Spekulanten treiben Preise für Kaffee und Kakao in die Höhe. Auch Weizen wird durch Wetterkapriolen wie Hitze und Regen teurer.
Hamburg. Ungewöhnliche Hitzewelle im Westen, Regenflut in Osteuropa und dazu Milliardenvermögen von Spekulanten, die nach profitablen Anlagen suchen - diese wilde Mischung wirbelt zunehmend die internationalen Märkte für Agrarrohstoffe durcheinander. Die Preise für Kaffee und Kakao kletterten zwischenzeitlich auf neue Rekordhöhen. Weizen verteuerte sich seit Jahresbeginn drastisch um 26 Prozent auf aktuell 171 Euro je Tonne.
Und eine Entspannung ist nicht in Sicht. "Der Trend der hohen Preise auf den Agrarmärkten bleibt bestehen. Allerdings ist auch kein weiterer deutlicher Anstieg zu erwarten", sagt der Rohstoffexperte des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Klaus Matthies. Insgesamt seien die Rohstoffpreise von Nahrungs- und Genussmitteln innerhalb eines Jahres um 6,5 Prozent gestiegen.
Die Hitzewelle in Europa verringert die Weizenernte
Überdurchschnittlich verteuert hat sich Weizen aus Europa. Hier sorgt derzeit vor allem die extreme Witterung für steigende Preise, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Während Deutschland, Frankreich und Russland unter großer Hitze litten, versinke Osteuropa in der Nässe. Beide Bedingungen dürften die Erträge deutlich schmälern. So revidierte Russland als einer der großen Weizenlieferanten bereits seine Ernteschätzungen nach unten. "Erstmals seit drei Jahren wird es 2010 ein Angebotsdefizit bei Weizen geben", schätzt Fritsch. Die Situation könnte in letzter Konsequenz auch zu steigenden Brotpreisen führen. Der größte Mühlenkonzern Europas, VK Mühlen, hatte bereits vor Kurzem einen Preisanstieg für Mehl um bis zu 40 Prozent prognostiziert.
Einen kräftigen Preissprung erlebt auch die Kaffeebohne. In der Spitze kletterte der Preis für Rohkaffee in London im Juni auf knapp 167 US-Cent je Pfund - nach nur 136 Cent zu Jahresbeginn. Derzeit liegt der Preis bei 159 US-Cent. Dieser Preissprung ist nach Einschätzung von Experten vor allem auf Spekulationen großer Investmentfonds zurückzuführen. "Der Anstieg ist fundamental nicht zu begründen", sagt ein Experte des Hamburger Kaffeerösters J.J. Darboven. Zwar habe Kolumbien zuletzt Ernteausfälle erlitten. Auch sei die Nachfrage in Asien gestiegen. Doch es gebe keine Knappheit, die diese großen Preissprünge rechtfertigten.
Preissteigerungen für Röstkaffee sind nicht ausgeschlossen
Der Hamburger Kaffeekonzern Tchibo erklärt den Preisanstieg wiederum mit einer Kombination aus "massiver Spekulation internationaler Investoren und Ernteausfällen in Guatemala und Brasilien", sagt Sprecher Andreas Engelmann. Inwieweit die hohen Rohkaffeepreise auch Röstkaffee im Handel verteuern, ist ungewiss. Die Röstereien schweigen dazu. Experten erwarten aber keinen drastischen Anstieg, da Supermärkte und Discounter traditionell Kaffee als Sonderangebote in ihrem Sortiment haben - und das beliebteste Heißgetränk der Deutschen als Lockvogel nutzen. Commerzbank-Analyst Fritsch erwartet sogar, dass die Rohkaffeepreise bis zum Jahresende wieder auf 145 Cent sinken dürften. "Für Brasilien wird in diesem Jahr eine ertragsstarke Ernte erwartet, ebenso in Kolumbien. Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass das derzeit hohe Preisniveau bestehen bleibt."
Regelrecht erbost über Investoren sind die Schokoladenhersteller in Deutschland. Aus ihrer Sicht haben vor allem Spekulanten in London den Kakaopreis massiv in die Höhe getrieben. So stieg der Preis für Rohkakao vergangene Woche auf ein 30-Jahre-Hoch von 2713 Britische Pfund pro Tonne - und lag damit 20 Prozent über seinem Niveau zu Jahresbeginn. Als Auslöser für diesen Preissprung steht der britische Hedgefonds Armajaro im Verdacht, pünktlich zum Produktionsstart der Wintersaison mehr als 200 000 Tonnen Kakaobohnen eingekauft und eingelagert zu haben, berichten britische Zeitungen. Damit horte der Hedgefonds nun rund sieben Prozent der weltweiten Produktion und warte darauf, diese gewinnbringend zu verkaufen.
Schokolade könnte teurer werden
Die Süßwarenindustrie zeigt sich verschnupft. "Der Kakaopreis hat sich seit zwei Jahren verdoppelt", sagt Torben Erbrath vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie. Für die Hersteller gebe es auch kein Ausweichen. Die nächsten Kontrakte werden erst im September fällig. "Wer mit der Weihnachtsproduktion beginnt, muss sich jetzt mit Kakao eindecken."
Der Hamburger Verein der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen kritisiert die Spekulationen scharf. "Die Regeln an der Londoner Börse sind revisionsbedürftig. Sie müssen wie in New York transparenter werden, um die Spekulation einzudämmen", fordert der Vorsitzende Andreas Christiansen. Der Kakaopreis müsse den fundamentalen Marktwert wiedergeben. Dazu will Christiansen nächste Woche ein Gespräch in London führen. Generell stehe fest: "Kakao ist reichlich vorhanden." Bei dem Börsenniveau seien aber Preiserhöhungen bei Schokolade nicht ausgeschlossen, so Christiansen: "Die Schokoladenhersteller kommen wohl nicht umhin, die Preise anzupassen."