Ob auf Wiedeking nach dem gescheiterten Übernahme von VW eine Anklage wegen Marktmanipulation zukommt, steht wohl erst November fest.
Stuttgart. Nach rund dreijährigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Marktmanipulation bei der letztlich gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche haben nun die Anwälte der beschuldigten Ex-Manager Wendelin Wiedeking und Holger Härter das Wort. „Die polizeilichen Ermittlungen sind abgeschlossen“, sagte ein Sprecher der Strafverfolgungsbehörde am Montag und bestätigte damit teilweise einen Bericht des Magazins „Der Spiegel“ vom Wochenende.
Bis Ende Oktober hätten die Anwälte Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Danach werde die Behörde über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Ob Anklage erhoben werde, sei derzeit noch offen. „Wenn ein Ermittlungsverfahren noch läuft, kann alles passieren: Einstellung, Strafbefehl, Anklage“, sagte der Behördensprecher.
+++ Muss Ex-Porsche-Chef Wiedeking bald vor Gericht?
+++ Wegen VW-Übernahme: Porsche droht Milliardenklage
Das Magazin hatte berichtet, der frühere Porsche-Chef Wiedeking und der ehemalige Porsche-Finanzchef Härter müssten „derzeit mit einer Anklage rechnen“, da sie durch falsche Informationen sowie das Verschweigen von Informationen den Finanzmarkt über Porsches Pläne beim VW-Einstieg getäuscht hätten. In zwölf Fällen sollen falsche Mitteilungen herausgegeben worden sein, einige davon könnten den Aktienkurs beeinflusst haben, schreibt das Magazin.
+++ Porsche unter Dach und Fach: Volkswagen greift mit zwölf Marken an +++
+++ Jahrhundert-Coup: VW übernimmt die Porsche AG +++
Bei einer Verurteilung drohen den beiden Managern bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Strafverfolger gehen seit 2009 dem Verdacht nach, dass Porsche mit Hilfe falscher Angaben zum Umfang seiner Optionsgeschäfte auf VW-Stammaktien einen Kurssprung bei den Aktien herbeigeführt habe, durch den sich VW-Investoren um mehrere Milliarden Euro gebracht sehen. Einige von ihnen haben Schadenersatzklagen gegen Porsche eingereicht – zum Teil auch gegen VW, denn VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech ist zugleich Porsche-Aufseher sowie -Anteilseigner.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte Piech Ende Februar eine „schwerwiegende Pflichtverletzung“ als Mitglied von Porsches Aufsichtsrats attestiert: Er habe sich keine Klarheit über die Risiken der komplexen und riskanten VW-Optionsgeschäfte verschafft und sei gegen die milliardenschweren Transaktionen auch nicht eingeschritten. Damit habe er gegen „Kardinalpflichten“ als Aufseher verstoßen.
Porsche und VW weisen die Vorwürfe falscher oder unterdrückter Kapitalmarktinformationen zurück, ebenso Wiedekings Anwalt Hanns Feigen. Härters Anwältin Anne Wehnert war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der Manager muss sich demnächst zusammen mit zwei seiner früheren Mitarbeiter wegen Kreditbetrugs vor Gericht verantworten.
+++ VW-Chef Winterkorn: Schnelle Fusion spart keine Steuern +++
Porsche hatte im Herbst 2005 mit dem Ankauf von VW-Stammaktien begonnen, die Beteiligung in Trippelschritten immer weiter aufgestockt und entsprechende Stimmrechtsmitteilungen veröffentlicht. Der mit komplexen Finanzwetten und dem hochrentablen Autogeschäft reich gewordene Stuttgarter Konzern hatte anfänglich dementiert, mehr als 30 Prozent erwerben zu wollen. Nach dem Überschreiten dieser Schwelle stellte das Management auch die Absicht zur Übernahme von mehr als 50 Prozent des Stammkapitals von VW in Abrede, später ebenso die Absicht zum Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages. Letztlich strebten Wiedeking und Härter dies jedoch an, sicherten sich über Optionen den Zugriff auf weitere Aktien und veröffentlichten im Herbst 2008 eine entsprechende Absichtserklärung an die Kapitalmärkte.
Volkswagen-Großaktionäre, die in dem jahrelangen Machtpoker auf einen fallenden Kurs der VW-Stämme gesetzt hatten, wurden damit auf dem falschen Fuß erwischt. Denn der Aktienkurs vervielfachte sich binnen kurzer Zeit, VW avancierte zum teuersten Unternehmen der Welt. Der waghalsige Übernahmeversuch der Porsche Holding ging jedoch im Zuge der im Herbst 2008 eskalierenden Finanzkrise schief, da den Stuttgartern das Geld für ihre riskanten Optionsgeschäfte auf VW-Stammaktien und die angehäuften Milliardenschulden ausging.
VW drehte den Spieß um und bewahrte den Angreifer vor dem finanziellen Ruin, der dafür Mitte 2009 eine knapp 50-prozentige Beteiligung am Porsche-Fahrzeuggeschäft an die Wolfsburger abgeben musste. Am Mittwoch vergangener Woche verleibte sich VW die restlichen Anteile für knapp 4,5 Milliarden Euro und eine VW-Stammaktie ein. Die von den Familien Porsche und Piech sowie dem Emirat Katar kontrollierte Porsche Holding bleibt mit gut der Hälfte der VW-Stimmrechte jedoch der bestimmende VW-Aktionär. (Reuters/abendblatt.de)