Verbraucher sind durch schlechte Berichte verunsichert. Biobauern meinen, dass es ihren Tieren besser geht als den konventionell gehaltenen.

Güstrow. „Bio“ – das ist auch nur Landwirtschaft. Die Realität entspricht nicht den Bilderbuchvorstellungen mancher Städter von rosa Schweinen auf grünen Wiesen, sagt die Geschäftsführerin des Ökoanbauverbandes Biopark, Delia Micklich. Hühner lassen Federn, Bio- Hennen vielleicht früher als andere.

Mit nacktem Hinterteil schaut so ein Tier krank und bemitleidenswert aus, wie jüngst eine ARD- Reportage zeigte. Sie war unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern in der Gut Dalwitz Ei GmbH und der Erzeugergemeinschaft Fürstenhof gedreht worden, die mit 300.000 Hennen in 14 Betrieben 15 Prozent der Bio-Eier in Deutschland liefert.

Heinrich Graf von Bassewitz ist Gesellschafter der Dalwitzer Ei GmbH im Landkreis Rostock und zugleich Vize-Vorsitzender von Biopark sowie Beauftragter beim Deutschen Bauernverband für den Ökolandbau. Die 30.000 Dalwitzer Hennen sind nicht wie gerade „aus dem Ei gepellt“. Dennoch geht es ihnen besser als in konventioneller Haltung, ist Bassewitz überzeugt. „Sie haben Auslauf im Freiland, bekommen keine Antibiotika, die Schnäbel werden nicht gekürzt.“ Tote Tiere im Stall seien nicht vermeidbar. Einzelne Hühner sterben an Herzschlag oder Gehirnschlag, Krebs oder bei Unfällen, sagt er.

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Der wissenschaftliche Berater der Tierrechtsorganisation Peta, Edmund Haferbeck, bestätigt, dass die Haltung von 3000 Hennen in einem Stall unter diesen Bedingungen als biologisch zu bezeichnen ist. Mit dem entsprechenden Futter, versteht sich. Dennoch ist er der Biotierhaltung gegenüber sehr kritisch. Es mangele oft an der Hygiene, die Betriebsführung sei schlecht. Der in der Sendung interviewte Biopark-Schweinehalter aus dem vorpommerschen Pampow habe seine Tiere in engen Koben gehabt, mit wenig Einstreu und denselben Krankheiten wie im konventionellen Bereich – Mastdarmvorfall und Bockbeinigkeit. Daraus werde kein Bio-Fleisch.

Die Sendung hat die Diskussion um die Haltungsbedingungen in Bio-Betrieben neu entfacht. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisiert vor allem die Größe vieler Bio-Betriebe und nennt sie „Agrarindustrie-Bio“. Sie würden Ziele und Akzeptanz des Ökolandbaus gefährden, sogar die Existenz tausender Biohöfe, die den Gedanken der Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Tiergerechtheit ernst nehmen. AbL-Sprecher Eckehard Niemann forderte auch den Einzelhandel auf, die Erwartungen seiner Kunden an nachhaltige und ehrliche Bio- Produkte zu erfüllen: „Qualität und Ethik haben ihren Preis.“

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Peta moniert auch, dass Biobauern dieselben „hochgezüchteten Rassen“ halten wie konventionelle Landwirte. Dabei gibt es Haferbeck zufolge andere, langsam wachsende Schweinerassen sowie Hühner, „die auch am Ende der Legeperiode noch wie Hühner aussehen“. Aber solche Rassen werden nach seiner Ansicht nicht nachgefragt und nicht gezüchtet, weil sie nicht genug Leistung bringen.

Biopark-Geschäftsführerin Delia Micklich verteidigt den Pampower Schweinehalter. Sie habe den Betrieb sofort überprüft und ganz anderes vorgefunden als in der Fernsehsendung. Die alten Ställe würden von außen schlimm aussehen, gibt sie zu. Aber innen seien sie in Ordnung, die Schweine hätten Stroh und Auslauf. Micklich zufolge halten 25 Prozent der Biopark-Schweinehalter ihr Borstenvieh in Hütten im Freiland. Das gehe aber nicht überall.

Bio-Schweine- und Geflügelhalter haben Bassewitz zufolge ein weiteres Problem: Es fehlt an Eiweißfutter. Die Tiere bekommen zu wenig Eiweiß, seitdem 2001 das Verfüttern von Tiermehl – oder Fleischmehl, wie er sagt – verboten ist. Hintergrund für das Verbot war die BSE-Krise. Tiermehl hatte damals Rinder krank gemacht, die von Natur aus vegetarisch leben. Hühner und Schweine aber sind Allesfresser, die von der EU zu Veganern gemacht werden. Als Folge lassen die Hühner Federn. „Federn sind Eiweiß“, erläutert Bassewitz.

Konventionelle Betriebe verabreichen ihren Tieren chemisch- synthetische Aminosäuren, was bei Bio nicht erlaubt ist. Die Bauern könnten Bio-Soja aus Südamerika verfüttern, was dem Grundsatz der regionalen Kreisläufe widerspreche. Das Futter darf ausnahmsweise noch zwei Jahre lang fünf Prozent konventionelles Kartoffeleiweiß enthalten, wie Bassewitz berichtet. Danach seien nur noch heimische Lupinen, Erbsen oder Bohnen möglich, die schlechte Erträge bringen.

Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) kritisiert, dass die Forschung und Züchtung von Eiweißpflanzen wegen des billigen Sojas auf dem Weltmarkt in ganz Europa vernachlässigt wurde. Er will bei Rostock ein Kompetenzzentrum für Eiweißpflanzen in Norddeutschland etablieren.

(dpa)