Jürgen Stark will die EZB verlassen, es geht um ein Zerwürfnis um die Einführung von Euro-Bonds. Nachfolger soll Jörg Asmussen werden.
Brüssel. Die überraschende Rücktrittsankündigung von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hat nach den europäischen auch die US-Börsen auf Talfahrt geschickt. Mit aller Macht gerieten erneut Sorgen in den Mittelpunkt des Handels, die Europäer könnten ihre Schuldenkrise nicht in den Griff bekommen. „Europa ist der wichtigste Grund für den Druck auf den Markt, und uns wird immer klarer, dass alles was bislang unternommen wurde, nicht funktioniert hat“, sagte Analystin Liz Ann Sonders von Charles Schwab. Wie Reuters erfuhr, soll der Grund für Starks Abgang ein Zerwürfnis über die vor allem in Deutschland umstrittenen Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) sein. Als Verkaufsgrund nannten Händler auch die Furcht vor Anschlägen zum zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September am Wochenende. 80 Prozent der in New York gehandelten Aktien verloren.
Zudem lasteten die Sorgen um die US-Wirtschaft weiter auf dem Markt. Das fast 450 Milliarden Dollar schwere Programm von Präsident Barack Obama zum Kampf gegen die Krise am Arbeitsmarkt konnte die Anleger nicht überzeugen. Sie befürchteten, dass die Pläne durch den Widerstand der Republikaner im Kongress aufgeweicht werden könnten. „Eine Menge der Vorschläge klangen gut, aber angesichts der ganzen Unsicherheit haben sich die Dinge nicht grundlegend verändert“, betonte Sonders.
+++ Jürgen Stark warnt vor Euro-Bonds +++
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte zum Handelsschluss mit einem Minus um 2,7 Prozent bei 10.992 Punkten. Im Handelsverlauf pendelte der Index zwischen 10.935 und 11.294 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500-Index schloss bei 1154 Punkten, ein Minus von ebenfalls 2,7 Prozent. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 2,4 Prozent und ging mit 2467 Punkten aus dem Handel. In der Woche hat der Dow 2,2 Prozent verloren, der S&P-500-Index 1,7 Prozent und die Nasdaq 0,5 Prozent. In Frankfurt rutschte der Dax am Freitag vier Prozent ab und schloss bei 5189 Stellen.
Obama will den am Boden liegenden Jobmarkt auf die Beine helfen und so die lahmende Konjunktur anschieben. Der Präsident appellierte am Donnerstagabend an den Kongress, das Paket bis Jahresende zu verabschieden. Er muss aber mit erheblichem Widerstand vor allem bei der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus rechnen.
Aber nicht nur die unsicheren Chancen auf Umsetzung enttäuschten Börsianer an der Rede Obamas. Auch hatten sich Anleger einen Hinweis des Präsidenten darauf erhofft, dass multinationale Großkonzerne in Übersee erwirtschaftete Gewinne zu einem niedrigeren Steuersatz in die USA übertragen können. Diese Gewinne werden auf 1,5 Billionen Dollar geschätzt. Von einem solchen Schritt hätten Unternehmen wie Xerox und Hewlett Packard profitiert. Beide Papiere verloren 5,2 Prozent.
Finanzwerte gerieten erneut unter Druck. Die Papiere der Bank of America fielen um 3,1 Prozent. Dem „Wall Street Journal“ zufolge will der Finanzgigant rund 40.000 Arbeitsplätze streichen.
McDonald’s -Aktien verloren mehr als vier Prozent. Der Umsatz der weltgrößten Schnellrestaurant-Kette hatte im August weniger zugelegt als von Experten erwartet.
An der New York Stock Exchange wechselten rund 1,22 Milliarden Aktien den Besitzer. 448 Werte legten zu, 2556 gaben nach und 72 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 2,06 Milliarden Aktien 400 im Plus, 2131 im Minus und 94 unverändert.
EU-Parlamentarier beunruhigt über Stark-Rücktritt
Der angekündigte Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark hat auch im EU-Parlament große Beunruhigung ausgelöst. Die Europäische Zentralbank verliere mit Stark „einen Stabilitätsgaranten“, sagte der Vorsitzende der CSU-Gruppe in Brüssel, Markus Ferber. „Dies erfüllt mich mit großer Sorge um die Stabilität in Europa, denn im Moment geht es genau darum, diese zu sichern und zu festigen.“ Als einer der Gründerväter des Stabilitäts- und Wachstumspakts habe Stark stets gegen eine übermäßige Verschuldung der Euro-Staaten gekämpft. Zudem habe er vor Euro-Anleihen gewarnt, die auch aus Sicht der CSU-Europagruppe „einen schleichenden Übergang zu einer Transferunion“ bedeuten würden.
Möglicher Nachfolger Asmussen hält sich bedeckt
Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen, der Nachfolger von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark werden soll, hat sich bedeckt zu einer Kandidatur gehalten. Asmussen am Freitag am Rande des G7-Treffens in Marseille, zum Nachfolge-Thema werde sich Finanzminister Wolfgang Schäuble äußern. Nach Angaben mehrerer mit den Überlegungen vertrauter Personen wird Asmussen Starks Nachfolger im sechsköpfigen EZB-Direktorium. Am Freitagabend (22.00 Uhr MESZ) wollten Schäuble und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in Marseille vor die Presse treten. Als offizielles Thema war das dortige Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben größten Industriestaaten (G7)angekündigt.
Das Profil von Starks Nachfolger umschrieb Asmussen mit den Worten, dieser müsse Sachkompetenz haben, Europa- sowie internationale Erfahrung vorweisen und durchsetzungsstark sein. Stark hat überraschend seinen Rücktritt noch in diesem Jahr angekündigt. Grund dafür sei ein Zerwürfnis über die vor allem in Deutschland umstrittenen Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), erfuhr Reuters von zwei mit Starks Beweggründen vertrauten Personen.
Schäuble: "Suchen zügig Nachfolge"
Die Bundesregierung will zügig einen geeigneten Nachfolger für Jürgen Stark bei der Europäischen Zentralbank (EZB) präsentieren. Das sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag in Marseille nach einem Treffen der G7-Finanzminister und -Notenbankchefs. „Die Bundesregierung wird zügig eine geeignete Persönlichkeit für die Nachfolge vorschlagen.“
Namen nannte Schäuble nicht. Die Entscheidung eile aber nicht, da Stark erst Ende des Jahres von seinem Amt als EZB-Chefvolkswirt zurücktreten werde. Zunächst werde man mit dem Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, sowie den anderen Euro-Ländern sprechen. Dann würden die Chefs der Euro-Länder entscheiden, sagte Schäuble. (reuters/dapd/dpa/abendblatt.de)