Hamburg . Interview mit dem Handelskammer-Präses über den Streit mit seinem Vize Torsten Teichert und die Abschaffung der Pflichtbeiträge.
Vor gut eineinhalb Jahren haben die sogenannten Rebellen die Macht in der Hamburger Handelskammer übernommen. Seitdem sitzt Tobias Bergmann auf dem Präses-Stuhl. Doch nicht nur in der Programmatik, auch in der Außendarstellung hat sich die Kammer seitdem stark verändert. Die Rebellen wirken untereinander zerstritten. Zugleich ist die Kammer transparenter geworden, Plenarsitzungen sind nun öffentlich. Und es wird gespart. So wirkt das einst prunkvolle Präses-Zimmer, in dem Bergmann das Abendblatt empfängt, renovierungsbedürftig. Mobiliar wurde entfernt, die Wände könnten einen Anstrich vertragen – und die Ölgemälde der früheren Präsides hängen nun im Sitzungssaal des Plenums.
Streit, Misstrauensbekundungen gegenüber dem eigenen Präses – und nun der Austritt Ihres Stellvertreters Torsten Teichert aus der gemeinsamen Wahl-Gruppe. Frisst die Revolution in der Kammer ihre Kinder?
Tobias Bergmann: Ich sehe die sogenannte Revolution weiter als einen unabdingbaren Wandel zur erfolgreichen Erneuerung der Kammer. Wir haben ein sehr heterogenes Plenum und heterogenes Wahlbündnis. Hier wird die Vielfalt der Hamburger Wirtschaft abgebildet – vom Vermögensberater bis zum Fahrradkurier. Es gibt bei den handelnden Personen unterschiedliche Perspektiven, Meinungen und wirtschaftspolitische Vorstellungen. Das sehen wir als Gewinn. Denn ein wesentliches Merkmal der neuen Kammer ist es, diese verschiedenen Impulse aufzunehmen und in unser Handeln zu integrieren. Auch, wenn es punktuell mit Widerspruch verbunden ist. Das halten wir aus.
Was ist das konkrete Problem zwischen Ihnen und Herrn Teichert?
Bergmann: Herr Teichert ist aus dem Wahlbündnis ausgetreten. Deshalb müssen Sie ihn zu den Gründen fragen. Fest steht, dass unser Wahlbündnis eine gemeinsame inhaltliche Ausrichtung als Wahlgruppe hat und diese weiterverfolgen wird. Dafür stehe ich. Und das erwarte ich auch von Herrn Teichert.
Macht es denn Sinn, dass Herr Teichert trotz seines Austritts aus dem Wahlbündnis Vizepräses bleibt?
Bergmann: Das ist eine Entscheidung von Herrn Teichert. Mir ist die konstruktive Zusammenarbeit im Präsidium wichtig.
Finden Sie die Entscheidung gut?
Bergmann: Ob ich das gut finde oder nicht, ist nicht relevant.
Spüren Sie überhaupt noch ausreichend Rückhalt in Ihrer Wahlgruppe?
Bergmann: Ja, darum sitze ich als Präses vor Ihnen.
Schauen wir auf Inhalte: Was waren aus Ihrer Sicht die größten Erfolge der Rebellen in den vergangenen gut eineinhalb Jahren?
Bergmann: Wir haben uns in der Kammer neu erfunden. Die Diskussion im Plenum ist offener und demokratischer geworden – und für die Mitgliedsunternehmen und die Öffentlichkeit transparenter. Die Zusammenarbeit mit den Ausschüssen ist zudem intensiver als früher. Darüber hinaus stellen wir die Kammer deutlich effizienter und effektiver auf. Und wir haben einen personellen Neuanfang gemacht – unter anderem mit einer neuen Hauptgeschäftsführerin.
Dieser Prozess war aber auch mit einem erheblichen Personaladerlass verbunden.
