Hamburg. Rückschläge auf deutscher Seite machen die Zeitpläne für den Fehmarnbelt-Tunnel zur Makulatur. Verbindung frühestens 2024 fertig.

Die Dänen wollten es tun: professionell, transparent und geradeaus. Sie sind gescheitert – am großen Nachbarn Deutschland. Der Fehmarnbelt-Tunnel wird wohl nicht vor 2024 eröffnet werden. Bislang nannte der Bauträger, das staatliche dänische Unternehmen Femern A/S, stets das Jahr 2021 für die Inbetriebnahme des derzeit größten europäischen Verkehrsprojekts, nach rund sechseinhalb Jahren geplanter Bauzeit.

Offiziell gilt dieses Ziel noch immer, inoffiziell aber nach Informationen des Abendblatts nicht mehr. Die Beteiligten schwenken um: Der Bau des Tunnels soll mit der unverzichtbaren Anbindung in Deutschland zeitlich synchronisiert werden. Die neue Güterbahntrasse, die die Deutsche Bahn bauen muss, wird jedoch nicht vor 2024 fertiggestellt sein, je nach Verlauf des Planfeststellungsverfahrens womöglich auch deutlich später. Und ein neuer Übergang von Fehmarn über den Fehmarnsund auf das Festland steht frühestens im Jahr 2028 zur Verfügung, sei es ein einzelner Tunnel, seien es eine oder zwei Brücken.

Femern A/S sieht in der zeitlichen Streckung allerdings auch einen Vorteil. Das Unternehmen, das den Bau organisiert und finanziert, kann so die Kosten eindämmen, die auszuufern drohen. Auf 7,4 Milliarden Euro sind die Prognosen zuletzt gestiegen, von ursprünglich 5,5 Milliarden Euro. „Der Zeitplan galt immer als hoch ambitioniert“, sagte ein Sprecher von Femern A/S mit Sitz in Berlin. „Die Konsortien, die sich um den Bau bewerben, haben den engen Zeitrahmen immer als einen starken Kostenfaktor genannt.“

Zu den Unternehmen, die sich mit ihren Konsortien um den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels und der nötigen Arbeiten am Ostseegrund bewerben, zählen unter anderem Hochtief aus Deutschland, Boskalis International aus den Niederlanden und Salini aus Italien. Für den Innenausbau und die Elektrifizierung des 18 Kilometer langen Absenktunnels bewerben sich unter anderem der europäische Konzern Alstom und Strabag aus Österreich. Die Fabrik für die Fertigung der riesigen Betongussteile soll in Rødbyhavn stehen. Mit bis zu 5000 temporären Arbeitsplätzen direkt beim Tunnelbau rechnet Femern A/S. Für Norddeutschland und Süddänemark ist das ein riesiges Konjunkturprogramm.

Im September will die dänische Regierung die Kosten für das Projekt noch einmal prüfen, bevor Femern A/S die Bauverträge abschließt. Dänemark hätte auch die inzwischen gestiegenen Kosten tragen können. Der Bau des Tunnels, die engere Anbindung an die Europäische Union, war im April vom Parlament, dem Folketing, mit überwältigender Mehrheit beschlossen worden. Das Projekt genießt im Land hohen Rückhalt. Die bisherige Kalkulation basiert auf einem Realzins von drei Prozent – derzeit aber werden 30-jährige dänische Staatsanleihen mit nur 0,7 Prozent verzinst. Als praktisch sicher gilt auch die Förderung des Projekts durch die Europäische Union in Höhe von voraussichtlich rund einem Fünftel der Kosten. Der Fehmarnbelt-Tunnel ist derzeit das wichtigste strategische Verkehrsprojekt für den Ausbau der Ferntrassen in der EU.

Nun aber heben die Beteiligten die Vorzüge einer zeitlichen Streckung hervor. „Der Vorteil an dem Prozess ist, dass nun zusammen mit den Bietern an einer Kostensenkung und der Schaffung neuer Kostenpuffer gearbeitet werden kann“, sagte Jens-Peter Saul dem Abendblatt, der aus Hamburg stammende Vorstandsvorsitzende des dänischen Bauingenieurkonzerns Rambøll, der den Fehmarnbelt-Tunnel und dessen Bau konzipiert und begleitet. „Das ist ein zielgerichteter Optimierungsprozess, der nicht nur die technische Ausführung, sondern vor allem auch die Gestaltung der Bauphase und die Risikominimierung betrifft.“ Für den Bau des 18 Kilometer langen Absenktunnels gebe es weltweit kein Vorbild. „Der bislang längste Absenktunnel ist sechs Kilometer lang“, sagte Saul. „Die Kostenkalkulation für den Bau der festen Fehmarnbeltquerung ist zwar gestiegen. Dennoch war die Ausgangskalkulation schon recht genau, wenn man die Größe und Komplexität des Projekts bedenkt.“

Die Hürden für das grenzüberschreitende Großprojekt liegen vor allem in Deutschland. Wutbürger in Ostholstein versuchen, die Anbindung zu Fall zu bringen. Die frühere Landesregierung in Schleswig-Holstein aus CDU und FDP, angeführt von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), war noch davon ausgegangen, dass man die Güterzüge, die künftig durch den Fehmarnbelt-Tunnel rollen sollen, einfach auf der bisherigen Bäderbahn durch Schleswig-Holstein fahren lässt. Als klar wurde, dass dies den Tourismus an der Lübecker Bucht zum Erliegen bringen könnte, musste die Deutsche Bahn eine neue Trassenführung westlich davon planen. Zugleich aber stellte das nun von den Grünen geführte Umweltministerium Schleswig-Holsteins ein bereits stark geschütztes Gebiet bei Haffkrug unter eine noch höhere Schutzstufe des europäischen Naturschutzrechts. Sollte die künftige Schienenführung von Umweltverbänden mit Hilfe des Verbandsklagerechts erfolgreich beklagt werden, droht dem Projekt jahrelanger Stillstand.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und sein dänischer Amtskollege Magnus Heunicke haben inzwischen einen erhöhten Gesprächsbedarf zum Thema Fehmarnbelt-Tunnel. Das nächste Mal sehen sich beide Minister in der kommenden Woche beim OECD-Gipfeltreffen der Verkehrsminister in Leipzig, dann zu Konsultationen im Juli. Dobrindt musste die mannigfaltigen Verzögerungen und Kostensteigerungen bei der Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels im Februar einräumen. In den derzeit mit 1,5 Milliarden Euro offiziell angegebenen Kosten auf deutscher Seite ist die künftige neue Fehmarnsundquerung noch nicht eingerechnet – weil man ihre Ausführung und ihren Preis noch nicht kennt.

„Deutschland und Kontinentaleuropa“, sagte Rambøll-Chef Jens-Peter Saul zum Fehmarnbelt-Tunnel, „haben mit diesem Projekt die Chance, sich viel enger mit den starken und stabilen Volkswirtschaften Skandinaviens zu verbinden.“ In Deutschland aber hat man diese Chance wohl bis heute nicht wirklich verstanden.