München-Hamburg ohne Probleme. Der Erfahrungsbericht von Beate Kranz zeigt: Der Pilotenstreik bei der Lufthansa hat was von Lottospielen.

Johannesburg/Hamburg. Manchmal hat man am Ende auch Glück. Beim Abflug in Johannesburg am Dienstagabend hatte ich mich bereits auf das Schlimmste eingerichtet. Zehn Stunden Nachtflug mit South African Airways nach München. Eingepfercht in den üblichen eng bemessenen Economy-Sitz, wo die Knie automatisch an der Rückenlehne des Vordermanns landen und der Schlaf nur etappenweise eintritt, wenn überhaupt.

Und dann die Hiobsbotschaft im Kopf, dass Lufthansa just mit meiner Ankunft am Mittwoch von einem der größten Streiks betroffen ist - und der Flugverkehr nahezu lahmgelegt ist. Was wird wohl aus meinem geplanten Anschlussflug von München nach Hamburg, den ich mit Lufthansa gebucht hatte? Droht mir gar eine rund achtstündige Bahnfahrt in einem überfüllten Zug ohne Sitzplatz im Gang?

Diese Fragen konnte mir niemand beantworten. Die übliche Aufforderungsmail von Lufthansa aufs Handy, sich für den Flug 24 Stunden vor Abflug online einzuchecken war ausgeblieben. Die Internetseiten der Fluglinie waren für mich aus Afrika nicht abrufbar, da das weltweite Netz dort nur über sehr langsame Server läuft und die aufwendigen Programme sich offenbar schlichtweg nicht abrufen lassen.

Lesen Sie hier die Ergebnisse des ersten Streiktages

Eine Mitreisende, die nach Frankfurt weiterfliegen wollte, hatte immerhin eine Nachricht erhalten, dass ihr Ticket gegen eine Bahnfahrkarte eingetauscht würde und sie per Zug weiterreisen könne. Doch ich erhielt keinerlei Nachrichten. Mein Gepäck hatte ich vorsorglich nur bis München eingecheckt.

Um 7.30 Uhr landeten wir in München. Unser Langstreckenflug war bis zum letzten Platz besetzt - und für alle entsprechend anstrengend. Offenbar hatte Lufthansa bereits einige ihrer Südafrika-Passagiere auf den Flug des Partners SA umgebucht, da Lufthansa bereits ihren Linienflug von Johannesburg nach Frankfurt am Dienstagabend gestrichen hatte.

Der Flughafen München zeigte sich am Mittwoch morgen jedenfalls in ungewöhnlich entspannter Atmosphäre. In den Abflughallen warteten und flanierten nur wenige Hunderte Passagiere. Wer wollte, konnte mal ganz gemütlich shoppen und war nicht selten der einzige Kaufinteressent in den Läden.

Auch an den Imbissen und in den Gaststätten fand jeder gemütlich Platz. Offenbar haben sich die Lufthansa-Fluggäste bestens auf den Ausstand vorbereitet - und haben ihre Reisen erst gar nicht angetreten oder sind auf die Bahn umgestiegen.

Die größten Überraschungen hielten aber die Abflugtafeln bereit. Viele Flüge von Lufthansa waren gestrichen. Annulliert. Doch es traf nicht alle Flüge. Gestrichen waren beispielsweise ein Flug nach Berlin, Budapest, Stockholm, Manchester, Zürich, Paris, Frankfurt.

Ab 10 Uhr flogen wieder einige Maschinen - unter anderem auch eine nach Hamburg. Eine hanseatische Geschäftsfrau konnte dies kaum fassen. Hatte sie doch vorsorglich tags zuvor von ihrem Abflugort in Namibia ein Ticket bei Air Berlin gebucht, um ihre Termine am Mittwoch wahrnehmen zu können. Geradezu astronomische 355 Euro hatte sie für die einfache Strecke München - Hamburg hingelegt. Und dies nun völlig umsonst.

Die angeschlagene Airline Air Berlin dürfte es freuen, wird sie doch zwangsläufig zum Streikgewinner. Ärgerlich ist es für die betroffenen Passagiere. Diese Fehlinvestition hätte durch eine bessere und frühere Information durch Lufthansa auch vermieden werden können.

Nach welchem Prinzip der Notflugplan aufgestellt wird, ist schwer nachvollziehbar. Es gleicht einem Roulette. Mein Flug LH 2066 nach Hamburg, der um 11:15 Uhr starten soll, war bis 8.30 Uhr noch nicht angezeigt. Auch Lufthansa hat sich bis dato noch nicht per Mail oder SMS bei mir auf dem Handy gemeldet, obwohl ich bereits wieder per Handy erreichbar war.

Auch ein Lufthansa-Mitarbeiter, den ich kurz nach der Passkontrolle um Rat frage, kann mir nicht helfen. "Gehen Sie bitte an den Inlandsschalter, dann erfahren Sie mehr. Aber wahrscheinlich fällt der Flug aus."

Schließlich entdecke ich einen Check-In-Automaten von Lufthansa und rufe meinen Flug ab. Und ich kann es kaum fassen: Es wird ein Flugticket ausgespuckt - mein Flugticket nach Hamburg. Ungläubig halte ich es in der Hand, gehe zum Schalter, um mein Gepäck abzugeben. "Geht mein Flug tatsächlich?" "Ja", meint die freundliche Mitarbeiterin. "Sie haben eben einfach Glück gehabt.“