Frauen reden von Selbstbestimmung, ordnen sich aber freiwillig unter, behauptet Bascha Mika, die ein aufregendes Buch geschrieben hat.
Ja, die Lektüre dieses Buches ist anregend. Jede und jeder kann viel zu diesem Thema beitragen. Schließlich geht es um Männer und Frauen. Bascha Mika, eine der ganz wenigen Frauen in Deutschland, die elf Jahre lang Chefredakteurin war (bei der "taz"), hat ein aufregendes Buch zum Thema Frauen geschrieben, die sich freiwillig in Abhängigkeit und Unterordnung begeben. Es heißt "Die Feigheit der Frauen", analysiert moderne Paarbeziehungen und behauptet unter anderem, dass viele junge Frauen sich immer noch gern vom Mann einen Weg ins Leben bahnen lassen, damit sie es nicht selbst tun müssen.
Familienpolitik, Feminismus, Frauenquote - über kaum etwas kann man sich so munter streiten wie über die Frage, wie sich das Leben am besten gestalten lässt zwischen Mann und Frau, Haus- und Berufsarbeit, Kindern und Freizeit. Gewiss, die Frauen sind weitergekommen in den vergangenen 40 Jahren. Wir wissen, dass sie die besseren Schulabschlüsse machen, häufiger studieren als Männer und dass sie trotzdem nie ganz oben ankommen im Berufsleben. Dort, wo Geld verdient wird, wo sie Macht und Einfluss bekommen.
Immer wieder heißt es, die Männer würden sie nicht durchlassen, zu wenig fördern, sie einfach übersehen und der raue Arbeitsalltag stoße viele Frauen ab (gemeint sind natürlich immer die Bürojobs, nicht die an der Supermarktkasse oder in der Gärtnerei, dort, wo man arbeiten muss, weil man den Verdienst dringend braucht).
Doch eine Beobachtung, die wir alle schon gemacht haben, war bisher außen vor - vielleicht weil sie politisch nicht korrekt war: Viele, möglicherweise allzu viele der gut ausgebildeten Frauen, ziehen sich ins Privatleben zurück, weil sie ein, maximal zwei Kinder bekommen haben und dies als lebenslange Entschuldigung dafür nehmen, dass sie nun nie wieder arbeiten können, wollen, müssen oder sollen. Höchstens noch in Teilzeit. Oder an einem Projekt.
Kein Mann käme je auf so eine Idee. Die "helfen" allenfalls im Haushalt. Helfen? Wem? Ist das nicht ihr eigener Haushalt, in dem sie leben? Fühlen sie sich nicht dafür verantwortlich? Und das soll Gleichberechtigung sein? Die Frauen dagegen lassen ihre Ausbildung, ihre Träume und oft genug auch ihre Zukunft sausen, übernehmen 100 Prozent der Familienarbeit, um es zu Hause gemütlich zu machen, und stürzen sich auf das Projekt Kind wie zuvor auf die Karriere. Oder, wie es die Wissenschaftlerin Barbara Vinken, die in Yale promovierte, ausgedrückt hat: "Hierzulande glaubt man, die intellektuelle Stimulanz, die finanzielle Autonomie und das damit einhergehende Selbstwertgefühl aufgeben zu müssen, um Mutter zu sein." Kaum irgendwo in der westlichen Welt - weder in Frankreich, den skandinavischen Ländern oder in den USA - wird Muttersein mit Zuhausebleiben derart gekoppelt wie bei uns. Die Nobelpreisträgerin Christine Nüsslein-Vollhart findet harsche, aber realistische Worte für die Frauen, die sich von der traditionellen Rolle "Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause" verführen lassen: "Ich befürchte", sagt sie, "dass viele Frauen einfach zu dumm sind, sich die Konsequenzen richtig klarzumachen. Weil sie nicht überlegt haben, was es bedeutet, wenn sie den Job aufgeben." Armut beispielsweise, für den Fall, dass die Ehe scheitert.
