Eine Börsensteuer aller 27 EU-Staaten wird nicht kommen. Schäuble und andere EU-Finanzminister wollen die kleine Lösung realisieren.
Luxemburg. Die Finanztransaktionssteuer scheint zu kommen: Am Freitag wurde in Luxenburg beim Treffen der EU-Finanzminister die kleine Lösung auf den Weg gebracht.. Die dänische Ratspräsidentschaft stellte fest, dass es keine Einstimmigkeit unter den 27 EU-Staaten bei diesem umstrittenen Thema gebe.
Für den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), den verstärkten Zusammenarbeit einzuschlagen, deutete sich in einer Tischrunde die notwendige Anzahl von neun Ländern ab. Nächster formeller Schritt zur Einführung wäre nun ein Antrag der "Koalition der Willigen“, die Börsensteuer einzuführen. Dem Vorpreschen muss am Ende der gesamte Rat mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.
+++ Hintergrund: Die "Verstärkte Zusammenarbeit" in der EU +++
+++ EU-Finanzminister suchen gemeinsamen Weg +++
Schäuble hatte zuvor beim Thema Finanztransaktionssteuer den Druck auf die europäischen Amtskollegen erhöht: Er, Frankreich und andere EU-Partner wollten bei der umstrittenen Finanzsteuer endlich Ergebnisse sehen und machten sich für die kleine Lösung stark.
So sollen jetzt nicht mehr alle 27 Länder bei der neuen Steuer auf Finanzgeschäfte mitmachen. Stattdessen wird mit weniger Staaten auf eine „verstärkte Zusammenarbeit“ gesetzt, um einen Kompromiss zu finden. Die Finanztransaktionsteuer sei dafür ein gutes Beispiel, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Freitag in Luxemburg bei Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen. „Wir sollten es ausprobieren.“
Mit der Steuer soll der Finanzsektor an den enormen Kosten der Krise beteiligt werden. Laut Diplomaten dürfte die Abgabe auch den EU-Gipfel (28. und 29. Juni) in Brüssel beschäftigen.
+++ Die großen Krisen-Baustellen in Europa +++
Österreichs Ressortchefin Maria Fekter verband die Einigung auf eine Finanzsteuer explizit mit der Billigung (Ratifizierung) des ESM-Krisenfonds in ihrem Heimatland. Schweden will die Steuer nicht und fordert, eine „verstärkte Zusammenarbeit“ dürfe nicht nachteilig auf die übrige EU wirken. Auch der britische Ressortchef George Osborne blieb bei seiner Ablehnung: „Die EU sollte ihre Wirtschaftsleistung steigern und nicht dämpfen.“
Die EU-Kassenhüter beschlossen auch, Deutschland von der Liste der Defizitsünder zu streichen. Sie stellten dazu das seit 2009 laufende Strafverfahren ein. Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung war das Haushaltsdefizit Deutschlands zuletzt deutlich gesunken. Nach 1 Prozent 2011 will die Bundesregierung nach früheren Angaben das Defizit im laufenden Jahr auf rund 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung senken – und damit die vorgeschriebene Obergrenze von 3 Prozent klar einhalten.
Bei der Finanzsteuer hatten außer Deutschland, Frankreich und Österreich schon vor Monaten sechs weitere Länder signalisiert, notfalls in einem kleineren Kreis voranzugehen. Dies sind Belgien, Spanien, Finnland, Griechenland, Portugal und Italien. Um eine engere Zusammenarbeit zu starten, müssen die Verhandlungen zu 27 als gescheitert erklärt werden. Wegen der strikten Bedingungen wird diese Art der Kooperation selten abgewandt – sie soll beispielsweise auch bei dem seit Jahrzehnten umstrittenen EU-Patent zum Zuge kommen.
Schäuble zeigte sich offen für Vorschläge des Internationalen Währungsfond (IWF) zu einer tiefgreifenden Reform der Euro-Währungsunion. „Das ist ein wichtiger Beitrag, so wie der IWF immer sehr hilfreiche Beiträge leistet.“ Auf Details ging der CDU-Politiker nicht ein.
+++ IWF-Chefin: Rettungsfonds sollen Banken direkt helfen +++
IWF-Chefin Christine Lagarde hatte in der Nacht vor dem Hintergrund der zugespitzten Schuldenkrise unter anderem direkte Bankenhilfen aus den Rettungsfonds EFSF und ESM gefordert. Bisher sind solche Hilfen nicht erlaubt. Der IWF ist auf längere Sicht für eine Bankenunion und eine Fiskalunion, bei der es unter bestimmten Bedingungen auch vergemeinschaftete Schulden geben könnte. Deutschland spricht sich bisher strikt gegen Eurobonds aus. (dpa/abendblatt.de)