Der Flugzeugbauer hat abermals den ersten Testflug für die neue 787 verschoben. Grund sind Probleme an der Rumpfseite des Fliegers. Über die erneute Verspätung sind mittlerweile auch die Kunden verärgert.

Everett/München. Der „Dreamliner“ entwickelt sich für Boeing zum Alptraum. Gerade mal eine Woche ist es her, da bestätigte der Flugzeugbauer auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris vollmundig den Erstflugtermin für sein neues Langstreckenflugzeug. Nach zwei Jahren Verspätung sei die Boeing 787 nun bis Ende Juni in der Luft, versicherte der Chef des zivilen Flugzeuggeschäfts, Scott Carson. Projektleiter Scott Fancher sprach von einem „großen Tag für das 787-Team“. Doch daraus wird nun nichts. Am Dienstag verschob Boeing den Start erneut auf unbestimmte Zeit.

Grund sind Probleme an der Rumpfseite des Fliegers. An der Nahtstelle zwischen Rumpf und Flügel seien Ende vergangener Woche bei Belastungstests Probleme aufgetreten, sagte Fancher. Dies sei in Paris noch nicht absehbar gewesen. Die betreffende Stelle müsse nun verstärkt werden. Bislang hatte Boeing beim „Dreamliner“ vor allem mit Problemen durch die umfangreiche Auslagerung von Arbeiten an Zulieferer gekämpft. Teile davon mussten wieder in den Konzern zurückgeholt werden.

„Wir haben uns entschieden, den Erstflug zu verschieben, bis die Probleme behoben sind“, sagte Carson bei der Konferenz. „Diese Entwicklung ist eine Enttäuschung. Aber wir glauben weiter, dass die 787 ein wunderbares Flugzeug wird“, ergänzte er kleinlaut. Wann nun allerdings die ersten Flieger ausgeliefert werden, ist wieder offen. Zuletzt hatte es geheißen, der Erstkunde All Nippon Airways (ANA) solle noch im ersten Quartal 2010 beliefert werden.

Das wird nun wahrscheinlich nicht mehr klappen. „Es wird wohl einen Einfluss auf die Auslieferungen geben“, räumte Carson ein. Nähere Angaben könne er derzeit aber noch nicht machen. Die meisten Kunden seien in der vergangenen Nacht über die Panne informiert worden. „Sie haben unsere Beurteilung der Lage respektiert.“ Auch die finanziellen Auswirkungen seien noch unklar. „Es ist zu früh, um über die finanziellen Auswirkungen zu sprechen.“ Die Verstärkung an sich sei aber keine große Sache. „Das hat auf den Preis des Flugzeugs keinen großen Einfluss.“

Der Imageschaden dürfte allerdings umso größer sein. Denn die Verspätungen des neuen Fliegers stoßen mittlerweile auch den Kunden sauer auf. In Paris drohte Qatar Airways mit der Kündigung eines Auftrags für die 787. „Wir sind in der Lage, aus einem Geschäft auszusteigen, wenn die Fristen unzumutbar werden“, sagte Qatar-Chef Akhbar Al Baker und schimpfte: „Boeing wird leider nicht von Geschäftsleuten geleitet. Boeing wird von Erbsenzählern und Rechtsanwälten geleitet.“ Qatar hat 30 „Dreamliner“-Maschinen fest bestellt und sich Optionen auf weitere 30 gesichert. Die Fluggesellschaft sollte ihren ersten „Dreamliner“ 2011 bekommen.

Doch Boeing steht mit seinen Problemen nicht allein. Konkurrent Airbus kämpfte jahrelang mit der Verkabelung und Kabinenelektronik seines Großraumfliegers A380. Das Flugzeug sorgte für Milliardenbelastungen und stürzte den Konzern und seine Mutter EADS in eine veritable Krise. Auch der neue Langstreckenflieger A350XWB – das Pendant zur 787 – musste mehrfach überarbeitet werden. Momentan heißt das Sorgenkind der Europäer A400M. Der Militärtransporter ist bereits drei Jahre in Verzug. Auf absehbare Zeit wird Airbus wegen der Verspätungen mit dem Flieger kein Geld verdienen.

Airbus hat also keinen Grund zur Schadenfreude. Denn erstens kennen die die Schwierigkeiten beim Bau eines komplett neuen Flugzeuges und zweitens ist der „Dreamliner“ dem A350 trotz der erneuten Verspätungen nach wie vor weit voraus. Der A350XWB soll erst

2013 kommen. Boeing hat sich mit der 787 also eine gute Position im Markt der mittelgroßen Langstreckenflugzeuge gesichert. Bisher haben die Amerikaner nach eigenen Angaben 866 Bestellungen für den „Dreamliner“ erhalten. Damit ist der neue Langstreckenjet das meistbestellte Modell in der fast 100-jährigen Boeing-Geschichte.