Gegen Etikettenschwindel und Tricks: Nicht immer ist “Bio“ drin, wenn “Bio“ draufsteht. Neues Bio-Logo wird für EU-Erzeuger zur Pflicht.
Hannover/Brüssel/Berlin. Verbindliche Pflicht statt freiwilliger Werbestrategie: Vom 1. Juli an müssen alle Erzeuger verpackter Biolebensmittel nachweisen, dass ihre Ware wirklich nach den Standards für ökologischen Landbau im europäischen Binnenmarkt hergestellt wurde. Die EU begreift das neue Bio-Logo als Transparenz-Offensive. Doch Kritiker sehen noch Verbesserungsbedarf.
Wie sieht das neue Bio-Logo der EU aus?
Die aus der EU-Flagge bekannten zwölf Sterne sind als geschwungenes Blatt auf grünem Hintergrund zu sehen. So will die EU-Kommission einen hohen Wiedererkennungswert sicherstellen. Dabei lassen es die Fachbeamten von Agrarkommissar Dacian Ciolos nicht an Pathos mangeln: Das neue Logo symbolisiere eine Art „Hochzeit“ Europas mit der Natur, heißt es. In direkter Nähe des Emblems sind ein Kontrollcode sowie der Herkunftsort der Rohstoffe angegeben. Unterschieden wird zwischen EU-Quellen, Nicht-EU-Quellen und einer Mischvariante.
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Was bedeutet das Logo für die Verbraucher?
Käufer von verpackten Lebensmitteln wie Bio-Brot, Bio-Marmelade oder Bio-Gemüsesuppe sollen die Garantie haben, dass die Produkte auf Basis geltender EU-Verordnungen (EC 889/2008, EU 271/2010) offiziell als solche eingestuft werden dürfen. Ziel ist es, damit das Vertrauen in die Qualität zu stärken. Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht das insgesamt positiv: „Es ist gut, dass es für Bioprodukte ein verpflichtendes Siegel gibt“, sagt Sprecherin Christiane Groß. „Nur staatliche Gütesiegel, für die der Gesetzgeber Kriterien vorschreibt, sind für Verbraucher eine verlässliche Orientierung beim Einkauf.“
Was müssen Bio-Produzenten künftig beachten?
Mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe eines Bioprodukts müssen aus zertifiziertem Ökolandbau stammen. Höchstens 5 Prozent dürfen dagegen aus konventioneller Landwirtschaft kommen. Aus Sicht des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) war eine rechtliche Festlegung solcher Standards nicht unbedingt nötig – auch wenn das mögliche Plus an Transparenz auf Zustimmung stößt. „Man kann sich darüber streiten, ob man ein obligatorisches Logo will. Wir hatten uns für ein freiwilliges ausgesprochen“, erklärt BLL-Rechtsexperte Marcus Girnau. „Aber nun sind gewisse Mindestanforderungen erfüllt.“
Habe ich das neue EU-Logo nicht schon oft gesehen?
Eigentlich ist das neue Logo schon seit zwei Jahren vorgeschrieben. Um Herstellern die Anpassung zu erleichtern und nicht unnötig Müll durch alte Verpackungen zu produzieren, hatte Brüssel eine Übergangsfrist bis Ende Juni 2012 gewährt. „Für uns war das wichtig, damit Ware mit dem alten Logo abverkauft werde konnte“, sagt Girnau.
Gibt es Ausnahmen von der neuen Kennzeichnungspflicht?
Das neue Logo gilt nur für bereits verpackte Bio-Lebensmittel, die in einem EU-Mitgliedstaat hergestellt wurden und die Vorschriften der Union zum ökologischen Landbau erfüllen. Ausgenommen ist „lose Ware“ wie frisches Obst und Gemüse; sobald diese verschweißt wird, greift auch hier die Definition der Verpackung und Kennzeichnungspflicht. Nicht erfasst sind zudem Fleisch und Fisch aus wilder Jagd, Kosmetik sowie Textilien oder Produkte, für die es nur nationale Regeln gibt.
Können die Anbieter von Bio-Lebensmitteln freiwillig mehr tun?
Unverpacktes kann weiterhin mit eigenen Qualitätssiegeln ausgewiesen werden. Laut EU-Kommission gilt auch für andere Logos Bestandsschutz: „Nationale und private Etiketten bleiben gültig und können auf Bio-Produkten neben dem Euro-Blatt abgebildet werden“ – darunter das vor elf Jahren eingeführte deutsche Bio-Siegel, ein weißes Sechseck mit grünem Rand. Sie dürfen aber nur als Ergänzung, nicht anstatt des verbindlichen EU-Logos auf die Packung gedruckt werden. „Die Frage eines gemeinsamen Logos war zunächst umstritten“, sagt Alexander Beck vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Das neue EU-Logo wird aber sicherlich seine Bedeutung am Markt bekommen.“
Wo sehen Verbraucherschützer noch Nachbesserungsbedarf?
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert, dass die Verbraucher trotz des Bekenntnisses zu mehr Transparenz bei vielen Produkten getäuscht werden können. „Mit dem Bio-Siegel verkauft werden etwa Limonaden, in denen kein Tropfen Fruchtsaft steckt, sondern der Geschmack mit Aromastoffen aus Papierabfällen und Schimmelpilzen erzeugt wird“, moniert Groß. „EU-Biosiegel hin oder her: Die europäische Politik muss Lücken der Öko-Verordnung schließen und dafür sorgen, dass Bio ehrlicher wird.“ Die Erzeuger mahnen dagegen an, das Logo mit öffentlichen Kampagnen bekanntzumachen: „Was fehlt, ist, dass Kommission und Bund Geld in die Hand nehmen und es den Verbrauchern erklären“, fordert Beck.