Demokraten und Republikaner einigten sich auf einen Kompromiss. Bis Dienstag um Mitternacht muss jetzt ein Gesetz unterzeichnet sein.

Washington. Die deutsche Bundesregierung begrüßt die Lösung im US-Schuldenstreit: „Die Bundesregierung ist zufrieden, dass es in den Vereinigten Staaten von Amerika eine politische Einigung in dieser schwierigen Frage gegeben hat“, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans am Montag in Berlin. Steegaman vermied es, auf Details der Verhandlungslösung einzugehen. Es handele sich dabei um inneramerikanische Entscheidungen. Die Bundesregierung hat stets an eine Lösung geglaubt. „Wir sind davon ausgegangen, dass es am Ende einen solchen Kompromiss geben wird.“

Der Kompromiss kam - und das wirklich in letzter Minute. Wäre keine Einigung erreicht worden, wäre die USA offiziell zahlungsunfähig gewesen. Es hätten weder Löhne, noch Sozialleistungen ausgezahlt werden können, die Ratingagenturen hätten die Staaten auf einen Wert noch unter Griechenland gestuft und die Erschütterungen an den Finanzmärkten wären unabsehbar gewesen. Nun also die Einigung, die zwar ein rettendes Signal ist, aber noch nicht alle Hürden überschritten hat. Der von Obama am Sonntagabend verkündete Kompromiss muss noch von beiden Kammern des Parlaments gebilligt werden; mit den Abstimmungen wird frühestens am heutigen Montag (Ortszeit) gerechnet. Bis Dienstag um Mitternacht muss ein Gesetz unterzeichnet sein.

Die Eckpunkte des Zwei-Stufen-Plans

Bekannt wurden die Eckpunkte eines Zwei-Stufen-Plans, der eine Anhebung der Schuldengrenze um insgesamt mindestens 2,2 Billionen Dollar vorsieht. Zudem wurden noch höhere Ausgabenkürzungen vereinbart. Der Vorschlag ermöglicht es Obama, die Schuldenobergrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar in drei Schritten zu erhöhen. Der Kongress hätte die Möglichkeit, bei zwei Schritten seine Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Für eine Blockade müssten das Repräsentantenhaus und der Senat aber je eine Zwei-Drittel-Mehrheit zusammenbekommen, was äußerst unwahrscheinlich ist. Dafür sollen Ausgabenkürzungen auf Bundesebene von rund 2,4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren umgesetzt werden, die der Kongress in zwei Schritten beschließen soll. Davon sollen 917 Millionen Dollar an Einsparungen sofort in Kraft treten, wenn der Deal beide Kammern im Kongress passiert. Die übrigen1,5 Billionen Dollar an Kürzungen sollen bis Ende des Jahres ausgehandelt werden. Die erste Runde an Kürzungen betrifft die Teile des Bundeshaushalts, über die der Kongress jedes Jahr abstimmt. Sie reichen von Mitteln für Rüstungsprojekte bis hin zu Ausgaben zur Lebensmittelkontrolle. Die ersten Kürzungen sollen noch moderat ausfallen, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Über die nächsten zehn Jahre fallen die Einschnitte dann aber immer größer aus.

Von den insgesamt 917 Milliarden Dollar an Einsparungen entfallen etwa 350 Milliarden Dollar auf den Rüstungsetat sowie weitere Posten für die Sicherheit. Die Republikaner lehnen dies eigentlich ab. Der Punkt bleibt einer der umstrittensten. Ein Kongress-Ausschuss, der mit jeweils sechs Vertretern beider Parteien besetzt sein wird, soll sich bis Ende des Jahres auf Details der zweiten Runde von Kürzungen verständigen. Dies dürfte eine Steuerreform und eine Überprüfung der Sozialprogramme wie Medicare einschließen. Beide Felder sind umstrittenen. Auch nach wochenlangen Verhandlungen konnten sich Demokraten und Republikaner hier nicht auf eine Linie einigen. Falls der Kongress sich bis zum 23. Dezember nicht auf die zweite Runde von Kürzungen verständigen sollte, treten ab 2013 automatisch weitere Einschnitte in Kraft. Diese würden Militär- und Sozialausgaben gleichermaßen betreffen.

