55 Milliarden Euro umfasst das Agrarbudget pro Jahr - fast die Hälfte des EU-Haushalts. Kein Wunder, dass von allen Seiten daran gezerrt wird. Verlierer werden wohl die deutschen Bauern sein.

Brno. Den deutschen Bauern drohen erneut schmerzliche Einkommenseinbußen. Mitten in der Wirtschaftskrise, die den Landwirten und besonders den Milchbauern schwer zusetzt, haben die EU-Agrarminister im tschechischen Brno (Brünn) eine neue Verhandlungsrunde über die Zukunft der europäischen Agrarsubventionen eröffnet.

Der EU steht ein langer und erbitterter Streit um ihr ältestes und teuerstes Politikfeld ins Haus, der Gemeinsamen Agrarpolitik. Klar ist: Bei den Forderungskatalogen der nord- und osteuropäischen Mitglieder müssen sich die größten Agrar- Empfänger – Deutschland, Spanien und Frankreich – auf massive Kürzungen gefasst machen.

Auch nach 2013, wenn eine neue Finanzperiode in der EU beginnt, dürften Europas Bauern Subventionen erhalten. „Es ist klar, dass es noch eine Gemeinsamen Agrarpolitik geben muss“, meint ein EU-Kommissionsbeamter. Zu wichtig sind die Dienste für die Öffentlichkeit wie Landschaftspflege, ländliche Besiedelung oder Wassermanagement. Und zu hoch sind die EU-Auflagen bei Klima-, Umwelt- und Tierschutz, um sie nicht gut bezahlten Profis zu überlassen.

Mehr Geld für Forschung

Doch mit jährlich 55 Milliarden Euro frisst das Agrarbudget fast die Hälfte des EU-Haushalts auf – Steuergelder, die, so sie überhaupt erhoben werden müssen, an anderer Stelle fehlen. Experten fordern, Europa müsse mehr Geld für Forschung oder Universitäten ausgeben. Und Hilfsorganisationen wie Oxfam wettern gegen die massive Förderung der Bauern in der EU und in den USA, die die Weltmarktpreise drücke und den Kleinbauern in den Entwicklungsländern das Leben schwer mache.

Im Streit um die künftige Gemeinsamen Agrarpolitik brechen auch alte Konflikte in der EU wieder auf. So sind die Skandinavier und Großbritannien gegen die Direktzahlungen. Derzeit bezieht ein Landwirt in Westeuropa jährlich etwa 300 Euro je Hektar, noch bevor er einen Finger krumm gemacht hat. Seit der EU-Agrarreform 2003 sind die Zahlungen von der Produktionsmenge weitgehend entkoppelt.

Damit sollten die Anreize zur Überproduktion („Milchseen“ und „Butterberge“) gestoppt werden. Die „Marktliberalen“ dagegen fordern, dass sich die Landwirte am Markt ausrichten sollen. Und die Weltbevölkerung wächst, die Nachfrage steigt, besonders in Schwellenländern wie China.

Einbußen von 1,5 Milliarden Euro

Franzosen, Deutsche und Spanier pochen jedoch darauf, dass Europa gesichert mit hochwertigen, aber erschwinglichen Nahrungsmitteln versorgt werden müsse. Dies dürfe man nicht dem Markt überlassen.Auch die Osteuropäer bereiten Berlin Kopfzerbrechen. 2004 der Union beigetreten, erhalten sie gut ein Drittel weniger Direktzahlungen als die Westeuropäer.

Bei einer Angleichung, haben die Berliner Agrar-Beamten ausgerechnet, drohen den deutschen Bauern Einbußen von 27 Prozent – fast 1,5 Milliarden Euro. Denn dass das Agrarbudget ausgeweitet wird, ist unwahrscheinlich. „Der Druck auf die Gemeinsame Agrarpolitik wird enorm sein“, sagt der Kommissionsbeamte. „Aber die Unterschiede können nicht ewig so bleiben.“

Dazu kommt eine weitere Umverteilung der direkt gezahlten Subventionen in die Fördertöpfe für Projekte der allgemeinen ländlichen Entwicklung („Modulation“). Schon die bisher beschlossene Umschichtung bedeutet für Deutschlands Bauern schrittweise Einbußen von bis zu 445 Millionen Euro im Jahr 2012. In Berlin als „schwachsinniges Instrument“ gescholten, glaubt man in der Kommission, dass die Umverteilung eher noch „erhöht werden dürfte“.

Gezerre und Diskussionen

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) macht sich auf „sehr lange und intensive Diskussionen“ gefasst. Dass das Europaparlament künftig in der Agrarpolitik mitentscheiden darf, wenn erst einmal der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft tritt, dürfte das Gezerre nicht einfacher machen.

Die EU-Kommission, die in der EU die Gesetzesinitiative innehat, hat bereits angekündigt, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Rahmen der Verhandlungen über die neue EU-Finanzperiode diskutieren zu lassen. Dann werden alte Absonderlichkeiten wie der „Briten-Rabatt“ auf den Tisch kommen. Den hatte Margaret Thatcher für die Insel ausgehandelt, aus Zorn über das Gefälle der jährlichen Zahlungen an Frankreich (heute gut 9 Milliarden Euro) und Großbritannien (etwa 2,7 Milliarden Euro). Doch selbst wenn am Ende Paris und London auf ihre Privilegien verzichten - Einbußen für Deutschlands Bauern scheinen unvermeidlich.