Arbeiten am neuen JadeWeserPort werden bei Schnee und Eis fortgesetzt. Hamburgs Konkurrent Wilhelmshaven wirbt um Kunden.
Wilhelmshaven. In alter Tradition haben die Menschen dem Meer wieder ein Stück abgerungen. Wo einst die Nordsee war, ist jetzt Sand: 44 Millionen Kubikmeter wurden auf einer Fläche von 290 Hektar aufgespült, was etwa 400 Fußballfeldern entspricht. Das künstlich aufgeschichtete Areal vor der Küste Wilhelmshavens wird einmal Deutschlands einziger tideunabhängiger Tiefwasserhafen werden.
Seit fast drei Jahren laufen die Bauarbeiten an dem rund eine Milliarde Euro teuren JadeWeserPort. "Wir liegen voll im Zeitplan", sagt Hans-Jürgen Fritsch vom künftigen Terminalbetreiber Eurogate. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Ursprünglich sollten hier bereits die ersten Container verladen worden sein. Stattdessen hat das Wasser seinen Aggregatzustand geändert und sich das verlorene Territorium zumindest kurzfristig zurückerobert: Eine dicke Schicht Schnee bedeckt die Baustelle, und vor der neuen Betonkaje haben nicht Frachtschiffe, sondern Eisschollen festgemacht.
Im aufgespülten Sand lauert Gefahr durch Bombenreste aus dem Krieg
Nach diversen Rechtsstreitigkeiten und Startverschiebungen lassen sich die Hafenbauer derzeit nicht einmal durch Temperaturen von bis zu minus 15 Grad und eisigen Winden von der Arbeit abbringen. Auf der geschlossenen Schneedecke stapfen Vermesser durch die weiße Pracht und kartieren die Eckpunkte des künftigen Containerbahnhofs. Wenige Meter nebenan finden sogar Erdarbeiten statt.
Mit schwerem Gerät wird der Boden eineinhalb Meter tief aufgerissen, um Drainagerohre einzulegen. Dabei müssen die Arbeiter allerdings vorsichtig zu Werke gehen, denn der aufgespülte Sand stammt direkt aus der Nordsee und enthält mitunter verklappte Bombenreste aus dem Zweiten Weltkrieg. "Ein Bagger hat schon Totalschaden erlitten", erzählt Projektingenieur Matthias Freude. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst gebe die Flächen daher erst nach eingehender Prüfung frei.
Deutlich werden die künftigen Ausmaße an der Wasserkante. 1725 Meter lang ist die Kaje. Das Konstrukt aus nacktem Beton ist nicht nur ein Bollwerk gegen den Blanken Hans, dort werden die Containerriesen anlegen. Die zweieinhalb Meter dicken Fender aus Hartgummi, die Schiffsrümpfe und Hafenmauer vor Beschädigungen schützen sollen, hängen bereits. Gleich vier der weltgrößten Schiffe der Emma-Maersk-Klasse mit einer Länge von je 397 Metern und einer Ladekapazität von je 14 700 Standardcontainern (TEU) hätten dort Platz. Und damit scheint das Ende des Gigantismus noch nicht erreicht: "Wir gehen davon aus, dass Maersk noch größere Schiffe mit einer Länge von bis zu 430 Metern und bis zu 22 000 TEU bauen lässt", sagt Fritsch. Platz sei reichlich vorhanden.
Eurogate sucht demnächst weitere Nutzer aus Asien und Amerika
Die größte Containerreederei der Welt mit Sitz in Dänemark ist derzeit einziger Partner des neuen Hafens und will dort einen festen Anlaufpunkt für den Asienverkehr einrichten. Sorgen bereitet Fritsch dieser Umstand nicht: "Allein Maersk würde eine kontinuierliche Auslastung des Terminals bedeuten." Weitere Kunden sollen dennoch auf einer großen internationalen Tournee gewonnen werden, die das Vermarkterteam in den kommenden Monaten zu großen Reedereien in Asien sowie in Nord- und Südamerika führt.
Geworben wird dort mit dem Namen "Container Terminal Wilhelmshaven". "Den Namen JadeWeserPort kann man international nicht verkaufen", sagt Fritsch. Die Zielvorgabe von Eurogate sieht vor, dass künftig 2,7 Millionen TEU pro Jahr in Wilhelmshaven umgeschlagen werden sollen.
Ansonsten steht der Zeitplan weitgehend: Die Umschulung von 165 Langzeitarbeitslosen zu Hafenlogistikern läuft bereits. Im Frühjahr sollen auch die Arbeiten an dem neuen Umschlagbahnhof mit 16 Gleisen sowie an dem Büro- und dem Werkstattgebäude beginnen. Anfang 2012 werden die 16 bestellten, je 130 Meter hohen Containerbrücken erwartet.
Die Bahn kommt mit der Hinterlandanbindung nicht nach
Sorgen bereitet dem 68-jährigen Fritsch allein die Hinterlandanbindung. Während die Autobahn 29 ab Ende 2011 bis direkt vor das Terminal führen soll, tut sich die Bahn mit den Zeitvorgaben etwas schwerer. Zwar seien vom Bundesverkehrsministerium 182 Millionen Euro für den Ausbau der Strecke in Richtung Oldenburg bewilligt worden. Doch die Bahn habe mitgeteilt, dass die Ortsumgehung bei Sande erst 2014 fertig wird und wegen des zweigleisigen Umbaus zwischen Rastede und Varel mit Streckenstilllegungen von mehreren Tagen gerechnet werden müsse.
"Das kann ich keinem Reeder erklären", erbost sich Fritsch. Weitere Verzögerungen sind das Letzte, was er in seinem Werben für Deutschlands neuen Vorzeigehafen und den zuletzt genannten Starttermin 5. August 2012 gebrauchen kann.
Weiterer Ausbau gefordert
Unterdessen forderte die niedersächsische SPD, den Hafen schon in absehbarer Zeit noch weiter auszubauen. „Wir müssen bereits jetzt die Weichen dafür stellen, dass in wenigen Jahren der Hafen erweitert wird“, sagte der SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Montagausgabe).