Die Griechen-Krise hat harte Konsequenzen: Die Euro-Länder sollen künftig ihre Budgetentwürfe der EU vorlegen, bevor sie in die Parlamente gehen.
Brüssel. Die EU-Kommission will die Mitgliedsländer an die kurze Leine nehmen, um weitere Finanz- und Staatsfinanzierungskrisen zu vermeiden. Insbesondere mit Blick auf die Eurogruppe fordert Währungskommissar Olli Rehn, zur Stärkung des Stabilitätspaktes präventive Kontrollmechanismen einzurichten. Statt den Schaden zu analysieren, wenn er bereits eingetreten ist, soll vorgebeugt werden. "Die gegenwärtig fehlende Ex-Ante-Dimension haushälterischer und wirtschaftlicher Überwachung würde die Formulierung einer echten Lenkung erlauben", heißt es in dem Entwurf, den Rehn am Mittwoch in Brüssel vorstellt und WELT ONLINE vorab vorlag.
Unter anderem plant Brüssel, bereits in der ersten Jahreshälfte 2011 für die Eurogruppe ein "Europäisches Semester" einzurichten, damit die Staaten ihre jeweilige Wirtschaftspolitik besser koordinieren. Statt Haushaltsentwürfe erst zum Jahresende einzureichen, sollen die Regierungen der Euroländer bereits in den ersten Monaten des Jahres ihre Planungen nach Brüssel liefern, damit sich die Kommission ein umfassendes Bild über die jeweilige nationale Haushaltspolitik machen kann. Erst danach gehen die Budgetentwürfe an die nationalen Parlamente. Bisher informierten die EU-Staaten Brüssel erst nach Verabschiedung des Haushalts.
Auf diese Art wollen EU-Kommission und Europäischer Rat zu einem frühen Zeitpunkt die "wirtschaftlichen Herausforderungen für die EU und für die Eurozone" identifizieren. "Wir fordern, dass die Regierungen ihre Entwürfe nach Brüssel schicken, bevor sie von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden", sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Rehn in einem Interview mit der "Zeit". "Dann können wir früh genug prüfen, ob ein Land die Stabilitätskriterien einhält. Im Zweifel schreiten wir ein."
Auch will der EU-Kommissar die Defizitverfahren gegen Euro-Haushaltssünder beschleunigen, "besonders bei Ländern, die den Pakt schon mehrfach gebrochen haben". Künftig sollen die Verfahren bereits greifen, wenn Mitglieder, deren Gesamtverschuldung über den im Maastricht-Vertrag vorgeschrieben 60 Prozent liegt, in einer vorgeschriebenen Zeitspanne nicht die "angemessenen Benchmarks" erreichen.
Zudem erwägt Rehn, der die EU-Verträge mit seinen Vorschlägen unangetastet lassen will, Zahlungen aus den Struktur- und Kohäsionsfonds als Instrument zur Disziplinierung einzusetzen. Schon jetzt können laut Vertrag Gelder aus dem Kohäsionsfonds als Strafmaßnahme eingefroren werden. Rehn will dieses Instrument aber stärker zur Vorbeugung nutzen, etwa indem die Kommission die Voraussetzung für den Erhalt der Gelder verschärft. Zugleich plädiert der Finne in seiner Präventivstrategie dafür, die Gelder aus den Fonds in Programme und Projekte zu leiten, die "Einnahme fördernde Aktivitäten" unterstützen.
Zugleich will Brüssel alle Mitgliedstaaten in die Pflicht nehmen, in guten Zeiten für die schlechten vorzusorgen. So könnte die Kommission Mitglieder auffordern, verzinsbare Rücklagen zu bilden, wenn sie ihren Haushalt in wirtschaftlich guten Perioden nicht ausreichend konsolidieren. Auch makroökonomische Ungleichheiten sollen ausgeglichen werden. So will die Kommission in der Eurozone die betreffenden Risiken ausloten und ihre Analyse an den Rat weitergeben. In der Eurogruppe kann ein Mitglied dann aufgefordert werden, die Ungleichgewichte entsprechend anzugehen. Tut es das nicht, kann der Rat die Überwachung verstärken und spezifische wirtschaftspolitische Empfehlungen aussprechen.
Unterdessen soll Griechenland an diesem Mittwoch die erste 5,5 Milliarden Euro-Finanzspritze zur Rettung seiner Staatsfinanzen erhalten. Wie es aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen am Dienstag hieß, werden es zwei Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) sein: Drei Milliarden Euro zum Zinssatz von 1,3 Prozent und ein zweiter Betrag in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von 3,30 Prozent. Athen erwartet zudem in den kommenden Tagen die ersten bilateralen Kredite anderer Euroland-Partner in Höhe von etwa 14,5 bis 15 Milliarden Euro. Die Regierung habe die entsprechenden Anträge formell gestellt, wie es im Abkommen mit dem IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) vorgesehen ist, berichtete das Staatsradio.