Bergmann: Wenn man einen organisatorischen Neuanfang wagt, der, ich wiederhole mich, zwingend notwendig war, dann gehört dazu auch ein personeller Neuanfang. Wir werden daraus gestärkt hervorgehen.
Massiven Streit gibt es um eine Abfindung in Höhe von 33.500 Euro für die langjährige Geschäftsführerin Corinna Nienstedt, die Hauptgeschäftsführerin Christi Degen eigenmächtig genehmigt haben soll. Frau Degen hatte zuletzt gesagt, dass diese Abfindung den Haushalt der Kammer nicht belasten wird. Also bezahlt sie die Abfindung nun privat?
Bergmann: Es war in den bisherigen Kammer-Regeln tatsächlich unklar, wer solche Abfindungen genehmigen darf. Diese Regelungslücke haben wir für künftige Fälle geschlossen und das Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Präses und Hauptgeschäftsführerin entscheiden künftig gemeinsam. Was die Abfindung für Frau Nienstedt betrifft, erwartet das Plenum, dass das Präsidium diese Frage klärt. Wir werden also bis zur nächsten Plenumssitzung eine Lösung finden. Ich persönlich finde das Angebot von Frau Degen aller Ehren wert, bin aber folgender Auffassung: Wenn ein Mitarbeiter eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen fällt, auch wenn sie falsch ist, dann kann man nicht hinterher den Mitarbeiter auffordern, den Fehler aus eigener Tasche zu begleichen.
Kommen wir zu Ihrem zentralen Wahlkampfversprechen aus dem Jahr 2017: Die Pflichtbeiträge konnten bisher nicht – wie zum damaligen Zeitpunkt fest zugesagt – abgeschafft werden. Wird das Versprechen noch eingelöst?
Bergmann: Wir sind weiter der Meinung, dass die Kammer mit weniger Pflichtbeiträgen auskommen kann und muss. Wir haben heute insgesamt rund 40 Millionen Euro an Pflichtbeiträgen – und wir wollen runter auf 30 Millionen Euro. Daran arbeiten wir.
In welchem Zeitraum?
Bergmann: Mittelfristig. Wir peilen aber die 2020er-Jahre an.
Noch mal zurück zur eigentlichen Ausgangsfrage: Wollen Sie die Pflichtbeiträge – wie im Wahlkampf versprochen – auf null stellen?
Bergmann: Wir sehen das auf absehbare Zeit nicht.
Wie hoch waren die Einnahmen der Kammer aus Pflichtbeiträgen, bevor Sie Präses geworden sind?
Bergmann: 40 Millionen Euro.
Das heißt: Die Beitragssumme ist nicht gesunken.
Bergmann: Sie ist insgesamt noch nicht gesunken, das war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Außerdem mussten wir dieses Jahr 20 Millionen Euro Beiträge rückerstatten aufgrund von Fehlern aus dem Jahr 2011. Aber in einem ersten Schritt haben wir mehr als 99 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen bereits entlastet, indem wir das Beitragsmodell umgestellt haben. Das betrachte ich als einen großen Erfolg.
Dafür zahlen einige große Unternehmen nun aber deutlich mehr.
Bergmann: Das ist richtig, aber aus unserer Sicht ist das gerechter.
Man hat den Eindruck, dass die Handelskammer kaum noch am wirtschaftspolitischen Geschehen der Stadt teilnimmt. Zumindest nehmen wir weder konkrete Initiativen noch Themensetzungen wahr. Täuscht das?
Bergmann: Da muss ich Ihnen doch entschieden widersprechen. Denken Sie allein an meine Rede zum Ehrbaren Kaufmann. Dort habe ich eine Botschaft gesendet, die durchaus von den Entscheidungsträgern in der Stadt aufgegriffen wurde: Hamburg geht es gut, aber es fehlt an Dynamik ...
Das ist doch sehr allgemein gehalten, wir denken – ehrlich gesagt – an ein wenig konkretere Vorschläge ...