Unterstützung im Senat

"Ist das die Vereinbarung, die ich vorgezogen hätte? Nein", sagte Obama. Sie werde es aber ermöglichen, die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden und die Krise zu beenden. Im Senat hatten die Fraktionschefs der Demokraten und der Republikaner, Harry Reid und Mitchell McConnell, den Plan unterstützt. Der republikanische Präsident des Repräsentantenhauses, John Boehner, betonte vor Parteifreunden, es sei ein guter Kompromiss, der die Forderungen aller Republikaner erfülle.

Die Zustimmung des Senats, in dem die Demokraten die Mehrheit haben, gilt als sicher. Zu weiteren Debatten könnte es noch im Repräsentantenhaus kommen - dort gibt es eine republikanische Mehrheit. Einige Republikaner sind dem Vernehmen nach immer noch verärgert über vorgeschlagene Einschnitte bei den Verteidigungsausgaben. Unklar ist auch, wie sich die 87 Abgeordneten verhalten, die dem Tea-Party-Flügel zugerechnet werden. Beobachter gingen aber davon aus, dass sowohl Boehner für die Republikaner im Repräsentantenhaus als auch Reid für die Demokraten im Senat sicher sind, die erforderlichen Stimmen zusammenzubekommen.

Finanzmärkte reagieren erfreut

Nach den Kompromiss legt auch der deutsche Aktienmarkt wieder zu. Der Dax gewinnt im frühen Handel 1,04 Prozent undt steigt auf 7233 Punkte. Damit macht er einen Teil seiner Verluste aus der Vorwoche wieder wett. Wegen der erbitterten Fehde zwischen Demokraten und Republikanern in den USA hatte der deutsche Leitindex an den vergangenen fünf Handelstagen 2,3 Prozent eingebüßt. Der MDax rückte am Montag um 1,37 Prozent auf 10 631 Punkte vor, der TecDax stieg um 1,73 Prozent auf 835 Punkte.

Mit Ausnahme der Aktien der Deutschen Telekom, die 0,42 Prozent auf 10,795 Euro verloren, setzten alle Dax-Werte zur Erholung an. Spitzenwert waren die zuletzt schwer von Kursverlusten getroffenen Papiere der Commerzbank, die um etwas mehr als drei Prozent zulegten. Auch die Finanzmärkte in Fernost, wo zum Zeitpunkt der Äußerungen Obamas bereits gehandelt wurde, reagierten zunächst erleichtert und mit deutlichen Gewinnen auf die Nachrichten aus Washington. In Japan etwa kletterte der Nikkei-Index am Montagmorgen nach drei Handelstagen mit Verlusten über die psychologisch wichtige Grenze von 10.000 Punkten. Ob der Kompromiss jedoch ausreicht, um eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit zu vermeiden, ist fraglich. Es sehe nach einer kurzfristigen Behebung aus, die Ratingagenturen jedoch wollten eine langfristige Lösung, gab der Devisenstratege Michael Woolfolk von BNY Mellon zu Bedenken. Noch stand eine Reaktion der Agenturen aus.

(abendblatt.de/dpa/dapd/Reuters)

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Es geht um mehr als Geld

Die Staatsschulden in den USA und Europa gefährden auch unsere Freiheit. Von Lars Haider

Es ist abenteuerlich, was den Menschen in den USA und Europa derzeit als Lösungen katastrophaler Staatsverschuldungen verkauft wird. Absurde Schuldengrenzen werden immer weiter erhöht, Länder, die selbst kurz vor dem Bankrott stehen, helfen mit Milliardenpaketen anderen, die längst pleite sind. Damit mögen die sogenannten Märkte für ein paar Tage, vielleicht auch Wochen beruhigt werden. Das Grundproblem lösen die Kurzschlusshandlungen in Washington, Brüssel, Paris und Berlin nicht.

