Der Preisunterschied zwischen Fleisch aus Massentierhaltung und Bio-Ware ist extrem. Die Gründe dafür liegen nicht nur im Futter.
München/Glonn. Der Weihnachtsbraten bleibt in Deutschland Massenware. Anders als bei vielen anderen Lebensmitteln ist der Bio-Anteil beim Fleisch noch immer minimal. Nur rund zwei Prozent des gesamten Fleischumsatzes entfällt auf Bio-Fleisch – auch weil das Fleisch je nach Tierart drei bis viermal so teuer ist wie üblich.
Warum das ist so ist, weiß kaum einer in Deutschland so gut wie Karl Schweisfurth. „Bio-Fleisch ist deshalb so teuer, weil anderes Fleisch so billig ist“, sagt der Inhaber der Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Denn der Landwirt kennt den Unterschied zwischen Bio- und Massentierhaltung aus eigener Erfahrung und ist überzeugt davon, dass artgerechte Tierhaltung ihren Preis hat und Fleisch kein Billigprodukt sein sollte.
Sein Vater Karl Ludwig Schweisfurth war Chef des Wurstgiganten Herta, der mit Massentierhaltung im Ruhrgebiet Milliarden umsetzte und dann von Zweifeln getrieben zum Öko-Bauern mutierte. In der Postkarten-Idylle des Alpenvorlandes bei Glonn gründete er vor 26 Jahren die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, die inzwischen mit ihren offenen Schweineställen und hauseigener Wurstverarbeitung zu einer Art Pilgerstätte für Bio-Fans aus aller Welt geworden sind.
Selbst eine asiatische Reisegruppe steuert ihren Bus an einem frostigen Wintertag über die Landstraße nach Herrmannsdorf, um sich anzusehen, wie Fleischerzeugung aussehen kann. „Besonders bei den Japanern gibt es großes Interesse“, sagt Schweisfurth, der den Betrieb vor wenigen Jahren vom Vater übernahm.
Auf dem Hof leben nicht Zehntausende Schweine wie früher bei Herta, sondern nur rund 600. Anders als in der konventionellen Tierhaltung bleiben die Ferkel nicht nur drei Wochen bei ihrer Mutter, sondern sechs Wochen lang. „Dadurch haben sie eine stärkere Abwehr.“ Danach kommen sie in einen offenen Stall, in dem sie herumlaufen und draußen im Schlamm wühlen dürfen. „Das ist unser Kindergarten“, sagt Schweisfurth. Durch die Bewegung und das Leben im Freien verbrauchten die Tiere rund 50 Prozent mehr Futter als ihre Artgenossen im beheizten Stall. Für die Halter bedeutet dies ebenso wie die großen Stallungen deutlich höhere Kosten.
Die letzten Monate ihres Lebens verbringen die Schweine auf einer Weide. Weil sie durch die Art der Haltung langsamer wachsen, werden sie aber meist erst mit einem Jahr geschlachtet und leben damit im Schnitt doppelt so lange wie andere Schweine. „Bei uns haben die Schweine in der Regel Geburtstag“, sagt Schweisfurth.
Für die meisten anderen Betriebe ist diese Art der Fleischerzeugung nicht attraktiv. Der Verband der Fleischwirtschaft rechnet deshalb auch in Zukunft nicht mit einem höheren Anteil an Bio-Fleisch. „Die Produktionskosten und das Produktionsrisiko sind wesentlich höher als bei konventioneller Tierhaltung. Zu den folglich höheren Produktionspreisen gibt es nur eine geringe Nachfrage.“
Das sehen die Öko-Verbände anders. Nicht das mangelnde Interesse der Verbraucher sei das Problem, sondern das geringe Angebot, wird dort argumentiert. Bereits jetzt werde 22 Prozent des Bio-Schweinefleisch importiert, weil das heimische Angebot nicht ausreiche, sagt eine Sprecherin des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Das ist ein Nachfragemarkt.“
Vor allem die harten Auflagen für die Bio-Haltung schrecken viele Betriebe ab. Besonders in der Hühnerhaltung sind die Anforderungen hoch: Pro Tier sind bei Bio-Haltung vier Quadratmeter Auslauf vorgeschrieben, was bei einem normalen Bestand von 5000 Tieren 20.000 Quadratmeter wären. Der Preisunterschied zwischen Bio und konventioneller Haltung ist deshalb auch bei Huhn am höchsten: Bis zu viermal mehr müssen Verbraucher für Bio-Huhn zahlen.
Verstöße gegen die Vorschriften in Bio-Betrieben kommen in der Öffentlichkeit besonders schlecht an. Vor wenigen Tagen erst trennte sich der Öko-Verband Naturland von einem Geflügelhof, der gegen die Vorschriften verstoßen haben soll. „Die gezeigten Fälle bringen den Öko-Landbau und all die vielen Betriebe in Verruf, die erfolgreich und gewissenhaft eine artgerechte ökologische Tierhaltung betreiben. Sie verhöhnen Bio-Kunden, die dies mit ihrer Kaufentscheidung fördern wollen“, hieß es zur Begründung.
Bio-Unternehmer Schweisfurth hat aus den alten Herta-Zeiten seines Vaters und Großvaters nur den berühmten Werbeslogan übernommen. „Wenn's um die Wurst geht“, steht neuerdings wieder auf den Broschüren über die Bio-Wurst. „Das hat der Opa gut gemacht“, sagt Schweisfurth. Ansonsten ist er weit von den einstigen Dimensionen entfernt. In diesem Jahr macht er rund 15 Millionen Euro Umsatz mit seinem Betrieb, zu dem auch mehrere Filialgeschäfte in München gehören. Zwei Prozent davon bleiben als Gewinn übrig. Mehr muss es nach seinen Worten auch in Zukunft nicht werden. „Es ist nicht unser Ziel, zu wachsen.“