Deutscher Konjunkturmotor im Euroraum spürt wirtschaftlichen Abschwung. Ökonomen rechnen aber mit Besserung der Wirtschaftsentwicklung.

Hamburg/Essen/Mannheim. Die Staatsschuldenkrise im Euroraum und der weltweite konjunkturelle Abschwung belasten zunehmend auch die deutsche Konjunktur.

Auch die Arbeitslosenzahlen werden den Ökonomen zufolge weiter steigen. Zu einer Rezession wird es nach Ansicht führender Forschungsinstitute jedoch nicht kommen. Finanzmarktexperten rechnen in den kommenden Monaten vielmehr mit einer Besserung der Wirtschaftsentwicklung.

HWWI: Hoffnung auf Besserung der Konjunktur 2013

Die deutsche Wirtschaft wird im kommenden Jahr nach einer neuen Prognose des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) um ein halbes Prozent wachsen.

Im laufenden Quartal sei mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung zu rechnen, ehe sich die Konjunktur im kommenden Jahr wieder belebe und auf einen moderaten Wachstumspfad zurückkehre, hieß es in einer Mitteilung des HWWI vom Dienstag. Für das laufende Jahr beziffern die Hamburger Forscher das Wachstum auf 0,75 Prozent. Die Risiken für eine ungünstigere Entwicklung blieben jedoch erheblich angesichts der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Eurokrise, der Fiskalprobleme in den USA und der Spannungen in Nahost.

„Trotz des ungünstigen Jahresausklangs überwiegt für 2013 die Hoffnung auf eine Besserung der Konjunktur in Deutschland“, heißt es in der Analyse. „Einige Stimmungsindikatoren haben sich stabilisiert und deuten auf eine Bodenbildung hin.“ In der Eurozone könnte sich die Situation nach neuen Kreditzahlungen an Griechenland etwas entspannen.

Wegen der Rezession in Europa würden viele Länder auf weitere Sparmaßnahmen verzichten. Dies lasse die rezessiven Tendenzen in der Eurozone abflauen und führe in der zweiten Jahreshälfte zu einer allmählichen Wiederbelebung. In anderen Regionen der Welt scheine die Wachstumsschwäche bereits überwunden, schreiben die Hamburger Forscher.

Den Aufschwung am Arbeitsmarkt sieht das HWWI zunächst gestoppt, doch werde auch hier im kommenden Jahr wieder Besserung eintreten. Inflationsdruck komme unter solchen Bedingungen nicht auf, der Anstieg der Verbraucherpreise bleibe unter zwei Prozent.

ZEW-Barometer: Höchster Stand seit Mai

Trotz der Konjunkturflaute zum Wintereinbruch erwarten Finanzprofis ein baldiges Anspringen der deutschen Wirtschaft. Das ZEW-Barometer für die Entwicklung der Konjunktur in den kommenden sechs Monaten stieg im Dezember zur Überraschung fast aller Experten kräftig auf plus 6,9 von minus 15,7 Punkten. Dies ist der beste Wert seit Mai, wie das Mannheimer Forschungsinstitut am Dienstag zu seiner Umfrage unter Analysten und Anlegern weiter mitteilte. „Deutschland bleibt nach derzeitigem Stand der Dinge eine Rezession erspart“, sagte ZEW-Chef Wolfgang Franz. Das Wirtschaftsministerium erwartet, dass die Konjunktur ab Frühjahr wieder Fahrt aufnimmt.

Die Lage bewerteten die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Experten bereits besser als im Vormonat: Dieses Barometer stieg auf 5,7 von 5,4 Punkten. Ökonomen hatten 5,0 Zähler vorausgesagt. Die Zuversicht der Börsenprofis untermauert die positive Grundstimmung am Aktienmarkt. Der Dax stieg in der Spitze um 0,7 Prozent auf 7579 Zähler und notierte damit so hoch wie seit Mai 2011 nicht mehr.

