Die US-Notenbank will den Leitzins in den nächsten beiden Jahren nicht steigern. Die Märkte reagieren auf Ben Bernankes Aussage.

Frankfurt. Am gestrigen Abend gab es einen Ansage, die die Märkte heute beeinflusste und den DAX bereits stabilisierte: Fed-Chef Ben Bernanke gab bekannt, dass die US-Notenbank erst einmal eine Nullzinspolitik fahren will. Bis 2013 solle der Leitzins sehr niedrig bleiben. Mit dieser Neuigkeit wurde die zweiwöchige Talfahrt der internationalen Aktienmärkte am Mittwoch vorerst gestoppt. Anleger deckten sich in Frankfurt wieder mit Dividendenpapieren ein. Auch zahlreiche Rohstoffe verteuerten sich wieder. Gleichzeitig intensivierte die Schweizer Nationalbank ihren Kampf gegen den Zufluss billigen US-Geldes in den Franken. Das Misstrauen in die Entwicklung der Weltwirtschaft hielt allerdings den Goldpreis hoch. Auch Bundesanleihen waren weiterhin gefragt.

Der Dax, der in den vergangenen zehn Handelstagen insgesamt rund 20 Prozent eingebüßt hatte, stieg im frühen Handel um 1,4 Prozent auf 6000 Punkte. „Das ist nur eine Erleichterungsrally“, betonte Analystin Louise Cooper vom Brokerhaus BGC Partners. „Die Märkte sind so stark heruntergeprügelt worden, dass jede gute Nachricht als Grund für eine Rally herhält. Aber es gibt noch zu viele Unsicherheitsfaktoren.“ Die Rückzahlung der Staatsschulden könnte das Wirtschaftswachstum auf Jahre hinaus dämpfen.

Der EuroStoxx50 notierte kaum verändert bei 2288 Zählern. Am Vorabend hatte die Fed-Entscheidung dem US-Standardwerteindex Dow Jones zu einem vierprozentigen Kurssprung verholfen. Die Börsen in Tokio und Shanghai legten ebenfalls zu. Am Rohöl-Markt stiegen die Preise für die Sorten Brent und WTI um drei beziehungsweise 3,5 Prozent. Das wichtige Industriemetall Kupfer kostete 1,7 Prozent mehr als am Vortag.

In Frankfurt setzten sich nach einem Gewinnanstieg im abgelaufenen Quartal die Aktien von Henkel mit einem Plus von mehr als sechs Prozent an die Spitze im Dax. Gefragt waren trotz Gewinneinbußen durch Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen auch die Titel der Commerzbank, die drei Prozent gewannen. „Bereinigt um die höher als erwartet ausgefallenen Abschreibungen auf griechische Bonds sind die Zahlen besser als erwartet ausgefallen“, betonte DZ-Bank-Analyst Matthias Dürr. Verkauft wurden dagegen weiterhin die Anteilsscheine von E.ON, die 2,5 Prozent verloren. Der Versorger will nach dem ersten Quartalsverlust seiner Geschichte bis zu 11.000 Stellen abbauen.

Unterdessen kämpft in der Schweiz die Notenbank gegen den starken Franken an. Um die Attraktivität des ebenfalls als sicher geltenden Franken zu schmälern, wollen die Währungshüter die Liquidität deutlich ausweiten. „Die massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine Bedrohung für die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz dar“, teilten die Zentralbanker mit. Wegen der Schuldenkrisen in den USA und der Euro-Zone hat die Schweizer Währung im Vergleich zu Dollar und Euro seit Jahresbeginn rund 30 Prozent zugelegt und in den vergangenen Wochen wiederholt neue Rekordhöhen erreicht.

Stark gefragt waren auch Bundesanleihen. Der Bund-Future legte 71 Ticks auf 133,12 Punkte zu. „Wenn sich die Fed auf eine Fortsetzung der Niedrigzinspolitik bis mindestens 2013 festlegt, ist das ein schlechtes Omen für die Konjunkturaussichten“, sagte ein Händler. „Die Frage ist nun, ob die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Zinserhöhungen einen Fehler gemacht hat.“

Die Kurse der italienischen und spanischen Staatsanleihen zogen ebenfalls an. Wie bereits in den vergangenen Tagen spekulierten Börsianer, dass die EZB die Papiere dieser beiden hoch verschuldeten Euro-Staaten aufkauft.

Chronologie: DAX-Einbrüche seit 1988

Seit Einführung des DAX am 1. Juli 1988 hat der Aktienindex der 30 größten deutschen Unternehmen einige massive Kurseinbrüche erlebt. Die Nachrichtenagentur dapd dokumentiert die Ereignisse, die zu den größten Abstürzen führten:

16. Oktober 1989: -14,3 Prozent – An der New Yorker Börse lösen Finanzierungsschwierigkeiten der Fluglinie United Airlines eine Kettenreaktion aus.

6. August 1990: -5,7 Prozent – Irakische Truppen marschierten vor vier Tagen in Kuwait ein.

19. August 1991: -10,4 Prozent – Versuchter Putsch auf den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow.

28. Oktober 1997: -8,7 Prozent – Die Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise in Asien zeigt Wirkung auf den DAX.

21. August 1998: -6,3 Prozent – In Russland spitzt sich die Finanzkrise zu.

1. Oktober 1998: -7,6 Prozent – Dem US-Hedgefonds LTCM droht Zahlungsunfähigkeit, es gibt Krisen in Asien, Japan, Lateinamerika und Russland.

11. September 2001: -9,2 Prozent – Die Terroranschläge in den USA lösen an den Börsen Panik aus.

5. August und 3. September 2002: -6,0 Prozent und -6,2 Prozent - Die Angst vor der Rezession in den USA wirkt sich auch auf die deutsche Börse aus.

24. März. 2003: -6,5 Prozent – Vor wenigen Tagen begann der Irak-Krieg.

21. Januar 2008: -7,7 Prozent – Erneut wirken sich die Ängste vor einer Rezession in den USA auf den DAX aus.

6. Oktober 2008: -7,6 Prozent – Nach der Pleite von Lehman Brothers am 15. September zeigen sich die Finanzkrise und die starken Kurseinbrüche verspätet im DAX. Hypo Real Estate bekommt das zweite Rettungspaket.

6. November 2008: -7,3 Prozent – Die Finanzkrise wird zur Wirtschaftskrise.

August 2011: Die Schuldenkrisen in den USA und in Europa lassen die Börsen abstürzen. Die USA werden von der Ratingagentur Standard & Poor’s in ihrer Bonität abgestuft.

(rtr/dapd)