Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte. Heute: Nuss-Nougat-Creme von Haselherz.

Es gab diese Momente, da hat sich Ebru Erkunt (44) gefragt, ob es nicht leichter gewesen wäre, eine Boutique zu eröffnen. Wie diesen Moment, als sie kurz nach der Firmengründung verklagt werden sollte und man ihr untersagte, ihr Unternehmen wie geplant „Glücksstreich“ zu nennen. Als sie infolgedessen nachts mit der Hand von Hunderten von Gläsern die „Glücksstreich“-Etiketten abkratzen und durch neue ersetzen musste. Als eine ihrer Lieferungen im Zoll feststeckte, als ihr Abfüller sie hängen ließ, als eine Palette mit 3000 leeren Gläsern einfach vor der Haustür abgestellt wurde und nicht mehr bewegt werden konnte.

Es sind Moment in der Geschichte von Haselherz. Diesen Namen hat Ebru Erkunt ihrem Hamburger Start-up gegeben, nachdem ihr ein namhaftes Unternehmen die Verwendung von Glücksstreich wegen Namensähnlichkeit untersagt hatte. Haselherz in Anlehnung an das Produkt, um das sich bei ihr alles dreht: Haselnüsse. Haselnüsse als Snack, als Schokoriegel und als jener Aufstrich, mit dem alles begonnen hat.

Schon als Kind türkischer Gastarbeiter hatte Ebru Erkunt diese Haselnusspasten geliebt, die es bei Türkeiurlauben als Brotaufstrich gab. Jahr für Jahr fragte sie sich, warum es derlei Haselnussaufstrich nicht auch in Deutschland gebe – bis sie beschloss, genau das zu ändern. Es war mehr als eine fixe Idee, mehr als ein Hirngespinst. Noch während ihres Urlaubs setzte sich die Werbeexpertin an den Computer, erstellte eine Marktanalyse und fuhr mit ihrem Vater in die Region zwischen Trabzon und Samsun, aus der 70 Prozent der weltweiten Nussimporte stammen. Hartnäckig fragte sie sich durch und landete schließlich bei einem Familienbetrieb.

Einen Klassiker neu auflegen

„Ich hatte Glück, dass sich dieser bereits auf Bioprodukte spezialisiert hatte. Ich selbst hätte damals wahrscheinlich gar nicht darauf geachtet, schließlich war bio vor fünf Jahren noch nicht so angesagt wie heute – und in der Türkei schon gar nicht“, sagt Ebru Erkunt und erzählt, wie die Manufaktur sie darauf brachte, ihren Haselnussaufstrich mit Bio-Traubensirup zu süßen und ganz ohne Industriezucker und Fettzusätze herzustellen.

„Die Idee mit den Trauben hat mich begeistert und ich habe sofort drei Rezepte entwickelt“, sagt Ebru Erkunt. Von diesen ersten drei Sorten Haselnussaufstrich mit unterschiedlich hohem Traubensirupanteil hat sich bis heute die Variante „Süße Nuss“ auf dem Markt gehalten, die aus lediglich zwei Zutaten besteht: aus Haselnussmark und aufgekochten Trauben, auch Pekmez genannt. Andere Varianten des Haselnussstreichs sind inzwischen hinzugekommen: ein Haselnussmus mit Kokosblütenzucker und ganz neu eine Nuss-Nougat-Variante mit Kokosblütenzucker.

„Mit Choco Nuss wollten wir einen Klassiker neu auflegen, der im Vergleich zur Konkurrenz ohne Palmöl und ohne Industriezucker auskommt“, sagt Ebru Erkunt in Anspielung auf Konkurrent Nutella. Natürlich weiß sie, dass sie es mit dem Marktführer nicht aufnehmen kann – aber ein paar Kunden will sie dem Marktgiganten trotzdem abjagen. Ihr Motto: Einmal probiert – für immer verführt.

Ihren Job in der Werbung hat sie aufgegeben

In den vergangenen Jahren hat Haselherz den Sprung aus dem Onlineshop in den Handel geschafft. Vor allem Bio-Märkte wie Denns und Basic führen die Haselnussprodukte, aber auch einige Rewe-Märkte und Marktkauf haben Haselherz gelistet, im November kommt Alnatura hinzu, Ende des Jahres Budnikowsky. Allein im vergangenen Jahr hat HaselHerz 36.000 Gläser Aufstrich verkauft – viermal so viele wie im Vorjahr. „Natürlich sind das noch keine Massen, aber wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Ebru Erkunt.

Nachdem sie Haselherz in den ersten Jahren neben dem Vollzeitjob aufgebaut hat, widmet sie sich seitdem vergangenen Jahr ganz dem Aufbau ihrer Firma. Ihren Job in der Werbung hat sie aufgegeben. „Beides war nicht mehr zu schaffen“, sagt Ebru Erkunt, die nach Problemen mit ihrem türkischen Produzenten den Haselnussaufstrich lange selbst hergestellt hat. In Handarbeit. Dafür wurden die importierten Nüsse aufwendig von ihr zerkleinert, mit den anderen Zutaten vermischt und schließlich in Gläser abgefüllt. „Danach musste jedes Glas per Hand zugedreht und mit Etiketten beklebt werden“, sagt sie und schüttelt bei der Erinnerung selbst den Kopf. An guten Tagen hat sie so 150 Gläser geschafft, heute hat sie einen Produzenten in Süddeutschland, der auf bis zu 10.000 Stück täglich kommt.

„In der gewonnen Zeit kann ich mich endlich darauf konzentrieren, die Marke Haselherz bekannt und groß zu machen“, sagt Ebru Erkunt. Sie will Haselherz zu einer Art Bio-Ferrero machen. Einen Investor, der an sie und ihre Pläne glaubt, hat sie bereits. Und schon im folgenden Jahr sollen die nächsten Produkte auf den Markt kommen. Doch so weit denkt Ebru Erkunt nicht. Für sie zählt erst einmal nur der heutige Abend: Ab 19 Uhr wird sie im Tele-Shopping-Kanal QVC ihre Aufstriche präsentieren. Es wird einer dieser Momente sein, in denen sie glücklich ist. Glücklich, dass sie keine Boutique eröffnet hat.

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