Für den aufkeimenden Optimismus der Finanzprofis gibt es laut Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen drei Gründe: „Griechenland ist gerettet, die EZB bei Bedarf zu einem massiven Eingreifen bereit, und das Ifo-Geschäftsklima ist im November zum ersten Mal seit längerem wieder gestiegen.“ Falls die Zuversicht der Börsenprofis auch auf die Unternehmen ausstrahle, würde die Planungsunsicherheit der Firmen nachlassen. „Und damit auch der derzeit wohl größte Bremsklotz für die deutsche Konjunktur wegfallen“, so Solveen.

Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Index und die ZEW-Konjunkturerwartungen deuteten darauf hin, „dass die Schwächephase nach dem Winterhalbjahr allmählich überwunden wird“, heißt es im Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums. Im vierten Quartal 2012 drohe die Wirtschaft jedoch auf der Stelle zu treten. „Das schwierigere internationale Umfeld belastet die deutsche Konjunktur.“ Dadurch werde sich die Wirtschaft „im Schlussquartal weiter abschwächen“. Bereits im dritten Quartal hatte es nur noch zu einem Mini-Plus von 0,2 Prozent gereicht.

RWI: Spürbar schwächere Wirtschaftsentwicklung

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hingegen hat seine Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft reduziert. Nach einem veranschlagten Wachstum im laufenden Jahr von 0,7 Prozent rechnen die Forscher für 2013 mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung um lediglich 0,3 Prozent. Im Vergleich zur Herbstprognose wurden die Schätzungen um 0,1 Prozentpunkte (2012) und 0,7 Punkte (2013) zurückgenommen.

Für das kommende Jahr sind die Forscher damit noch etwas skeptischer als die Deutsche Bundesbank. Sie hatte in der vergangenen Woche ihre Wachstumsprognose für 2013 kräftig um 1,2 Punkte auf 0,4 Prozent reduziert. Das RWI begründet seine pessimistische Vorhersage mit der geringen Investitionsneigung der Unternehmen und dem schwächeren Außenhandel. Wegen der Euro-Schuldenkrise dürften die Ausfuhren nur verhalten zulegen.

Das RWI rechnet außerdem damit, dass die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2013 um 0,2 Prozentpunkte auf 7,0 Prozent zunehmen wird.

IWH: Ostdeutschland steht vor Rezession

Während die gesamte Bundesrepublik einen längerfristigen Abschwung voraussichtlich verhindern kann, steht Ostdeutschland laut Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) vor einer Rezession. Im laufenden vierten Quartal werde das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent sinken, prognostizierte das IWH. Nach einem minimalen Plus von 0,2 Prozent im ersten Vierteljahr war die ostdeutsche Wirtschaft laut IWH bereits von April bis Juni ins Negative (minus 0,3 Prozent) gerutscht. Von Juli bis September gab es dann eine Stagnation.

Bundesregierung: Konjunktur im Frühjahr an Fahrt

Die deutsche Wirtschaft kommt der Bundesregierung zufolge erst ab Frühjahr 2013 wieder langsam in Fahrt. Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Index und die ZEW-Konjunkturerwartungen deuteten darauf hin, „dass die Schwächephase nach dem Winterhalbjahr allmählich überwunden wird“, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Monatsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums.

Im vierten Quartal droht demnach eine Stagnation. „Das schwierigere internationale Umfeld belastet die deutsche Konjunktur.“ Dadurch werde sich die Wirtschaft „im Schlussquartal weiter abschwächen“. Bereits im dritten Quartal hatte es nur noch zu einem Mini-Plus von 0,2 Prozent gereicht. „Belastend wirken vor allem die geringe Investitionsbereitschaft und die schwache Entwicklung der Industrieproduktion“, schrieb das Ministerium. „Auch das Exportwachstum verlor an Schwung.“ Der private Konsum stütze dagegen die Wirtschaft.

Der Arbeitsmarkt sei trotzdem noch in „guter Verfassung“. „Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ist zwar zurückhaltender geworden, die Zugänge an gemeldeten Arbeitsstellen bewegen sich aber immer noch auf hohem Niveau“, hieß es. Auch bei konjunktureller Kurzarbeit sei bislang keine außergewöhnliche Zunahme zu verzeichnen.