutschland, den USA und ihren anderen Standorten aus arbeiten. Und so lange das so bleibe, würden sie ihrem Baby, wie Vorsteher die Firma gerne nennt, treu bleiben. „Wir sind dem Unternehmen emotional so eng verbunden und möchten es weiter wachsen sehen.“

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