Erdbeeren aus dem Chiemgau statt aus China: Lebensmittel aus der Region stehen bei vielen Verbrauchern noch höher im Kurs als Bio-Ware.
München. Erdbeeren aus China? Frühstückseier aus Holland? Für die Verbraucher in Deutschland wird die Herkunft ihrer Lebensmittel immer wichtiger – und am meisten vertrauen sie Erzeugern vor Ort. Regionale Anbieter von Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln erleben nach den Lebensmittelskandalen der vergangenen Jahre einen Boom. „Regionalität ist noch wichtiger geworden als Bio“, sagt die Münchner Verbraucherschützerin Daniela Krehl. Einheitliche Regeln für die regionalen Gütesiegel gibt es allerdings nicht – je nach Bundesland umfasst die Region mal 100, mal 150 Kilometer rund um den Erzeugerbetrieb. Auch der Begriff „Heimat“ wird von den Herstellern großzügig ausgelegt.
Um die Herkunft der Produkte offenzulegen, bieten viele Erzeuger den Käufern deshalb inzwischen quasi eine „Geburtsurkunde“ ihrer Produkte an. Allein in der Initiative „Bio mit Gesicht“ haben sich rund 800 Betriebe zusammengeschlossen. Unter dem Motto „Sehen wo's herkommt“ können Verbraucher auf der Homepage der Initiative die Nummer ihres Produktes eingeben und die Herkunft zurückverfolgen. „Das zeigt nicht nur dem Verbraucher anschaulich, wer die Ware aus dem Bioladen oder Supermarkt erzeugt hat, sie bietet auch gleichzeitig eine sichere Rückverfolgbarkeit“, sagt Koordinatorin Hella Hansen.
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Im Konkurrenzkampf gegen Massenhersteller können die kleineren Betriebe mit dieser Form der Transparenz punkten. „Dabei kann nicht nur gezeigt werden, dass man nichts zu verbergen hat sondern vor allem auch die Vorteile von gesunden und hochwertigen Öko- Produkten herausgestellt werden“, sagt Joyce Moewius vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.
Wer beispielsweise Kartoffelpuffer mit der Nummer 7117005 gekauft hat, erfährt bei „Bio mit Gesicht“ nicht nur, von welchem Betrieb die Kartoffeln und die Zwiebeln stammen, sondern auch, in welcher Mühle der Weizen gemahlen wurde – samt Fotos aller beteiligten Landwirte.
Das Netzwerk „Unser Land“ in Bayern geht noch einen Schritt weiter und verkauft seine Eier, Kartoffeln oder Gurken mit den Fotos der jeweiligen Bauern gleich auf der Verpackung. „Diese Eier kommen von Familie Neumair aus Fürstenfeldbruck-Lindach“ erfährt der Verbraucher im Supermarkt neben einem Foto von Jakob und Martina Neumair auf der Eierpackung – oder aber von Familie Holzmüller aus Grunertshofen oder einem der anderen 15 Eier-Lieferanten. „Der Verbraucher möchte wissen, woher seine Lebensmittel stammen“, sagt Sprecherin Marianne Wagner. Die beteiligten Bauern hätten kein Problem mit ihrer neuen Prominenz. „Sie sind ja auch stolz auf ihre Betriebe.“ Die Verkaufszahlen seien deutlich gestiegen.
Dass die Personalisierung das Vertrauen der Verbraucher stärken kann, hat der Unternehmer Claus Hipp als einer der ersten erkannt. „Dafür stehe ich mit meinem Namen“, wirbt der Bio-Pionier seit Jahrzehnten für seine Babynahrung, bei der die Kunden naturgemäß besonders kritisch sind. Hipp bürgt damit stellvertretend für alle Betriebe, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet. Besonders bei Bio-Betrieben sind Fotos von Bauern beliebt – meist aber nur beispielhaft und nicht von dem tatsächlichen Erzeuger.
„Unser Land“ hingegen verkauft inzwischen rund die Hälfte aller Produkte mit den Fotos und Namen der jeweiligen Direkterzeuger und will die Personalisierung nach dem Erfolg der Aktion, die vor rund einem halben Jahr begann, weiter ausbauen. „Lebensmittelskandale wie Dioxin in Eiern zeigen die Bedeutung transparenter Strukturen“, sagt Wagner. Auch die Suche nach dem Ursprung von Hühnereiern ist anhand der aufgedruckten Nummer über das Internet möglich. Der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen bietet unter www.was-steht-auf-dem-ei.de eine Abfrage an – die es mittlerweile auch gleich als App für unterwegs gibt.
Verbraucherschützer halten die Möglichkeit der Rückverfolgung von Lebensmitteln grundsätzlich für richtig. „Es ist gut, wenn der Verbraucher nachvollziehen kann, woher die Produkte stammen“, sagt Ernährungsberaterin Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Wichtig seien aber auch verlässliche Kontrollen der Herstellerversprechungen. Besonders bei regionalen Gütesiegeln gebe es in Deutschland ein Wirrwarr, das für die Verbraucher kaum nachvollziehen sei. „Das müsste staatlich geregelt werden.“ (abendblatt.de/dpa)