Frankreich, Italien, Spanien und Belgien wollen Verbote für bestimmte Leerverkäufe ausweiten. Ziel: “falschen Gerüchten“ entgegenzuwirken.
Paris. In mehreren europäischen Ländern sollen Marktturbulenzen durch das Verbot hochspekulativer Börsengeschäfte eingedämmt werden. So wollen Frankreich, Italien, Spanien und Belgien von heute an Verbote für bestimmte Leerverkäufe einführen oder ausweiten, wie die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA am späten Donnerstagabend nach einer Telefonkonferenz mit den nationalen Regulierern mitteilte. Diese würden rasch und entschieden gegen den Missbrauch von Marktregeln vorgehen. Zwar seien Leerverkäufe für sich genommen eine zulässige Handelsstrategie, erklärte die ESMA. Doch in Verbindung mit der Verbreitung von Marktgerüchten handele es sich um einen klaren Regelverstoß.
Die französische Aufsicht AMF kündigte ein 15-tägiges Verbot von Leerverkäufen für die Aktien von Banken und Versicherern an. Zuvor war aus Regulierer-Kreisen verlautet, dass ein EU-weites Leerverkaufsverbot unwahrscheinlich sei. An der Athener Börse wurden nach massiven Kursverlusten bereits Leerverkäufe für zwei Monate verboten. Am Mittwoch hatten Gerüchte über angebliche Zahlungsschwierigkeiten der französischen Großbank Societe Generale die Runde gemacht und damit eine neue Verkaufslawine an den europäischen Aktienmärkten losgetreten. Experten zufolge können Finanzwerte als Vehikel für Spekulationen auf die wirtschaftliche Stärke eines Landes genutzt werden. „Wenn man zum Beispiel auf Verluste bei französischen Anleihen wetten will, sind Leerverkäufe französischer Banken sehr vielversprechend“, sagte ein Risiko-Manager einer großen europäischen Bank. Die Banken hatten die Gerüchte zurückgewiesen, die Ratingagenturen ihren Ausblick für die Top-Bonitätsnote Frankreichs bekräftigt.
Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Aktien eines Unternehmens und verkaufen diese, um sie zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und dem Verleiher zurückzugeben. Leerverkäufe können Kursausschläge einer Aktie drastisch beschleunigen. Ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und von Staatsanleihen von Euro-Ländern sind seit vergangenem Sommer in Deutschland per Gesetz ganz verboten. Bei derartigen Geschäften haben Investoren die verkauften Papiere sich noch nicht einmal geliehen, was die Risiken noch erhöht.
Zuvor hatten der DAX und der Dow Jones ihre "schwarze Serie" vorerst beendet. Nach elftägiger Durststrecke ging der deutsche Leitindex am Donnerstag mit einem Plus von 3,28 Prozent bei 5797,66 Punkten aus dem Handel. Zuvor hatte er an einem erneut hochnervösen Börsentag eine chaotische Berg- und Talfahrt hingelegt. Grund waren neue Sorgen um eine Ausweitung der Schuldenkrise auf das Bankensystem. Die New Yorker Börse schloss am Donnerstagabend ebenfalls mit deutlichen Gewinnen. Der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte legte 423,37 Punkte oder 3,9 Prozent zu auf 11.143,31 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq kletterte um 111,63 Punkte oder 4,7 Prozent auf 2.492,68 Zähler. In den vergangenen Tagen war der Dow Jones jeweils um mehrere hundert Punkte gefallen und gestiegen.