Norderstedt. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte dahinter. Heute: Eine Idee von Puro Ice Pops.

In einen ordentlichen Glühwein gehört natürlich Rotwein. Und Zimt und Nelken, Orangenschalen, Sternarnis, ein Hauch Vanille. Das kommt alles in einen großen Topf auf den Herd und wird schließlich erwärmt. Stopp, ab hier geht es mit dieser Variante des liebsten Jahresend-Getränks der Deutschen anders als gewohnt weiter.

Denn statt schön heiß im Becher, landet der Gewürztrunk – leicht gesüßt, angedickt und gemixt – in einer Form mit 28 Kammern und dann in einen speziellen Kältetresen – bei minus 40 Grad. Drei Minuten später ist der Glühwein am Stiel fertig. Schlürfen oder schlecken, das ist künftig die Frage.

Früchte am Stiel

Gerrit Jakobs und Stefan Kramer stehen zwischen matt glänzenden Edelstahlgerätschaften in der Eis-Manufaktur Oroglace in Norderstedt. Hier produziert Michael Keunecke das Eis für ihre Marke Puro Ice Pops. Seit 2015 gibt es das Unternehmen, das sich auf Eis am Stiel spezialisiert hat. Und zwar auf Sorbetbasis.

„Wir machen pure Frucht am Stiel“, sagt Gerrit Jakobs. Neun Standardsorten gibt es inzwischen. Bestseller wie Erdbeere, Mango, Zitrone, aber auch Ungewöhnliches wie Avocado-Limette oder Gin Tonic. „Die Saison klingt ab September aus“, sagt ­Stefan Kramer. „Wir wollten etwas machen, dass auch im Winter funktioniert.“ Eis aus Glühwein zum Beispiel, übrigens mit 4,5 Prozent Alkohol. Für Schleckermäuler unter 16 Jahren ist das Eis deshalb verboten.

Laktose- und glutenfrei

Die Idee für das etwas andere Start-up ist, wie kann es anders sein, in einem Eis-Café entstanden. Nach dem Fußballspielen trafen sich die beiden Gründer dort, in vielen Gesprächen entwickelten sie mit dem Besitzerpaar Keunecke das Geschäftsmodell für das Stiel-Eis – als Gegenmodell zu dem Angebot aus den Kühltruhen in Supermärkten und Kiosken. „Handgemacht, mit besten Inhaltsstoffen und ohne künstliche Zusätze“, sagt Gerrit Jakobs. Laktose- und glutenfrei, für Veganer geeignet.

Schon in der ersten Saison verkauften die Gründer, die mit ihrem eigenen Geld in die Selbstständigkeit gestartet waren, besser als erwartet. Auch weil sie von der Kleinen Konditorei in Eimsbüttel gleich einen Auftrag für eine neue Kreation bekamen. „Wir haben ein Franzbrötchen-Eis gemacht“, sagt Kramer. Kleine Stückchen des Zimtgebäcks wurden in Vanille-Eis eingebettet. Ein voller Erfolg. 10.000 Stück verkauften die Neu-Unternehmer davon.

Ständig gewachsen

Damals gab es in der Manufaktur in Norderstedt noch keinen Kältetresen, keine Verpackungsmaschine. „Wir haben von sechs Uhr morgens bis elf Uhr nachts geschuftet“, erinnert sich Eiskonditor Keunecke. „Inzwischen ist der Herstellungsprozess deutlich professioneller geworden. Bis zu 1000 Stück produzieren die Eis-Macher jetzt in der Stunde. „Je schneller das Eis kühlt, desto besser wird es. Es bilden sich weniger Eiskristalle“, erklärt Jakobs. Der 40-jährige Betriebswirt ist in Vollzeit ins Eis-Geschäft gestiegen.

Sein Kompagnon Kramer, 38 Jahre alt und Wirtschaftsingenieur, hat noch einen Job in der Windbranche. Von Anfang an haben die beiden auf Firmen als Kunden gesetzt, auf Restaurants und Caterer. Sie sind auf Veranstaltungen, Märkten und Messen. „Wir sind auch in einigen Supermärkten vertreten“, sagt Kramer.

Seit der Gründung ist das kleine Unternehmen ständig gewachsen. In diesem Jahr verkaufen sie bereits 80.000 Eis am Stiel, so lautet zumindest die Prognose. Das sind immerhin 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Wichtiges Standbein sind Auftragsproduktionen, wie zum Beispiel das Elbphilharmonie-Eis mit der Silhouette des Konzerthauses am Stiel, Kreationen in speziellen Farben, etwa für die Telekom in Magenta oder Projekte wie das Fußball-Weltmeisterschafts-Eis in Schwarz-Rot-Gold. „Um die Farbe Schwarz hinzubekommen, haben wir nach einigen Tests Acai-Beeren eingesetzt.“ Schade war nur, dass die deutsche Nationalmannschaft so früh ausgeschieden ist. Das dämpfte das Schleck-Interesse ein wenig. Gerade probieren die beiden eine asiatische Eis-Variante aus.

Machen, was den Leuten schmeckt

Eis am Stiel ist vor allem eine Domäne der großen Produzenten wie Langnese oder Schöller. Sieben Prozent des Eisverbrauchs der Deutschen sind sogenanntes Impulseis. Im vergangenen Jahr waren es 35,3 Millionen Liter. Im Hamburger Westen hat sich vor einiger Zeit der Kleinstproduzent Fips Fruit etabliert. Und es gibt noch einen Konkurrenten in Berlin. Im nächsten Jahr wollen die Eismacher von Oroglace in Norderstedt ihr Angebot an den touristischen Orten Hamburgs ausbauen. Dabei setzen sie auf die Klassiker wie Zi­trone, Erdbeere und Mango, die auch bei ihnen zu Hause in den Familien besonders gut ankommen. „Wir machen das, was den Leuten schmeckt“, sagt Gerrit Jakobs. Angesichts des Klimawandels, der Erderwärmung und Temperaturen im November deutlich über dem Handschuhwetter hat das Glühwein-Eis langfristig Potenzial.

Der Abendblatt-Test – jeden Dienstag im Wirtschaftsteil. Alle bisherigen Folgen gibt es online unter www.abendblatt.de/testserie