Hamburg. Christi Degen erzählt, wie sie von Tobias Bergmanns Demission erfuhr, was sie empfand – und warum Pflichtbeiträge notwendig sind.

Christi Degen empfängt das Abendblatt im Präses-Zimmer der Handelskammer am Adolphsplatz. Die Hauptgeschäftsführerin will eine persönliche Leistungsbilanz ihrer ersten zwölf Monate in dem Amt ziehen. Doch selbstverständlich dreht sich das Gespräch vor allem um den Machtkampf im Ehrenamt der altehrwürdigen Hamburger Wirtschaftsvertretung.

Wie haben Sie von Tobias Bergmanns Rücktritt erfahren?

Christi Degen: Er hat eine E-Mail an das Präsidium und mich geschrieben, in der er uns seinen Rücktritt formal mitgeteilt hat.

Das heißt, über Facebook haben Sie es nicht gesehen? Dort hatte Herr Bergmann ja zunächst seine Facebook-Freunde informiert.

Degen: Ich war nicht so schnell auf Facebook. Später habe ich mir das angeschaut.

Waren Sie überrascht von dem Rücktritt?

Degen: Ja, das war ich.

Und hatten Sie sonst Emotionen? Waren Sie traurig, glücklich?

Degen: Ich halte mich hier mit Emotionen zurück. Es ist wichtig, dass sich das Hauptamt als neutral betrachtet. Wir sind die Vertretung der Hamburger Wirtschaft. Entscheidungen des Ehrenamtes müssen wir zur Kenntnis nehmen und damit leben. Wir setzen Entscheidungen um und enthalten uns der Bewertung; denn das ist nicht Aufgabe des Hauptamtes.

Aber es kann Sie doch nicht komplett emotionslos lassen, dass der Machtkampf im Präsidium das Ansehen der Handelskammer beschädigt?

Degen: Ich bin selbstverständlich daran interessiert, dass wir als Hauptamt ein stabiles Umfeld haben. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird natürlich unsere Arbeit erschwert.

Es geht bei den Streitereien innerhalb des Kammer-Ehrenamts ja auch immer wieder um die von vielen kritisierte Abfindung an die ehemalige Geschäftsführerin Corinna Nienstedt in Höhe von 33.500 Euro, die Sie angewiesen haben. War das ein Fehler im Nachhinein?

Degen: Der Kammer ist dadurch kein Schaden entstanden, das können Sie in Gutachten nachlesen. Zwar gibt es keine Rechtsgrundlage, welche die Zahlung zwingend erforderlich macht, aber es gibt auch keine Rechtsgrundlage, welche die Zahlung verbietet. Das ist eine Managemententscheidung – und ich habe sie in dieser Form getroffen.

Würden Sie die Entscheidung heute wieder so treffen – mit Wissen um den ganzen Ärger, der dadurch entstanden ist?

Degen: Ich finde die Entscheidung weiterhin richtig. Aber sicherlich hätte man das Thema zuvor auch noch mal intern besprechen können. Allerdings finde ich, wir sollten mehr über Inhalte und Leistungen reden als über interne Streitigkeiten.

Streitigkeiten ist nett ausgedrückt. Letztlich handelt es sich um eine zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannte Schlammschlacht in der Hamburger Handelskammer, die nun im Rücktritt des Präses gipfelte. Aber gut: Reden wir über Inhalte. Das 2017 gewählte Präsidium ist von den Unternehmen vor allem für den Inhalt gewählt worden, die Pflichtbeiträge abzuschaffen. Dieses zentrale Wahlversprechen ist mittlerweile aufgegeben worden. Ist das nicht Wahlbetrug?

Degen: Sie dürfen mich nicht mit dem Bündnis verwechseln, welches 2017 die Wahl gewonnen hat.

Aber letztlich haben Vertreter dieses Wahlbündnisses Sie als Hauptgeschäftsführerin ausgesucht. Und als Sie das Amt angetreten haben, kannten Sie das zentrale Wahlversprechen.

Degen: Ich bin nicht angetreten mit der Maßgabe, dass die Pflichtbeiträge abgeschafft werden sollen. Damals gab es bereits die Diskussion darüber, dass man dieses Versprechen wohl nicht einlösen kann. Ich bin darüber hinaus der Meinung, dass eine unabhängige Interessenvertretung der Wirtschaft nur mit Pflichtbeiträgen möglich ist.

Kommen wir zu Ihren Inhalten. Was haben Sie in Ihrer Funktion als Hauptgeschäftsführerin bisher bewegt?

