Ein Gutachten, bestellt zur Überprüfung von Bürgschaftsrisiken der Länder, sieht die Aussichten für die insolvente Drogeriemarktkette skeptisch. Die jahrzehntelang erfolgreiche Strategie des schwäbischen Drogerie-Unternehmens hat sich überlebt.

Ehingen/Berlin. „For You. Vor Ort.“ So sehr die Drogeriemarktkette Schlecker für diesen Slogan belächelt worden ist: Er bringt die Gründe für den rasanten Aufstieg und den jähen Fall der Schlecker-Märkte auf den Punkt. Mit seinem Anspruch, fast überall vor Ort zu sein, baute Firmenpatriarch Anton Schlecker ein weit verzweigtes Imperium auf. Mehr als 10 000 Märkte machten Schlecker viele Jahre lang zur Nummer eins auf dem Drogeriemarkt. Aber genau das wurde letztlich zu seinem größten Problem. War der nächste Markt auch noch so nah, die Gegend auch noch so unattraktiv – Schlecker hat jahrelang immer mehr Geschäfte eröffnet, und schließlich nur noch rote Zahlen geschrieben.

Es ist dieses Konzept der schieren Masse, das nach Überzeugung von Branchenexperten zum Problem für das insolvente Familienunternehmen geworden ist. Denn es waren alles einfache, kleine Läden – abgesehen von dem später eingeführten Schlecker-XL-Filialen. Verkauft wurden ein durchschnittliches Markensortiment sowie einige AS-Eigenprodukte. Branchenexperten wie Thomas Roeb von Hochschule Rhein-Sieg bemängeln seit Jahren eine falsche Sortiments- und Preispolitik.

Der Erfolgsgarant war aus Roebs Sicht immer – und das sehen andere Handelsexperten ähnlich -, dass Schlecker da präsent war, wo sich die Filiale für dm oder Rossmann nicht lohnte. Aber das war Segen und Fluch zugleich. Denn solche Märkte sind nicht besonders umsatzstark. Und zum anderen rüsteten auch Supermärkte von Lidl bis Rewe ihre Drogeriesortimente immer weiter auf. Hinzu kam, dass Schlecker-Märkte Umfragen zufolge bei vielen Kunden eher altbacken rüberkamen, während dm und Rossmann mit großen, helleren Läden punkten konnten. Die Konsequenz: Während die beiden wichtigsten Konkurrenten wuchsen und wuchsen, ist Schlecker seit geraumer Zeit in einer Schrumpfkur.

Seit sechs Jahren schreibt Schlecker nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz Verluste. Konnte Schlecker diese anfangs überbrücken und das verdiente Geld aus guten Jahren reinvestieren, so funktionierte das nicht mehr, als die Kette immer tiefer in die roten Zahlen rutschte.

Hinzu kamen Imageprobleme, die wesentlich daher rührten, dass die Schleckers Arbeitnehmerrechte missachteten – wofür der Firmengründer 1998 sogar verurteilt wurde. Auch dass Beschäftigte Gewerkschaftsangaben zufolge in eine Zeitarbeitsfirma gedrängt wurden, von der Schlecker dann zum günstigeren Tarif wieder Personal einstellte, stieß auf. Manche Kunden mieden deshalb die Läden.

Schlecker musste reagieren und Filialen schließen. Als das Unternehmen in die Insolvenz ging, gab es nur noch rund 5400 Filialen der eigentlichen Stammmarke in Deutschland. Einen Ausweg sieht Geiwitz nur noch in einem radikalen Schrumpfen, am Samstag schlossen weitere 2200 Filialen. Defizitäre Läden sollen konsequent aufgegeben, Personalkosten gesenkt, das Sortiment gestrafft und geordnet werden - so ist Geiwitz' Marschroute.

Doch für diese umfassende Neuaufstellung der Drogeriemarktkette sind hohe Investitionen nötig. Und in diesem Punkt sind die Gutachter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC skeptisch. Sie zweifeln, ob sich ein finanzkräftiger Investor finden lässt. Ob Schlecker aus eigener Kraft profitabel werden könne, sei „sehr herausfordernd“, heißt es in dem Gutachten. Insolvenzverwalter Geiwitz hingegen bleibt zuversichtlich. Mit Investoren gebe es konkrete Gespräche, betont er. Und selbst, wenn niemand bei Schlecker einsteigen sollte, könnte das Unternehmen seine Rettung auch aus eigener Kraft schaffen. Das – so ließ er am Montag einen Sprecher mitteilen – sei anspruchsvoll, aber machbar.