Italiens Premierminister fürchtet um den Zusammenhalt auf dem Kontinent. Westerwelle: “Europa kann auch an zu viel Solidarität scheitern.“

Hamburg/München. Die anhaltende Euro-Krise gefährdet nach Einschätzung von Italiens Premierminister Mario Monti den Zusammenhalt in Europa. "Die Spannungen, die in den letzten Jahren die Euro-Zone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas“, sagte Monti dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“. Wenn die gemeinsame Währung zu einem Faktor des europäischen Auseinanderdriftens werde, "dann sind die Grundlagen des Projekts Europa zerstört“.

Monti empfahl den Regierungschefs der EU, sich ihre Handlungsfreiheit auch gegenüber den eigenen Parlamenten zu bewahren: "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration.“

Kirchhof erarbeitet Vorschlag zum Schulden-Abbau

Unterdessen arbeitet der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof an einem Vorschlag zum Abbau der deutschen Staatsschulden. Der Steuerexperte mit einem Lehrstuhl für Staatsrecht an der Universität Heidelberg wolle sein Modell am 22. August in Berlin vorstellen, berichtete der "Focus“ einem Vorabbericht zufolge. Peter Heesen, der scheidende Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, habe das Gutachten in Auftrag gegeben.

Heesen halte bloßes Zurückdrängen der Neuverschuldung, wie sie die Schuldenbremse vorsieht, für nicht ausreichend, heißt es in dem Bericht. Er wolle Jüngere vor übermäßigen Lasten in der Zukunft bewahren. Heesen befürworte auch drastische Schritte wie eine höhere Erbschaftsteuer und den Verkauf der Goldreserven.

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Westerwelle lehnt ESM-Ausweitung ab

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat derweil eine Ausweitung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM und einen verstärkten Ankauf europäischer Staatsanleihen kategorisch abgelehnt. Zugleich forderte der FDP-Politiker im "Focus“ laut Vorabbericht durchgreifende Reformen in der gesamten Euro-Zone.

Westerwelle sagte, er könnte sich nicht vorstellen, „dass es für eine Politik der unbegrenzten gesamtschulderischen Haftung Deutschlands eine Mehrheit im Bundestag gibt. Ich als Abgeordneter könnte dem jedenfalls nicht zustimmen.“ Der Bundestag müsse sich als "Hüter der deutschen Steuergelder" verstehen, fügte Westerwelle hinzu.

"Einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Schulden Europas oder einer Haftung für das Unbekannte kann die Bundesregierung nicht zustimmen“, betonte der Außenminister. "Das gilt auch für den derzeit diskutierten Vorschlag, den ESM mit einer Bankenlizenz auszustatten.“ Auch hier würde Deutschland für unbekannte Risiken haften, was mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre.

Mit einer Bankenlizenz könnte sich der Fonds bei der Europäischen Zentralbank (EZB) grenzenlos Mittel beschaffen - gegen die Hinterlegung von Anleihen von Ländern wie Spanien und Italien. Vor allem Italien, Spanien und Frankreich plädieren für eine Bankenlizenz für den ESM.

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Westerwelle warnte zudem vor einer Überlastung Deutschlands bei der Euro-Rettung: "Europa kann auch an zu viel Solidarität scheitern, nämlich dann, wenn wir uns überfordern und die Reformbereitschaft der anderen unterfordern.“ Die Euro-Zone müsse sich völlig neu aufstellen, mahnte der FDP-Politiker: „Nicht 'more spending', sondern 'better spending' heißt die Devise. Wir brauchen eine Agenda 2020 für mehr Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa. Wir brauchen durchgreifende Reformen in der ganzen Euro-Zone.“

Vom hoch verschuldeten Euro-Land Griechenland verlangte Westerwelle mehr Tempo und Disziplin bei der Umsetzung der Spar- und Reformbeschlüsse. „Eines geht nicht: Hilfsprogramme vereinbaren, aber die zugesicherten Reformen infrage stellen“, sagte er.

Mit Material von dpa, rtr und dapd