Der Tarifkonflikt spitzt sich zu. Betriebsräte, Gewerkschaft und Management suchen heute nach Lösungen. Warnstreiks sind möglich.
Hamburg. Der Tarifkonflikt bei Airbus wird immer schärfer. Jetzt rücken im Streit um die Zukunftssicherung von Arbeitsplätzen und Standorten Warnstreiks immer näher. Sollte das für heute geplante Gespräch mit dem Management keine Ergebnisse bringen, wollen die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat rasch über den Ort und den Zeitpunkt von Aktionen entscheiden. "Wir sind flexibel und können schnell aktiv werden", sagte der Airbus-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Johann Dahnken gestern in Hamburg. Die Warnstreiks sollen 24 Stunden im Voraus angekündigt werden. Der "bessere Weg" sei aber aus Sicht der Arbeitnehmervertreter und der Gewerkschaft dennoch, den Konflikt um die künftigen Produktionsbedingungen am Verhandlungstisch zu lösen.
Bei dem Treffen in Hamburg geht es heute zunächst nur um zwei Forderungen: Die Arbeitnehmer wollen beim Thema Leiharbeit und bei der Arbeitsorganisation stärker mitreden. Die Betriebsräte fordern, die Quote für Leiharbeiter von derzeit 20 auf 15 Prozent der insgesamt rund 16.600 Beschäftigten der Stammbelegschaft zu senken. Zudem müssten die Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen nach spätestens 24 Monaten von Airbus übernommen werden. Airbus geht dagegen für die Serienfertigung von Jets von 20 Prozent Leiharbeitern aus. "Allerdings wird dies bei neuen Projekten nicht ausreichen", sagte Airbus-Sprecher Florian Seidel.
Bei der Arbeitsorganisation wollen die Arbeitnehmer künftig verstärkt eigene Vorschläge einbringen und zudem über die Zeitvorgaben für Arbeiten mitentscheiden können. "Airbus muss sich zudem darauf einrichten, dass das Durchschnittsalter in den kommenden Jahren trotz der Neueinstellungen von 44 auf 54 Jahre steigen wird", sagte Dahnken. Insgesamt schätzte der IG-Metall-Verhandlungsführer Daniel Friedrich die Chancen, im Konflikt voranzukommen, gestern wenig optimistisch ein. "Offensichtlich wollen die Arbeitgeber gar kein Ergebnis erzielen."
+++ Betriebsrat beschließt Warnstreiks bei Airbus +++
+++ Airbus will Warnstreiks notfalls gerichtlich untersagen lassen +++
+++ Den Bogen nicht überspannen +++
Vor allem nach dem Scheitern der Verhandlungen Ende September beklagen die Arbeitnehmer einen Wandel in der Kultur im Dialog mit dem Management. "Wir haben über Jahre hinweg die Produktionsziele mit Überstunden erreicht und die Fertigungsraten gesteigert. Doch das Unternehmen kann seine Planungen nicht permanent darauf aufbauen", sagte Dahnken. Inzwischen spielten beim Einsatz der Beschäftigten "Wochenende und Feiertage keine Rolle mehr". Daher prüfen die Betriebsräte derzeit kritisch, ob überhaupt noch Überstunden in den vier deutschen Werken zugelassen werden. "Wir orientieren uns an der Freiwilligkeit der Beschäftigten. Sie nimmt ab", so der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Durch weniger Überstunden gerieten jedoch die Jahresziele des Unternehmens in Gefahr, sagte Airbus-Sprecher Seidel. "Die Kunden erwarten eine termingerechte Auslieferung ihrer Maschinen."
Die Ankündigung von Airbus als Folge der neuen Situation, über alternative Standorte für die Produktion etwa in Frankreich nachzudenken, hat die Stimmung nun weiter verschlechtert. "Die Betriebsräte haben Verhandlungen angeboten und als Antwort werden die Beschäftigten nun mit solchen Maßnahmen bedroht", sagte Friedrich. Allerdings verlässt sich Dahnken auf die Solidarität der Beschäftigten in den französischen Airbus-Werken. "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren."
In den heutigen Gesprächen ausgeklammert bleibt die Diskussion über die künftigen Produktivitätssteigerungen beim europäischen Flugzeugbauer. Auch darüber gibt es aber bisher keine Einigung. Das Unternehmen will bis zum Jahr 2020 eine Summe von 1,1 Milliarden Euro erreichen und hat dafür auch eine Beschäftigungssicherung angeboten. Die Arbeitnehmerseite rechnete gestern jedoch erneut vor, dass sich die jährliche Leistungssteigerung um 123 Millionen Euro auf insgesamt 5,5 Milliarden Euro summieren würde. "Das entspricht einem Plus von acht Prozent. Wir halten aber allenfalls einen Zuwachs von zwei bis drei Prozent im Jahr für realistisch", sagte Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der IG Metall Küste. Schon jetzt gebe es bei Airbus einen starken Leistungsdruck. "Die Überforderung wird sichtbar."
Airbus-Sprecher Seidel setzt weiterhin auf eine einvernehmliche Lösung mit den Arbeitnehmern. "Von unserer Seite besteht Gesprächsbereitschaft, um die Zukunft von Airbus in Deutschland zu sichern", sagte er. "Dazu suchen wir den Dialog."