Vor dem Rennen in Abu Dhabi wird der beschuldigte Formel 1-Chef als Schlüsselzeuge im Schmiergeldprozess gegen Gribkowsky erwartet.

München. Bevor Formel 1-Chef Bernie Ecclestone am Wochenende nach den 55 Runden des Rennens in Abu Dhabi wieder einmal den Champagner in Störmen fließen lässt, hat der Engländer am Mittwoch und Donnerstag noch einen deutlich qualvolleren Termin zu absolvieren. Dann nämlich muss der 81 Jahre alte Miliardär in einem fensterlosen Saal des Landgerichts München aussagen und sich mit Hilfe von Dolmetschern detailliert über seine Beziehungen zu dem bayerischen Landesbanker Gerhard Gribkowsky ausfragen lassen .

Für Ecclestone steht viel auf dem Spiel – immerhin könnte es ihm am Schluss doch auch selbst an den Kragen gehen. Denn die Ermittler verdächtigen ihn, Gribkowsky bestochen zu haben.

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Der ehemalige Risikomanager der BayernLB steht seit Oktober vor Gericht, weil er dem Formel-1-Chef zu Unrecht 66 Millionen Dollar zugeschanzt und dann 44 Millionen davon selbst kassiert haben soll. Bestechlichkeit, Veruntreuung von Bankgeldern und Steuerhinterziehung in Höhe von 14,7 Millionen Euro, lautet der Vorwurf gegen Gribkowsky. Dem Beschuldigten Ecclestone aber hat die Staatsanwaltschaft jetzt erst einmal freies Geleit zugesichert, damit er als Schlüsselzeuge im Prozess aussagt.

Legales Schweigegeld

Ecclestone sitzt trotz mutmaßlicher Komplizenschaft nicht gleich neben Gribkowsky auf der Anklagebank. Das hat mehrere Gründe. Für die deutsche Justiz sind Ermittlungen in England schwieriger und aufwendiger als im Inland, ein Abschluss liegt noch nicht vor. Weil Gribkowsky schon seit Januar in Haft sitzt, ist sein Prozess aber besonders dringlich. Zudem sind die Vorwürfe gegen ihn viel umfangreicher und schwerer als gegen Ecclestone.

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Mit freiem Geleit kann Ecclestone am Mittwoch also erst einmal halbwegs unbesorgt nach München kommen – den Weg zum Gericht kennt er ja schon von seiner ersten Vernehmung im Frühjahr. Im „Daily Telegraph“ hatte er seine Sicht der Dinge öffentlich so dargelegt: Gribkowsky habe ihm mit Andeutungen über Steuerangelegenheiten zugesetzt, die ihm langwierigen Ärger mit dem britischen Fiskus hätten einbringen können. Um Ruhe zu haben, habe er Gribkowsky 44 Millionen Dollar überwiesen – verschleiert über Briefkastenfirmen, auf dessen Wunsch hin. Aber mit dem Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB an den britischen Investor CVC habe das rein gar nichts zu tun gehabt. Niemals habe er Gribkowsky bestochen. Und die Millionenprovision der BayernLB für die Vermittlung des Käufers CVC habe er sich rechtmäßig verdient, erklärte Ecclestone.

Verteidigung erhofft Rückenwind

Gribkowskys Verteidiger Dieter Amelung erwartet, dass Ecclestone an diesen Aussagen auch im Prozess festhalten wird. Dadurch könnte dem Briten die Rolle als Schlüsselzeuge zukommen. Denn schenken ihm die Richter Glauben, wären die Vorwürfe der Bestechung und der Untreue vom Tisch.

Tatsächlich haben bisher alle Zeugen bestätigt, dass der von Gribkowsky ausgehandelte Verkauf der Formel-1-Anteile an CVC Ende 2005 ein Glücksfall für die Landesbank war. Die Autokonzerne standen damals vor der Gründung einer eigenen Grand-Prix-Serie, die Formel 1 wäre nur noch eine wertlose Hülle gewesen, in der Bankbilanz war sie schon auf 300 Millionen Euro abgeschrieben – aber CVC zahlte mehr als das doppelte.

Auf der anderen Seite war Gribkowsky in der Landesbank mit seinem Wunsch nach einem Sonderbonus von zehn Millionen Euro abgeblitzt. Fragt man den Staatsanwalt, hat Gribkowsky sich den abgeschlagenen Bonus einfach auf dem Umweg Ecclestone nachträglich besorgt.

Gribkowskys Verteidiger erklärten die Zahlungen mit einer dritten Variante: Gribkowsky habe im Laufe der Jahre enorme Erfahrungen in dem Rennzirkus gesammelt. Er habe Ecclestone als Vertreter der Formel-1-Anteilseigner mehrere Niederlagen zugefügt. Und er habe die BayernLB verlassen wollen. „Gribkowsky aufseiten der Konkurrenzserie, das wäre für Ecclestone nicht so schön gewesen“, sagte Amelung. Deshalb habe Ecclestone Gribkowsky mit der Überweisung auf seine Seite geholt.

Befangenheitsantrag angekündigt

Bevor die Wirtschaftsstrafkammer Ecclestone als Zeuge in die Zange nimmt, muss sie sich aber erst einmal über sich selbst beraten: Die Verteidigung hat einen Befangenheitsantrag angekündigt. Entscheiden darüber kann letztlich nur eine andere Kammer. Ecclestones Vernehmung wurde deshalb bereits verschoben auf 11.00 Uhr. Einer anderen Zeugin aus London hatte der Vorsitzende Richter Peter Noll empfohlen, die Zeit zu nutzen, das sonnige Herbstwetter in München zu genießen.