Die westliche Welt befindet sich in einer ihrer schwersten Krisen. Es geht nicht mehr nur um Schulden, mögen die noch so gewaltig und außerhalb des menschlichen Vorstellungsvermögens liegen. Es geht um die Idee einer freien, demokratisch-marktwirtschaftlich orientierten Welt, die mit ihrer Gestaltungskraft und inneren Stärke jahrzehntelang Vorbild für viele andere war. Unvorstellbar, dass eine Nation wie die Vereinigten Staaten von Amerika mit der Lösung eines Problems überfordert sein könnte, und sei es noch so groß. Undenkbar, dass Länder anderer Kontinente auf Europa nicht mit Respekt, sondern mit Mitleid sehen. Das Modell der westlichen Welt war zwar aus ideologischen Gründen angreifbar und wurde angegriffen, funktionierte aber in der Realität besser als jedes andere. Bis heute.

Jetzt ist nicht nur unser Wohlstand, offensichtlich auf Kosten unzähliger kommender Generationen gesichert, in Gefahr. Unser gesamtes Bild vom Miteinanderleben, von der Struktur und Organisation eines Staates/einer Staatengemeinschaft steht zur Disposition. Wir müssen zugeben, dass Europa und Amerika (weit) über ihre Verhältnisse gelebt und damit auch anderen Kontinenten geschadet haben. Wir müssen eingestehen, dass wir sehenden Auges in eine Schuldenkrise geraten sind, die sich nur noch durch Anstrengungen beherrscht lässt, die man im wahrsten Sinne des Wortes übermenschlich nennen darf. Und wir müssen begreifen, dass wir selbst jetzt weit davon entfernt sind, den Kern des Problems ernsthaft anzugehen.

Denn die entscheidenden Fragen sind natürlich nicht, mit welchen Tricks sich Schuldengrenzen weiter nach oben dehnen lassen, ob ein Staat überhaupt pleitegehen kann oder wie groß ein Rettungspaket sein muss, damit Griechenland wirklich überlebt. Entscheidend ist, dass die Länder und ihre Regierungen sich endlich damit beschäftigen, wie beziehungsweise wofür sie ihr Geld verwenden. Die Geschichte von den leeren Kassen ist dabei in vielen Fällen, auf internationaler wie nationaler Ebene, eine Mär. Die Einnahmen von Ländern oder Gemeinden sind sehr oft, und vor allem mit Hilfe immer neuer Steuern und Gebühren, gestiegen. Das ist nicht das Problem. Das Problem sind die Ausgaben, die noch schneller gewachsen sind und die die Staatsquoten im Westen auf Werte getrieben haben, die mancher Planwirtschaft zur Ehre gereichen würden.

Hier werden sie endlich ansetzen müssen, die Mächtigen in Europa und den USA, und künftig vieles infrage stellen, was die DNA ihrer Länder in der Vergangenheit ausgemacht hat. Es wird um den amerikanischen Verteidigungsetat gehen, um das französische Renteneintrittsalter, um das deutsche Sozialsystem. In zwei Worten: ums Sparen.

Damit verhält es sich in etwa so wie mit dem Nichtrauchen. Am besten ist, man lässt die Zigarette von heute auf morgen einfach weg, anstatt sich Dutzende Pläne zu überlegen, wie man langsam davon abkommen könnte. Das ist, um wieder über das Geld zu sprechen, zwar eine harte Methode. Aber leider auch die einzige, die einen dauerhaften Ausweg aus der derzeitigen Krise verspricht. Und dabei nie vergessen: Es geht nur vordergründig um Schulden. Tatsächlich geht es um Freiheit und Unabhängigkeit.