Die Preisexplosion bei Kaffee, Kakao und Hafer schürt die Angst vor Hungerrevolten in Entwicklungsländern.
Es ist gerade mal zwei Jahre her, da kam es in diversen Entwicklungsländern zu Hungerrevolten. In Ägypten ereigneten sich Straßenschlachten mit Toten und Verletzten, auf den Philippinen ging das Militär gegen Händler vor, die Reis zurückhielten, ähnliche Szenen spielten sich auf Haiti, in Burkina Faso im Senegal oder in Kamerun ab. Der Anlass waren damals überall die rasant steigenden Lebensmittelpreise.
Zwei Jahre war es ruhig, die Preise lagen wieder auf einem Niveau, das auch den Armen ein Überleben ermöglicht. Doch nun steigen die Lebensmittelpreise erneut. Bislang betrifft dies zwar nur einige höherwertige oder weniger gehandelte Agrarrohstoffe. Doch sie könnten die Vorboten für einen neuen Schub sein. Denn viele Finanzinvestoren setzen erneut auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Kaffeepreis nimmt Kurs auf zwei-Dollar-Marke
So ist der Kaffeepreis in den vergangenen Wochen geradezu explodiert. Innerhalb von drei Wochen ist er von rund 1,30 Dollar je amerikanischem Pfund (453,59 Gramm) auf 1,75 Dollar gestiegen, den höchsten Wert seit Anfang 1998. Zwischenzeitlich notierten die Bohnen zwar etwas niedriger, bei 1,68 Dollar. Händler an den US-Warenterminbörsen gehen dennoch davon aus, dass schon bald die Marke von zwei Dollar durchbrochen wird.
Ganz ähnlich sieht das Bild derzeit bei Hafer aus. Dessen Preis ist parallel zum Kaffeepreis von 1,90 Dollar je Scheffel (rund 14,5 Kilogramm) auf 2,75 Dollar gestiegen, aktuell notiert er knapp unter 2,60 Dollar. Etwas länger befinden sich schon Baumwolle, Orangensaft und Kakao im Aufwärtstrend. Die Preise all dieser Produkte sind innerhalb der vergangenen Monate um 30 bis 50 Prozent gestiegen, in Dollar gerechnet. In Euro waren die Aufschläge sogar noch größer, da gleichzeitig auch die Gemeinschaftswährung an Wert einbüßte.
Nun sind stark schwankende Preise bei Lebensmitteln normal, je nach Entwicklung von Ernte und Nachfrage steigen sie oder fallen sie. Diesmal kommt aber noch etwas Weiteres hinzu, was Eugen Weinberg, Rohstoff-Spezialist bei der Commerzbank, am Beispiel der Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste, dem größten Exporteur, erklärt. „So ist im Zuge der Finanzkrise der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln stark zurückgeführt worden, was die Ertragskraft der Bäume mindert und gegen Krankheiten und Pilzbefall anfällig macht.“ Und parallel dazu steigt die Nachfrage gerade aus den Schwellenländern stetig.
Spekulative Investoren wetten auf steigende Preise
Stagnierende Ernte und steigende Nachfrage – das treibt die Preise. Hinzu kommt aber, dass bei all diesen Produkten, deren Notierungen nach oben streben, auch noch die spekulativen Investoren auf den Trend aufspringen. Die Zahl derer, die auf weiter steigende Preise wetten, hat sich beispielsweise bei Kaffee innerhalb weniger Wochen verdreifacht. Für Holger Preibisch vom Deutschen Kaffeeverband sind es daher auch vor allem diese Anleger, die für den steigenden Kaffeepreis verantwortlich sind.
Denn objektiv gesehen gibt es eigentlich gar keinen Grund für die rasant steigenden Preise – das US-Landwirtschaftsministerium hat gerade erst die für dieses Jahr erwartete Weltproduktion nach oben revidiert. 2011 soll sie sogar erneut um elf Prozent steigen. „Vor diesem Hintergrund lässt sich die am Markt derzeit häufig geäußerte Befürchtung vor zukünftiger Angebotsknappheit nur schwerlich nachvollziehen“, sagt Manfred Wolter, Rohstoff-Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Doch genau dies ist das Problem von Spekulationsblasen – sie entfernen sich oft weit von den realen Daten und entwickeln ein Eigenleben. Glücklicherweise sind davon bei den Agrarrohstoffen bislang nur diejenigen betroffen, die am Gesamtmarkt nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Hafer beispielsweise ist für die Ernährung der Weltbevölkerung von untergeordneter Bedeutung, ebenso Orangensaft, Kakao oder Kaffee.
Getreidepreise könnten auch bald steigen
Zudem haben diese Produkte in den Agrarrohstoff-Indizes nur einen geringen Anteil. So liegt das Gewicht von Kaffee im S&P GSCI Agriculture Index nur bei sieben Prozent, Kakao macht drei Prozent aus. Schwergewichte sind Mais mit 23 Prozent, Weizen mit 22 Prozent und Soja mit 17 Prozent. Deren Preise sind in den vergangenen Monaten aber gefallen, weshalb der Gesamtindex über die vergangenen Monate sogar nachgab.
Doch seit Anfang Juni ist auch hier eine Trendwende zu beobachten. Und wenn spekulative Investoren neben Kaffee und Kakao erst einmal wieder Weizen oder Mais für sich entdecken, könnte auch schnell der gesamte Markt in Bewegung kommen, mit all den Folgen, die 2008 zu beobachten waren. Ebenso könnte aber alles auch wieder schnell in sich zusammenfallen, so wie zu Beginn des Jahres bei Zucker. Dessen Preis hat sich nach einem ähnlich rasanten Auftrieb wie heute bei Kaffee in den vergangenen Monaten wieder halbiert.