Bergmann: Aus meiner Sicht sollte die Handelskammer vor allem Denkanstöße für die Stadt liefern. Dazu zählt meine Initiative für mehr Dynamik, aber auch unser Eintreten für eine größere Internationalität und gegen den aufkommenden Nationalismus. Das sind für mich Schlüsselfragen unserer Gesellschaft – dort müssen wir als Kammer mitreden. Ganz praktisch engagieren wir uns derweil stark beim Thema Fachkräftemangel. Die duale Berufsausbildung ist dabei für uns das wichtigste Instrument – und wir haben gerade mit unserem „Plan A“ eine Strategie entwickelt, wie wir sie zukünftig für Schulabgänger noch attraktiver machen wollen. Zudem werden wir in Kürze weitere konkrete Impulse in unseren Hauptthemen Digitalisierung, Innovation, Infrastruktur und Internationalität geben. Die Erfolge der reformierten Handelskammer sind in unserem aktuellen Jahresbericht dokumentiert. Ich habe einen konkreten Plan, den ich unbedingt umsetzen will.
Sie haben konkret die Internationalität angesprochen. Nun findet ja demnächst in der Handelskammer das europäisch-chinesische Treffen Hamburg Summit statt – zum letzten Mal?
Bergmann: Davon gehe ich – Stand jetzt – nicht aus. Unsere Position ist hier unverändert. In diesem Jahr bezuschussen wir die Veranstaltung noch, ab dem Jahr 2020 muss der Summit sich dann aber finanziell selbst tragen.
Wie hoch ist der Handelskammer-Zuschuss für den Summit?
Bergmann: Voraussichtlich 250.000 Euro.
Es gab zu Anfang Ihrer Amtszeit mal die Überlegung, das historische Gebäude am Adolphsplatz zu verlassen. Gibt es diesbezüglich konkrete Pläne?
Bergmann: Nein, wir wollen hier am Adolphsplatz bleiben. Allerdings warten mit Blick auf den historischen Bau große Herausforderungen auf uns. Wir müssen zum einen überlegen, wie wir das Gebäude so gestalten, dass es für eine moderne Arbeitswelt geeignet ist. Manche Büros sind ja nicht größer als eine Besenkammer. Zum anderen wollen wir das Haus für Mitgliedsunternehmen und die Hamburgerinnen und Hamburger stärker öffnen.
Was heißt das konkret?
Bergmann: Zum Beispiel haben wir diese wunderschöne Merkur-Terrasse im vierten Stock mit einem tollen Blick auf das Rathaus. Aber selbst im vergangenen Traumsommer war dort fünf Tage in der Woche nichts los. Denn die Terrasse ist kein öffentlicher Bereich. Das sollten wir ändern und die Hamburgerinnen und Hamburger zu uns einladen. Warum machen wir aus der Merkur-Terrasse kein öffentliches Café? Zudem könnten wir die Kammer auch für Firmen öffnen, die bei uns ihre neuen Ideen und Produkte vorstellen – etwa in Form von Pop-up-Stores.
Wenn Sie auf ihre bisherige Zeit als Präses schauen: Was war Ihr größter Fehler, den Sie gemacht haben?
Bergmann: Sicherlich würde ich die Forderung nach einer Abschaffung der Pflichtbeiträge nicht wiederholen. Da sind wir über das Ziel hinaus geschossen. Allerdings werde ich mich an unserem Ziel messen lassen, die Kammerbeiträge zu reduzieren.
Glauben Sie, dass die aktuelle Kammerführung bis 2020 durchhalten wird?
Bergmann: Davon gehe ich aus.
Können Sie sich vorstellen, auch nach 2020 eine weitere Amtszeit Präses der Handelskammer zu bleiben?
Bergmann: Zunächst einmal haben ich und meine Mitstreiter noch einiges in der aktuellen Wahlperiode zu gestalten. Ob ich im Jahr 2020 wieder antrete, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Dann käme es ja zu einem Duell zwischen Ihnen und Torsten Teichert um das Präses-Amt.
Bergmann: (lacht) Wie kommen Sie darauf?