Degen: Wir haben vieles eingeleitet, was dazu dient, die Handelskammer zukunftsfähig zu machen. Dabei stehen für uns moderne Organisationsstrukturen sowie die Schwerpunktthemen Internationalität, Innovation, Fachkräftesicherung und Infrastruktur im Vordergrund. So war ich zum Beispiel im Frühjahr in St. Petersburg, um die Verbindungen dorthin zu stärken und Kooperationsprojekte zu verabreden. Zudem wollen wir die Beziehungen entlang des Fehmarnbelts zu Kopenhagen und Malmö weiter vertiefen, damit die Wirtschaftsräume enger zusammenwachsen. Die chinesische Seidenstraße und die Verortung Hamburgs dort ist uns sehr wichtig. Dieses Thema war auch gerade wichtiger Gesprächsstoff beim Hamburg Summit China meets Europe in unserer Kammer …

… der aber künftig nicht mehr mit Kammerbeiträgen bezuschusst werden soll, so will es zumindest das Ehrenamt.

Degen: Das ist noch nicht abschließend geklärt.

Also Sie sind für weitere Zuschüsse vonseiten der Kammer?

Degen: Ich bin auf jeden Fall dafür, dass der Summit wieder stattfindet. Wir entwerfen dafür gerade ein neues Konzept. Ich fliege im April 2019 nach China und besuche Verbände und offizielle Kooperationspartner. Dort werden wir über die inhaltliche Weiterentwicklung des Summit reden. Und wir werden darüber hinaus schauen, dass wir noch mehr Sponsorengelder einsammeln und neue Kooperationspartner finden.

Aber ohne einen Zuschuss durch die Handelskammer?

Degen: Wenn das so funktionieren würde, dann wäre das prima.

Sie haben viel über Ihr internationales Engagement gesprochen. Was wurde inhaltlich konkret in Hamburg seitens der Kammer bewegt?

Degen: Wir haben einen Ausbildungsfonds ins Leben gerufen, über den bereits mehr als 262.000 Euro eingesammelt wurden. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich bei den unterstützenden Unternehmen. Wir haben viele Flüchtlinge in Ausbildung gebracht, die seit Jahren erstmals wieder für eine steigende Zahl an Ausbildungsverhältnissen sorgen. Wir sind in einem engen Dialog mit dem Senat beim Thema Digitalisierung in den Schulen. Denn dass die Schüler hier Kompetenzen früh erwerben, ist wichtig für ihre spätere berufliche Zukunft. Wir reden darüber hinaus auch mit dem Wirtschaftssenator über ein sinnvolles Flächenmanagement. Und wir haben mit der Stadt ein neues Grundsteuerkonzept erarbeitet, das nun im Bundesfinanzministerium liegt.

Das sind viele Initiativen, die auch durchaus sinnvoll sind. Dennoch fühlen sich viele etablierte Hamburger Unternehmen von der Handelskammer nicht mehr vertreten. Liegt das an Ihren Inhalten – oder wird die aus Ihrer Sicht gute Arbeit der Kammer lediglich vom Machtkampf im Ehrenamt überlagert?

Degen: Das Letztere ist sicherlich richtig. Hier spielt aber auch die Zusammensetzung im Plenum eine Rolle. Nachdem in früheren Wahlperioden zu wenige kleine Unternehmen repräsentiert waren, sind nun zu wenige große Unternehmen im Plenum vertreten. Das ist durchaus ein Ergebnis völlig legitimer Wahlen. Daher arbeiten wir derzeit an einer Wahlordnung, die beide Gruppen angemessen berücksichtigen wird.

Sie wollen also auch wieder die Wirtschaftsvertretung für die großen Unternehmen in der Stadt sein?

Degen: Für alle Unternehmen. Die Zusammenarbeit zwischen kleinen und großen Firmen klappt in unseren Ausschüssen übrigens schon sehr gut.

Das zentrale Wahlversprechen des Bündnisses „Die Kammer sind wir“ wurde gebrochen, mit Tobias Bergmann ist darüber hinaus der zentrale Kopf zurückgetreten. Müsste es nicht schnellstens Neuwahlen zum Plenum geben?

Degen: Das geht rechtlich gar nicht. Denn es gibt in unserer Satzung keinen Neuwahlmechanismus.

Sie könnten die Satzung doch ändern? Das Wahlbündnis „Die Kammer sind wir“ hat schließlich eine mehr als deutliche Mehrheit im Plenum.

Degen: Das ist nicht die Aufgabe des Hauptamtes, da müssen Sie andere fragen. Es wird ja derzeit an einer neuen Satzung gearbeitet, aber Neuwahlen spielen hier bislang keine Rolle.

Wie geht es für Sie als Hauptgeschäftsführerin der Kammer weiter, werden Sie Ihren Vertrag bis Ende 2020 erfüllen?

Degen: Selbstverständlich.