Forscher arbeiten an neuen Technologien, um den Treibstoffverbrauch von Frachtern und Kreuzfahrtschiffen zu senken.
Hamburg. Winzige Luftbläschen am Schiffsrumpf reduzieren die Reibung mit dem Wasser und könnten so der Schifffahrt helfen, Treibstoff zu sparen. Deshalb arbeiten Wissenschaftler aus Hochschulen und der Industrie daran, großen Frachtern und Passagierschiffen Luftteppiche auszurollen. Das Kreuzfahrtunternehmen Aida Cruises lässt seine beiden Neubauten mit entsprechenden Systemen ausrüsten.
In der Schifffahrt geht ein Großteil der Antriebsenergie durch die Reibung des Wassers am Schiffsrumpf verloren - bei Containerschiffen sind es gut 50, es können aber bis zu 70 Prozent Reibungsverluste auftreten. Reibt sich statt des Stahlrumpfes dagegen Luft mit dem Wasser, so senkt das die Verluste in einer Größenordnung von zehn Prozent. Dies könnte den Reedereien in Zeiten, da die Treibstoffkosten steigen sowie gleichzeitig laut über Abgaben für die Kohlendioxid-Emissionen der internationalen Schifffahrt nachgedacht wird, maßgeblich helfen.
Zwei technische Ansätze sollen in Zukunft Schiffsrümpfe in Luft hüllen. Beim ersten sprudeln an speziellen Auslässen an der Rumpfunterseite Luftbläschen heraus, die zuvor von einem Kompressor erzeugt werden. Der Blasenteppich umströmt dann den Rumpf und reduziert so die Reibung. Dieses Prinzip wurde für Binnenschiffe bereits 2005 in Deutschland patentiert. Der japanische Hersteller Mitsubishi Heavy Industries (MHI) hat die Technik für Seeschiffe entwickelt und wendet sie nun erstmals bei den Aida-Neubauten an. Die jeweils 3250 Passagiere fassenden Kreuzfahrtriesen sollen im Frühjahr 2015 und 2016 ausgeliefert werden.
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"Strömungsoptimierte Rumpf- und Propellerdesigns können den Energiebedarf unserer Schiffe noch um ein paar Prozentpunkte senken, doch das größere Potenzial sehen wir bei der Verringerung der Reibung", sagt die Aida-Sprecherin Kathrin Heitmann. MHI habe vertraglich zugesichert, dass die Luftblasentechnik den Treibstoffverbrauch um sieben Prozent senken wird. In welcher Höhe die Einsparungen tatsächlich liegen, werden aber erst Probefahrten mit den fertigen Schiffen zeigen.
Professor Mustafa Abdel-Maksoud, der Leiter des Instituts für Fluiddynamik und Schiffstheorie an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, ist allerdings weniger optimistisch: "Die Luftblasentechnik ist schon länger bekannt, die eingesetzten Kompressoren verbrauchen viel Energie. Das muss in die Energiebilanz eingerechnet werden. Vor diesem Hintergrund halte ich das Einsparziel von minus sieben Prozent für etwas gewagt." Außerdem funktioniere diese Technik nur bei wenig Wellengang und lediglich für flache Schiffsrümpfe - "bei einer V-Form haben Sie keine Chance, da entweichen die Blasen sofort".
Seit einigen Jahren verfolgen die Entwickler noch einen zweiten Ansatz für die Erzeugung einer Lufthülle. Dieser orientiert sich an Vorbildern aus der Natur, vor allem am Schwimmfarn der Art Salvinia molesta. Diese unscheinbare Pflanze kann an der Oberfläche von langsam fließenden oder stehenden Gewässern dichte Teppiche bilden und damit schnell zur Plage werden. Aber sie hat auch ihre guten Seiten: So zeigte sie Wissenschaftlern der Universitäten Rostock, Bonn und Karlsruhe, wie man im Wasser schwimmt, ohne nass zu werden - denn der Farn umgibt sichmit einer silbrig schimmernden Luftblasenhülle.
Das gelingt der Pflanze durch eine besondere Oberfläche: Ihre winzig kleinen, schneebesenartigen Härchen sind hydrophob (Wasser abweisend) und halten das Nass auf Distanz. Der Raumzwischen den Härchen ist dadurch mit Luft gefüllt. Die äußersten Spitzen des "Schneebesens" sind dagegen hydrophil, Wasser anziehend. Sie binden die Wassermoleküle an sich und sorgen so dafür, dass die Luft zwischen den Härchen nicht entweichen kann.
Gelänge es, dieses Prinzip mithilfe von Spezialanstrichen auf Schiffsrümpfe zu übertragen, so ließe sich auch hier der Reibungsverlust um zehn Prozent reduzieren, betonten die Wissenschaftler bei der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse im Mai 2011. Es sei bereits seit einiger Zeit möglich, Oberflächen zu konstruieren, die ähnlich wie die Blätter des Schwimmfarns eine Luftschicht um sich herum bilden, wenn sie in Wasser getaucht werden. Allerdings sei diese Luftschicht so instabil, dass sie spätestens nach einigen Stunden verschwindet, hieß es damals.
Das Ziel lautet jedoch, Oberflächen zu schaffen, die in der Lage sind, ihre Lufthülle über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu behalten. "Es gelingt uns inzwischen, technische Oberflächen zu bauen, die dauerhaft unter Wasser Luft halten", sagt Projektpartner Professor Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn, der Entdecker des Lotuseffekts für selbstreinigende Oberflächen. Während diese von Lotusblättern abgekupferte Technik inzwischen in zahlreichen Produkten, vor allem in Farben steckt, gebe es Anstriche, die Luftpolster schaffen, bislang nur als Prototypen im Labormaßstab, sagt Barthlott. Etwa eine Handvoll Unternehmen sei nun dabei, marktfähige Produkte zu entwickeln.
Der Bonner Pflanzenkundler hält die Oberflächengestaltung nach dem Prinzip des Schwimmfarns für interessanter als die "sehr energieaufwendige" Luftblasenteppich-Produktion mittels Kompressoren. In drei Jahren könnte das erste der beiden Aida-Schiffe demonstrieren, dass auch dieser Weg keine Luftnummer ist.
Einen sofort umsetzbaren Weg, Energie durch geringere Reibungsverluste zu sparen, nennt der Harburger Schiffstechniker Abdel-Maksoud: "Die Schiffe müssen sauber gebaut werden. Jede schlechte Schweißnaht bietet dem Wasser zusätzlichen Widerstand. Das kann den Treibstoffverbrauch um bis zu drei Prozent erhöhen. Dadurch kann der Preisvorteil, den Billigwerften etwa in China bieten, schnell aufgezehrt sein. Viele Reedereien berücksichtigen das leider nicht."