Seit Jahren will der Reisekonzern bei der Hamburger Reederei aussteigen. Komplexe Eignerstruktur besteht zunächst fort.
Hamburg. Vor der Jahrespressekonferenz Mitte Dezember gab sich TUI-Konzernchef Michael Frenzel, 64, gewohnt selbstbewusst. Auf die Frage, welches Ziel er mit dem absehbaren Verkauf der Hapag-Lloyd-Anteile von TUI anstrebe, sagte er: "Meine Lieblingsmotivation ist es, einen möglichst hohen Preis zu bekommen." Er könne sich gut vorstellen, die komplette TUI mit dem Verkauf der Reederei "schuldenfrei" zu stellen. Rund 800 Millionen Euro betrugen die Verbindlichkeiten des Touristikkonzerns zu diesem Zeitpunkt. Die insgesamt 38,4 Prozent, die TUI derzeit noch hält, bewertet der Konzern intern mit 1,2 Milliarden Euro. 33 Prozent an der Reederei stellte TUI im Dezember dem Hamburger Konsortium Albert Ballin zum Verkauf. Die Investorengruppe hält bereits 61,6 Prozent an Hapag-Lloyd.
Wie es nun aussieht, wird Frenzel der glatte Durchmarsch zu einer schuldenfreien Bilanz nicht gelingen. Ein komplexes Vertragswerk hatten TUI und das Konsortium um die Stadt und den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne vor Jahr und Tag ausgehandelt. Doch die 33 Prozent, für die TUI ein sogenanntes Andienungsrecht an das Konsortium geltend gemacht hat, sind für die Teilhaber bei Albert Ballin schlicht zu teuer. Etwas mehr als 20 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile wird TUI nun zunächst weiter halten - viel mehr, als sich Frenzel im Dezember vorgenommen hatte.
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Die Stadt Hamburg könnte ihren Anteil von derzeit rund 24 Prozent um bis zu 13 Prozent aufstocken. Das Engagement, das nach Abendblatt-Informationen 420 Millionen Euro Steuergeld kosten dürfte, bedeutet für den hoch verschuldeten Stadtstaat eine große finanzielle Anstrengung. Allerdings verhindert Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) damit, dass eine Mehrheit der Reederei an einen strategischen Investoren verkauft werden könnte, der die Präsenz von Hapag-Lloyd in Hamburg womöglich schwächen würde.
Auch Kühne, der im Jahr 2008 als treibende Kraft bei der Gründung des Konsortiums Albert Ballin galt, geht bei einer Aufstockung der Anteile auf 28,5 Prozent noch einmal mit. Aber sein finanzielles Engagement stößt an Grenzen. 2011 hatte er seine Anteile an Hapag-Lloyd bereits um weitere elf Prozent aus dem Bestand von TUI aufgestockt, für den Kaufpreis von 315 Millionen Euro, den Kühne aus seinem private Vermögen finanzierte. Insgesamt hält der Unternehmer derzeit rund 25 Prozent an der Reederei. Rund 13,5 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile liegen innerhalb des Konsortiums Albert Ballin bei Finanzinstituten und Privatinvestoren in Hamburg, darunter die Banken M.M. Warburg und HSH Nordbank sowie Signal Iduna und HanseMerkur.
Hapag-Lloyd bringt der geplante Großtransfer dem Augenschein nach mehr Stabilität im Kreis der Eigner. Doch bleibt die Struktur der Anteile mindestens so kompliziert wie bisher - womöglich wird sie sogar noch komplizierter. Denn die Stadt, die keine unternehmerische Kompetenz besitzt, rückt nun in die Position des größten Einzelinvestors. Der TUI-Konzern, der im Containergeschäft längst keine Ambitionen mehr hegt, bleibt stark bei Hapag-Lloyd investiert. Mittendrin agiert der Milliardär und Logistik-Tycoon Kühne, der für die Reederei klare unternehmerische Ziele vor Augen hat.
Der Erhalt von Hapag-Lloyd als selbstständig handelnde Reederei mit Zentrale am Ballindamm ist in diesem komplexen Geflecht der kleinste gemeinsame Nenner. Aus dieser Lage heraus wird TUI weiterhin versuchen, seine Anteile endgültig zu verkaufen. Zugleich muss der Vorstand von Hapag-Lloyd die Reederei aus der schweren Branchenkrise herausfahren, die das Geschäft mit der Containerschifffahrt seit Jahren unter Druck setzt, unterbrochen nur von einem kurzen Zwischenhoch im Jahr 2010.
Vor allem bleiben TUI und Hapag-Lloyd bis auf Weiteres aneinander gekettet. Zwei Unternehmen, die durch teils geradezu skurrile Kursänderungen miteinander verbunden sind. Nachdem der niedersächsische Mischkonzern Preussag 1997 die Kontrolle bei Hapag-Lloyd übernommen hatte, kaufte die Reederei im Auftrag der neuen Konzernmutter den Reiseveranstalter Touristik Union International (TUI). Aus der - konzerntechnisch betrachtet - Enkeltochter von Preussag wurde kurze Zeit später der neue Dachkonzern TUI, und Hapag-Lloyd war dessen wichtigstes Tochterunternehmen. Preussag hingegen existiert längst nicht mehr.
Das Verhältnis zwischen der Konzernmutter TUI in Hannover und Hapag-Lloyd in Hamburg war seither stets ambivalent. Häufig beklagten Mitarbeiter von Hapag-Lloyd hinter vorgehaltener Hand, TUI ziehe die Überschüsse aus Hamburg ab und sauge die Reederei aus, um das Reisegeschäft zu stärken. Frenzel und seine Vorstände wiederum lobten sich 2005 und später dafür, dass sie für Hapag-Lloyd den kanadischen Konkurrenten CP Ships gekauft und die Hamburger Containerlinie damit zur fünftgrößten weltweit gemacht hätten. Bei Hapag-Lloyd hieß es daraufhin, dass diese Übernahme letztlich mit den Gewinnen der Reederei finanziert worden sei. Mehrmals änderte TUI - auch unter dem Druck seiner eigenen Aktionäre - die strategische Haltung zu Hapag-Lloyd. Mal sollte die Reederei teilweise an die Börse gebracht werden, dann wieder wollte Frenzel TUI und Hapag-Lloyd komplett miteinander verschmelzen und den Konzernsitz aus Hannover an den Ballindamm verlegen.
Ein teilweiser Börsengang von Hapag-Lloyd, wie er noch immer diskutiert wird, ist in den vergangenen Jahren nie gelungen. Stets galt das Umfeld als zu schlecht für eine Platzierung der Aktien, zuletzt im Frühjahr 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Und es spricht nur wenig dafür, dass sich die Stimmung an den Kapitalmärkten demnächst verbessert.