RWE-Chef Jürgen Großmann warnt vor Blackouts in Deutschlands. Im Herbst und Winter stünde das deutsche Stromnetz an den Rändern der Kapazität.
Essen. RWE-Chef Jürgen Großmann hat vor einem Netz-Blackout in der kalten Jahreszeit gewarnt. „Um einen bundesdeutschen Blackout zu vermeiden, kann es notwendig sein, einzelne Regionen in Süddeutschland – etwa in der Größe des Großraum Stuttgart – dunkel zu schalten“, sagte Großmann laut einem Redetext am Donnerstag vor kommunalen RWE-Aktionären. Gründe seien eine zu geringe Erzeugung in Bayern und Baden-Württemberg sowie ein ausgereiztes Zuliefernetz. Der Zukauf von Strom aus Frankreich und Tschechien wie im Frühjahr sei im Herbst und Winter nicht möglich, weil die Länder dann ihren Strom selber bräuchten. Beide hätten im März und Mai massiv die Stabilität im Süden aufrecht gehalten.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin widersprach vehement: „Jürgen Grossmann ist offenbar die Wut über den Atomausstieg zu Kopf gestiegen. Seine Vision von Stromabschaltungen ist ein Horror- Szenario, das jeder Grundlage entbehrt.“ Deutschland verfüge über große Überkapazitäten und könne jederzeit seine Stromversorgung auch ohne die alten, unsicheren Atomkraftwerke sicherstellen. Großmann kämpfe weiter für seine profitträchtigen Atomkraftwerke. „Mit dieser Wagenburg-Mentalität führt er seinen Konzern in die Sackgasse.“
Laut Amprion, der RWE-Tochter für das Höchstspannungsnetz, fehlen durch die Abschaltung von Atommeilern im Süden 2000 Megawatt Kapazität. Diese müssten aus dem Norden und Westen herangeschafft werden. Das Netz sei aber schon weitgehend ausgelastet. Großmann sagte: „Die Probleme werden solange fortbestehen, bis ausreichende Nord-Süd-Leitungskapazitäten bereit stehen, und bis neue Kraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg ans Netz gehen.“ Der Ausbau der Netze hänge von den Behörden und von der Bevölkerung ab.
Die Bundesnetzagentur, die selber auf mögliche kritische Situationen in der kalten Jahreszeit hingewiesen habe, soll verfügt haben, dass nur noch die notwendigsten Leitungsreparaturen ausgeführt werden dürften. Damit solle verhindert werden, dass das Netz durch abgeschaltete Teilstrecken nicht zusätzlich geschwächt wird. „Dadurch haben wir die pikante Situation, dass auch der für die Energiewende so wichtige Netzausbau stockt. Wir dürfen nämlich einzelne Netzteile auch nicht für den Umbau temporär außer Betrieb nehmen“, sagte Großmann.
Allerdings will RWE in den Ausbau investieren. Zunächst einmal erwägen die Essener zum Schuldenabbau und zur Finanzierung der Energiewende eine Kapitalerhöhung. Um die Bonitätseinstufung bei den Ratingagenturen und damit eine günstige Kreditaufnahme nicht zu gefährden, werde mit dem Aufsichtsrat unter anderem über eine Kapitalerhöhung beraten.
Die Aufsichtsratssitzung ist einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ (Freitag) zufolge für Anfang August geplant. Der Versorger muss insgesamt seine Schuldenlast senken und Kapazitäten für neue Investitionen für die Energiewende schaffen. Großmann zufolge fehlen dem Unternehmen durch den vorgezogenen Atomausstieg mehrere Milliarden Euro in der Kasse. Die Bank HSBC etwa hält neben Unternehmensverkäufen eine Kapitalmaßnahme von rund drei Milliarden Euro für nötig, damit RWE mittelfristig auf finanziell soliden Füßen stehe. An der Börse brachten die Aussagen von Großmann zu einer möglichen Kapitalerhöhung die RWE-Aktien unter Druck. Sie fielen am Freitag um fast vier Prozent und waren damit Schlusslicht im Dax.
Ob es vor der Vorlage der Halbjahreszahlen am 11. August Neuigkeiten zu Unternehmensverkäufen geben wird, blieb unklar. RWE will Teile im Wert von acht Milliarden Euro verkaufen. Unter anderem sucht RWE eine Investor, der sich an Amprion beteiligt.