Die norwegische KV Barentshav fährt mit verflüssigtem Erdgas und liegt derzeit an den Landungsbrücken. Hamburg sucht Rat bei Norwegern.

Hamburg. An der Elbe bereiten sich Deutschlands größter Hafen Hamburg und der Umschlagplatz Brunsbüttel auf Schiffe mit Flüssiggasantrieb vor. In Hamburg werden derzeit Bedarfs- und Risikoanalysen erstellt, in Brunsbüttel ein Genehmigungsverfahren angestoßen. Der Chef der Hamburger Port Authority, Jens Meier, und der Chef des Brunsbüttel Ports, Frank Schnabel, waren sich am Donnerstag einig: „Wir wollen Vorreiter sein.“ Investitionen in die Infrastruktur wie Gastanks in den Häfen seien wirtschaftlich und technisch machbar.

Die Suche nach neuen Treibstoffen wie LNG (Liquefied Natural gas) treibt die Schifffahrtsbranche um, weil schärfere Umweltauflagen von 2015 an die Schwefelemissionen auf See auf ein Minimum reduzieren sollen – auch in Nord- und Ostsee. Welche Vor- oder auch Nachteile der Brennstoff mit sich bringt, ließen sich die Hafenbetreiber vom Vorreiter der Branche – Norwegen – in Hamburg erläutern.

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Eigens dazu machte die „KV Barentshav“ der norwegischen Küstenwache an der Überseebrücke fest. Sie fährt mit vier gasbetriebenen Maschinen, die Strom für den Elektromotor produzieren, und einem Dieselmotor, der bei Fahrten unter Höchstgeschwindigkeit (20 Knoten) angeworfen wird. In einem rund 20 Meter breiten und knapp sechs Meter hohen Edelstahltank unter Deck sind bis zu 190 Kubikmeter des Gases gebunkert, das bei minus 164 Grad flüssig bleibt.

„Deutschland darf den Anschluss nicht verpassen, wir müssen jetzt loslegen“, mahnte die Vertreterin der Deutsch-Norwegischen Handelskammer, Kathrin Luze-Hercz. Weltweit gebe es 29 LNG-Schiffe, 30 seien bestellt, berichtete der technische Direktor Lars Sørum der Klassifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV). Zehn bis 15 Prozent der bis 2020 gelieferten Neubauten können mit LNG als Brennstoff fahren, schätzt DNV, doch dazu müssten die Reeder nachrüsten. Eine gasbetriebene Maschine rentiere sich, wenn das Schiff etwa ein Drittel seiner Zeit in einem Emissionskontrollgebiet auf See unterwegs ist, sagt Sørum. Für einen Ostseerundlauf müssten Feeder-Schiffe etwa 800 Kubikmeter bunkern, schätzt HPA-Chef Meyer. LNG ist im Preis aktuell deutlich günstiger als Schweröl.

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Doch wo LNG-Schiffe fahren, muss auch die Versorgung mit LNG sichergestellt sein. Der Umschlagplatz Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) am Chemiestandort der Unterelbe will ein „first mover“ werden – und weiß den norwegischen Versorger Gasnor (Bergen) an seiner Seite. „Wir gehen ein Stück ins Risiko“, berichtete der Hafen-Chef. Schließlich werden Investitionen von mehreren Millionen Euro fällig, um eine Bunkerstation von 2000 Kubikmetern anzulegen. Im Herbst soll nach seinem Willen das Genehmigungsverfahren anlaufen, damit der Hafen 2015 bereit ist.

Nach HPA-Angaben verringern Erdgasantriebe den Ausstoß von Stickoxiden im Vergleich zum Diesel um knapp 90 Prozent, den von Kohlendioxid (CO2) um bis zu 20 Prozent. Schwefeldioxid- und Feinstaubemissionen entfielen nahezu gänzlich. Norwegen, reichlich gesegnet mit Nordsee-Erdöl sowie Erdgas, sei bereit, sein Wissen über LNG und dessen Einsatz mit deutschen Reedern, Häfen und der Politik zu teilen, sagte die Handelskammer-Vertreterin. „Wir brauchen ein politisches Statement“, verlangte die Marketing-Chefin des Hamburger Hafens, Claudia Roller. In Norwegen ist die Finanzierung emissionsreduzierender Vorhaben über einen eigens eingerichteten Nox-Fonds möglich, an dem sich Firmen beteiligen können. 14 Terminals sind dort schon für den alternativen Schiffstreibstoff ausgelegt.

Der Kapitän der 93 Meter langen „Barentshav“, Alf Arne Borgund, ist mit seinem Patrouillenschiff 340 Tage im Jahr unterwegs – in der Nordsee bis rauf zur Barentssee. Drei Wochen lang könne er mit seinen Treibstoffen an Bord ohne Tankstopp auskommen, für zwei Wochen allein reiche das LNG bei durchschnittlichem Tempo. Gas an Bord sei kein größeres Risiko und nicht gefährlicher als Schweröl, berichtete der Schiffsführer. Und Fahrmanöver fielen nicht anders aus. Der wohl größte Vorteil: eine Spritkostenersparnis von 300 000 Euro jährlich. Während die deutsche Branche sich weiter Gedanken über einen „grünen Antrieb“ macht, ist Borgund mit der „Barentshav“ am Donnerstag die Elbe abwärts zur Nordsee gefahren – erdgasgetrieben, natürlich.

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