Bascha Mika sagt: "Eva hat sich selbst entmachtet und für die Unmündigkeit entschieden. Sich unterworfen, statt sich zu behaupten. Hat sich verführen lassen von einem Lebensentwurf, der nicht ihr eigener war. Sie hat ihr Familienleben so eingerichtet, dass es nicht ohne sie läuft. Sie hat dem Anpassungsdruck nachgegeben. Irgendwann ist Eva in den Rollen-Kokon gekrochen, den ihr Umfeld für sie bereitgehalten hat. Dort hat sie sich eingerichtet und kommt nicht mehr heraus." Sie nennt das die Weiblichkeitsfalle, in der viele junge, qualifizierte Frauen landen. Sie nennt es auch Bequemlichkeit und Feigheit. Und sie zeigt, welche Konsequenzen die Flucht dieser Frauen aus dem Berufsleben nach sich ziehen.
Jeder Mensch sucht nach Anerkennung. Mädchen, die angeblich schon in der Erziehung auf Harmonie, Konsens und Ausgleich getrimmt werden, bekommen öffentlich immer noch die größte Anerkennung, wenn sie das Projekt Mann erfolgreich bewältigen, indem sie sich ins traditionelle Paarmodell einfügen, wie es schon ihre Mütter und Großmütter getan haben. "Niemand wirft einer Frau vor, dass sie sich vor dem Berufsleben drückt, wenn sie sich um ihr Kind kümmern will." Natürlich nicht. Für die Männer ist es, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem es zur Trennung kommt, bequem so. Für die Frauen, die für den Mann alles aufgeben, was er behält, nämlich Arbeit, Geld, Unabhängigkeit, Selbstbestätigung, endet es oft in einer Schieflage gegenüber dem Mann. Man ist nicht mehr auf Augenhöhe, am Ende rutscht man allzu leicht ab.
Eine Therapeutin in Mikas Buch weiß: "Nach meiner Erfahrung kommen Frauen nicht auf die Idee: Hätte ich doch mal vor 20 Jahren auf den Tisch gehauen und mich durchgesetzt. Sie sind nur ungeheuer gekränkt, weil sie dem Mann doch seinen Freiraum gegeben und sich um alles gekümmert haben - und dann hat das alles nichts genützt, er hat sie doch betrogen. Daraus folgt eine unendliche Kette von Vorwürfen." Und die Familienanwältin Lore Maria Peschel-Gutzeit weiß: "Es geht immer schief, wenn ich meinen Lebensplan als selbstbestimmte Frau nicht verfolge und einhalte. So eine Partnerschaft kann nicht halten. Das wissen viele Frauen am Anfang nicht."
Bascha Mika fordert, Frauen sollten für ihr Leben mehr Verantwortung übernehmen und ihre Partner mehr Verantwortung für die Familienarbeit übernehmen lassen. Frauen sind "brav und folgsam, weil sie den Preis der Freiheit nicht zahlen wollen. Weil sie die Angst nicht aushalten, dass sie dann vielleicht nicht mehr geliebt werden." Denn wer die altmodischen Rollenbilder bedient und sich fügt, bekommt immer noch gesellschaftliche Anerkennung. Das ist verführerisch. "So werden wir zu Stellvertreterinnen einer Ordnung, die uns abwertet", sagt Mika und erklärt: "Ohne Wagnis wird das nichts mit der Selbstbestimmung."
Inzwischen gibt es Paare, die auch mit Kindern alles partnerschaftlich aufteilen. Es gibt junge Männer, die ihrer Freundin zuliebe in einer Stadt wohnen bleiben, in der sie ihre Karriere nicht weiterverfolgen können. Und es gibt nicht nur Frauen, die sich ohne Partner minderwertig fühlen. Auch Männer ohne Frau haben inzwischen Angst vor dem gesellschaftlichen Makel, "keine abbekommen" zu haben. Es gibt Elterngeld, Betriebskindergärten und Frauenförderprogramme. Es gibt keine Gleichberechtigung, nur den Weg dorthin. Mal sehen, was noch alles passiert auf diesem Weg. Schließlich gibt es ja hoffentlich noch lange eines: die nie endende Spannung zwischen Mann und Frau.
Bascha Mika stellt ihr Buch "Die Feigheit der Frauen" heute Abend im Gespräch mit Heide Simonis vor, Literaturhaus, Schwanenwik 38, 20 Uhr, Eintritt: 6-10 Euro
Bascha Mika: "Die Feigheit der Frauen" , Bertelsmann, 260 S., 14,99 Euro