Die Energiepartnerschaft mit Russland biete der EU große Chancen, sagte Kanzlerin Merkel bei der Einweihung neuen Pipeline in Lubmin.

Lubmin. Bei der offiziellen Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline in Lubmin bei Greifswald hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Russland als herausragenden Partner der EU bei der Energieversorgung bezeichnet. Trotz aller Bemühungen zur Diversifizierung der Energiequellen blieben beide Seiten auf Jahrzehnte miteinander verbunden, sagte Merkel bei der feierlichen Einweihung der mehr als 1200 Kilometer langen Nord-Stream-Gasleitung. Die Energiepartnerschaft mit Russland biete große Chancen, betonte die Kanzlerin.

Für Merkel stellt die Fertigstellung des ersten Leitungsstrangs eine bemerkenswerte Leistung dar: „Die Bauarbeiten sind erstaunlich schnell vorangekommen.“ Dabei seien die berechtigten Interessen aller Ostsee-Anrainerstaaten berücksichtigt worden. Die Pipeline sei „das größte Energieinfrastrukturprojekt unserer Zeit“ und beispielhaft für die Kooperation zwischen Russland und der EU.

+++ Die Ostsee-Pipeline Nord Stream wird Betrieb genommen +++

+++ Eine Pipeline von Bord der "Castoro Sei" +++

„Wir haben eine helle Zukunft vor uns“, sagte Russlands Präsident Dmitri Medwedew an die Adresse der EU-Partner. Bis 2020 könne das Importvolumen an russischem Gas in der EU auf 200 Milliarden Kubikmeter steigen. Russland baue darauf, dass Europa seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwinde und keine Hindernisse errichtet würden: „Wir hoffen darauf, dass es keine künstlichen Barrieren gibt.“ Gemeinsam könnten Russland und die Europäische Union noch „viele exzellente Projekte“ auf den Weg bringen.

EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger erklärte, künftig sollten zehn Prozent des europäischen Gasimports über die neue Leitung kommen. Derzeit importiere die EU 125 Milliarden Kubikmeter aus Russland, künftig könnten es deutlich mehr sein.

Mit der Öffnung eines symbolischen Absperrventils haben an der Seite von Merkel und Medwedew weitere Staats- und Regierungschefs aus Frankreich und den Niederlanden am deutschen Anlandepunkt in Lubmin ersten Strang der russisch-europäischen Ostsee-Pipeline Nord Stream offiziell in Betrieb genommen.

Der Bau der Ostsee-Pipeline wurde 2005 von dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Weg gebracht. Zum Bau wurde ein Joint Venture gegründet, das seit 2006 Nord Stream heißt und seinen Sitz in Zug in der Schweiz hat. An Nord Stream ist der russische Gasmonopolist Gazprom mit 51 Prozent beteiligt. Die BASF-Tochter Wintershall und die E.ON Ruhrgas AG halten je 15,5 Prozent. Jeweils neun Prozent sind im Besitz der niederländischen Gasunie und der französischen GdF Suez. Schröder ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses.

Nord Stream ist 1224 Kilometer lang und kostet insgesamt 7,4 Milliarden Euro. Die Leitung reicht von Wyborg in Russland bis Lubmin, teils in mehr als 200 Metern Meerestiefe. Sie hat im Endausbau eine Kapazität von jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas. Damit können rechnerisch rund 26 Millionen Haushalte versorgt werden.

Rund 500 Polizisten sichern seit Tagen den Anlandepunkt der Pipeline in Lubmin, wo für die Veranstaltung ein provisorischer Hubschrauberlandeplatz eingerichtet und ein riesiges weißes Zelt aufgebaut wurde. Mit seiner 15 Meter hohen Kuppel aus fünf Gewölben soll das Zelt an das Erdgasmolekül CH4 (Methan) erinnern.

Kritik gab es von Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV): Nach ihrer Darstellung sei mit der Trasse das Schicksal eines der weltweit letzten echten Nomadenvölker besiegelt. Wegen der massiven Baumaßnahmen zur Gas-Gewinnung auf ihrem Gebiet müsse das Volk der Nenzen seine traditionelle Lebensweise endgültig aufgeben, teilte die GfbV in Göttingen zur Eröffnung der Gas-Pipeline mit.

Viele Nenzen lebten auf der Jamal-Halbinsel in Nordwest-Sibirien. Von dort stamme ein Großteil des nach Deutschland strömenden Gases. Rund 2500 Quadratkilometer ursprünglicher Natur seien dort bereits zerstört. Weitere 3000 Quadratkilometer kämen hinzu. Die Nenzen hätten als Ausgleich zwar Geld bekommen. Sei seien jedoch nicht gefragt worden, ob sie ihr Leben komplett umstellen wollten. Die Nenzen leben bislang von ihren Rentieren, mit denen sie als Nomaden umherziehen. (dpa/dapd/abendblatt.de)