Nach Karlsruher Urteil wird im Bundestag heftig über den Euro-Rettungsschirm gestritten. Liberale nennen SPD-Chef Gabriel „Sirtaki-Siggi“.

Berlin/Brüssel/Marseille. Wolfgang Schäuble gilt als leidenschaftlicher Europäer. Seit Monaten ist er so etwas wie der Euro-Fighter von Schwarz-Gelb. Manchen Kritiker hat der CDU-Mann kraft seiner politischen Lebensleistung und Argumente schon umgedreht. Bei Sigmar Gabriel wird es wohl nicht klappen.

Der SPD-Chef nutzte am Donnerstag die erste Lesung des Gesetzes für den erweiterten Rettungsschirm EFSF, um sich den Finanzminister vorzuknöpfen. Mit „kurzfristigen und dummen Parolen“ habe Schäuble die vergangenen 18 Monate Stammtische und Boulevard-Medien bedient. Keinen Cent sollte Griechenland bekommen, eine europäische Wirtschaftsregierung sei Teufelszeug, hielt Gabriel den Unionsspitzen von der Realität überholte Aussagen zur Euro-Rettung vor.

Schäuble und CDU-Kanzlerin Angela Merkel seien doch selbst schuld, dass ihre eigenen Leute nun auf den Bäumen säßen und die Gefolgschaft verweigerten. Immer wieder sei die Regierung von den Märkten belehrt worden – und Deutschland längst in einer Haftungsunion angekommen. Man brauche über Eurobonds gar nicht mehr zu streiten.

+++ Der Druck auf Griechenland wächst +++
+++ Klage gegen Euro-Hilfen abgewiesen +++

Die 120-Milliarden-Ankäufe von Staatsanleihen maroder Euro-Länder durch die europäischen EZB-Währungshüter seien die ersten „Merkel-Bonds“ gewesen, sagt Gabriel. Und die zweite Rate sei nun der aufgestockte EFSF-Schirm, wo die Steuerzahler mit bis zu 253 Milliarden Euro bürgen müssen. Nur Merkel sehe das anders: „Für wie dumm halten Sie eigentlich ihre eigenen Abgeordneten?“, schimpft Gabriel.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin haut in diese Kerbe. Wer habe denn die unabhängige EZB auf schäbige Weise genötigt, Schulden anderer Staaten aufzukaufen? „Es war diese Bundesregierung, diese Bundeskanzlerin. Niemand anderes trägt diese Verantwortung“, meint Trittin.

Merkel schaut bei den Attacken kaum auf, sondern blättert in Unterlagen oder liest auf ihrem iPad. Denn was Gabriel und Trittin vielleicht ein bisschen wurmt, ist die Erkenntnis, dass es für Merkel in der Euro-Frage gar nicht mehr so düster auszusehen scheint.

Durch das Urteil aus Karlsruhe sieht sich die Regierung grundsätzlich bestätigt. Und die CDU-Chefin hat viele in ihrer eigenen Fraktion mit der kämpferischen Europa-Rede am Mittwoch im Plenum überzeugt. Auch kommen die Experten von Union und FDP bei den technischen Details gut voran, um die Stellung des Bundestags bei neuen Milliarden-Entscheidungen des umgebauten EFSF zu stärken.

So geht die Unionsspitze davon aus, dass es Ende des Monats bei der EFSF-Abstimmung auch für Merkels Kanzlermehrheit von 19 Stimmen Vorsprung reicht. Selbst wenn es nicht klappen sollte, werde es in diesem Jahr keine Neuwahlen geben, verlautet aus der Union. Auch wenn Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) seiner Nachfolgerin Merkel schon zugerufen hat, dass sie ohne Kanzlermehrheit gescheitert wäre.

Zum wiederholten Mal wird Merkel schließlich von Rainer Brüderle im Hohen Haus verteidigt. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen fängt ruhig an, bevor er in seinen intern gefeierten „Brüll-Modus“ umschaltet. Für den Pfälzer ist SPD-Boss Gabriel „Sirtaki-Siggi“ - unzuverlässig wie die Griechen. Apropos: Die etwas freundlichere Euro-Prognose für Schwarz-Gelb könnte schnell kippen, wenn Athen endgültig alle Zusagen bricht und die Märkte wieder ins Rutschen geraten würden.

EU-Kommission: Diskussion über zweites Griechen-Paket unnötig

Die EU-Kommission sieht einem Sprecher zufolge derzeit keinen Bedarf, das zweite Rettungspaket für Griechenland noch einmal aufzuschnüren. „Das Wichtigste ist jetzt, sich weiterhin auf die Umsetzung der Beschlüsse vom 21. Juli zu konzentrieren“, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Donnerstag in Brüssel. Bei dem Krisentreffen hatten die Euro-Staaten zur Beruhigung der Finanzmärkte unter anderem weitere Hilfen für das schwer angeschlagene Mittelmeerland beschlossen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Debatte über ein zweites Paket am Donnerstag im Bundestag als verfrüht bezeichnet, da Griechenland bereits im laufenden ersten Hilfsprogramm Schwierigkeiten bei der Erfüllung seiner Zusagen habe.

Rehns Sprecher betonte zugleich, es gebe in der Euro-Zone keine Diskussion über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion. „Weder ein Austritt noch ein Ausschluss ist möglich nach dem EU-Vertrag von Lissabon. Die Mitgliedschaft in der Währungsunion ist unwiderrufbar.“

G-7 suchen Antworten auf Rezessionsangst

Die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben wichtigsten Industriestaaten (G-7) treffen sich von Freitag bis Sonnabend in Marseille und ringen um Antworten auf die grassierende Rezessionsangst. Deutschland machte vorab klar, dass man Rufen nach Konjunkturpaketen eine Absage erteilen werde. «Die Schuldenkrise kann man nicht durch mehr Schulden bekämpfen», erklärte der Finanzstaatssekretär von Wolfgang Schäuble, Jörg Asmussen, am Mittwoch in Berlin.

Gastgeber Frankreich will einen Streit in der G-7-Gruppe vermeiden. Der Pariser Finanzminister Francois Baroin betonte lediglich, man wolle in Marseille «eine gute Wirtschaftspolitik abstimmen, die Wachstum erhält und Jobs schafft». Während Kanada auf der deutschen Linie ist, wonach die G-7 auch in der nachlassenden Weltwirtschaft dem Sparen Priorität geben sollten, wollte US-Präsident Barack Obama seinem Kongress Konjunkturmaßnahmen im Volumen von 300 Milliarden Dollar vorgeschlagen. (dpa/rtr/dapd/abendblatt.de)