Die Fusion mit der Porsche-Holding scheiterte an hohen Risiken. Plan B, die Übernahme über Finanzgeschäfte, dauerte VW zu lange. Nun holen die Wolfsburger zum Befreiungsschlag aus: Sie kaufen die restliche Porsche AG direkt. Der Riesenkonzern ist um eine Tochter reicher.
Wolfsburg/Stuttgart. Martin Winterkorn ist erleichtert - und verspürt schon wieder Tatendrang. „Natürlich ist so ein Tag ein gewisser Break, wo man sagen kann: Die Arbeit war erfolgreich. Aber wir zünden jetzt auch gleich die nächste Stufe“, kündigt der VW-Cheflenker am Donnerstag vor der versammelten internationalen Presse am Konzernsitz Wolfsburg an. Am späten Vorabend hatte Europas größter Autobauer die Lösung für die Zukunft der Sportwagenschmiede Porsche im VW-Konzern präsentiert – ein beispielloser Befreiungsschlag nach monatelanger, nervenaufreibender Hängepartie.
Das Markenimperium der Riesenkonzerns bekommt nun auch offiziell Zuwachs. Porsche ist – nach dem Kauf des Motorradbauers Ducati durch Audi im Frühjahr – der jüngste Spross in der VW-Familie. Inoffiziell sind weite Teile der beiden Unternehmen jedoch schon eng verbandelt, das prestigeträchtige Porsche-Logo schmückte bereits seit langem den Gesamtauftritt der Mutter. Jetzt sind die Stuttgarter als Nummer zwölf gewissermaßen Vollmitglied im weit verzweigten VW-Reich.
Der Zeitpunkt der Nachricht war überraschend – ihren Inhalt hatten Beobachter indes schon erwartet: Vier Jahre nach der beispiellosen Übernahmeschlacht mit Porsche 2008/2009, die die Wolfsburger am Ende für sich entschieden, ist der Kompletteinbau der Edelmarke perfekt. VW gibt rund 4,46 Milliarden Euro in bar für die übrigen 50,1 Prozent der Porsche-AG-Aktien aus, die noch nicht in seinem Besitz sind. Die Ende 2009 beschlossene erste Tranche von 49,9 Prozent hatte etwas weniger gekostet, weil Porsche damals noch etwas weniger wert war.
Die Alternativen – eine Fusion mit der Dachgesellschaft Porsche SE oder die schrittweise Übernahme Porsches durch Finanzgeschäfte bis 2014 – erwiesen sich als zu riskant oder langwierig. Denn einerseits hatten klagende Großinvestoren, die Porsche Marktmanipulation im Zuge des Übernahmekampfes vorwarfen, VW von einer Integration der PSE abgeschreckt. Zum anderen wollte der deutsche Erzrivale von Toyota, General Motors & Co. die Steuerlast eines Direktkaufs gering halten.
Wie hoch die tatsächliche Ersparnis durch den frühen Deal auch sein mag: Der Gigant baut mit dem „neuen Kapitel der Zusammenarbeit“, so VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch, im Hauruckverfahren seine Macht und Markenvielfalt aus. „Rein juristisch gesehen waren Volkswagen und die Porsche AG fremde Unternehmen, jetzt werden aus Geschäftspartnern Mitglieder einer Konzernfamilie“, sagt Winterkorn – und verspricht, die Kooperation mit den Stuttgartern „auf ein neues Niveau“ zu heben.
Die Vorgaben sind ehrgeizig: 700 Millionen Euro jährlich will die Chefriege an Sparpotenzial nutzen. Die Taschen des Konzerns sind angesichts des Rekordgewinns 2011 von 15,8 Milliarden Euro prall gefüllt, die Porsche-Ausgaben dürften ihn kaum jucken. „Wir können so effizienter zusammenarbeiten“, meint Porsche-Chef Matthias Müller.
Doch gleichzeitig muss VW vorsorgen. Die asiatische Konkurrenz - insbesondere auch die koreanischen Newcomer Hyundai und Kia – holt auf, Westeuropas Autokonjunktur kommt aus dem Tal der Euro-Schuldenkrise nicht heraus. Und mit dem größten Personalumbau in der VW-Geschichte hatte Winterkorn vor kurzem Nägel mit Köpfen gemacht: Die Schaffung eines China-Vorstands, die neue Struktur der Nutzfahrzeugsparte mit MAN, Scania und der eigenen hannoverschen Tochter sowie das Auswechseln von gleich drei Vorständen bei der Premiummarke Audi sind auch und vor allem dazu gedacht, die eigenen Kräfte zu bündeln.
Dass die Langzeit-Baustelle Porsche nun zumindest in Teilen beseitigt scheint, kommt Pötsch gerade recht. Der gelernte Wirtschaftsingenieur gilt als Architekt der Übernahmestrategie. Der Vorwurf, mit der Etikettierung als Umstrukturierung – zusätzlich zu den 4,46 Milliarden Euro wandert eine VW-Stammaktie nach Stuttgart - wolle VW eine angeblich milliardenschwere Steuerlast umschiffen, ficht ihn nicht an. Neben Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte vor allem FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle kräftig dagegen gewettert.
"Mitte 2014 wären keine nennenswerten Steuerzahlungen angefallen. Alle Beteiligten – insbesondere auch der Fiskus – werden von der beschleunigten Integration profitieren“, versichert Pötsch. Nach seinen Angaben fließen „deutlich mehr als 100 Millionen Euro“, zur Art und Aufteilung der Einnahmen für den Staat hielt sich der Herr der Zahlen aber zurück: „Ich bin zwar der Finanzminister des Konzerns, aber ich will mich da nicht in Details hineinbegeben.“