Rund 300 Firmen aus dem Großraum Hamburg stellen Teile für die Kabinenausstattung her. Die verspätete Auslieferung führt zu Problemen.

Hamburg. In der Luftfahrtbranche zeigt sich ein Silberstreif am Horizont: Die Passagierzahlen erholen sich allmählich und die Flugzeugbauer sind dank ihrer noch immer prall gefüllten Orderbücher bislang besser durch die Krise gekommen als befürchtet - Airbus will sogar zum Jahresende die Produktionszahl der kleineren Jets wieder anheben. Doch für die Zulieferer in Hamburg und im übrigen Bundesgebiet kann es keine Entwarnung geben. Für sie werden die Herausforderungen in diesem Jahr sogar eher größer.

Ursache dafür sind nicht zuletzt die erheblichen Terminverzögerungen unter anderem in der Produktion des Airbusses A380 oder des Militärtransporters A400M. "Die gute Nachricht, dass die Perspektiven im Luftverkehr sich wieder aufhellen, wird überkompensiert durch die Probleme in den Entwicklungsprogrammen", sagte Michael Hessenbruch, Branchenexperte bei der Unternehmensberatung Deloitte, dem Abendblatt. Derzeit befinden sich mehrere zivile Großflugzeugprojekte in der Anlaufphase: Bei Airbus der A380 und der geplante Langstreckenjet A350, bei Boeing das Modell 787 "Dreamliner" und der modernisierte "Jumbo" 747-8. "Alle diese Projekte haben eines gemeinsam - sie sind verspätet", so Hessenbruch, "und das wirkt sich auf die Zulieferer negativ aus." Denn die Flugzeughersteller machen die Zulieferer zunehmend zu Partnern, die am Risiko und am Ertrag eines Projekts beteiligt sind. Die Folge: Wenn das Programm schlecht läuft, trifft dies auch die Lieferanten. "Aber die besitzen häufig nicht die gleiche Finanzkraft wie die Herstellerkonzerne, und darum besteht die Gefahr, dass manche Zulieferer in finanzielle Schwierigkeiten geraten", warnt Hessenbruch - zumal die Flugzeughersteller ohnehin schon seit einigen Jahren den Preisdruck auf ihre Lieferanten erhöht hätten.

So leiden etliche Mittelständler unter den rund 300 Zulieferfirmen mit 8800 Beschäftigten in der Metropolregion Hamburg noch immer unter den Nachwehen des schleppenden Produktionshochlaufs beim A380, sagte Uwe Gröning, Geschäftsführer der Firma Innovint Aircraft Interior und Vorsitzender des Zuliefererverbands Hanse-Aerospace. "Und den Betrieben, die auch in das A400M-Programm eingebunden sind, geht es noch schlechter." Um nicht Lieferanten durch Pleiten zu verlieren, zeige sich Airbus aber kulant: "Es werden Leistungen bezahlt, obwohl sie noch nicht erbracht wurden."

Doch die Verzögerungen sind längst nicht das einzige Problem. Um ungünstige Währungsschwankungen auszuschalten, bezahlt Airbus auch deutsche Zulieferer vermehrt in Dollar. Dies bedeute für sie "ein zusätzliches, zum Teil schwer kalkulierbares Risiko", erklärte Hessenbruch. Denn damit nimmt die Planungssicherheit auf der Einnahmenseite noch weiter ab. Gegenmaßnahmen wären aber nach Ansicht von Gröning zu teuer: "Mittelständler sind zu klein und zu schwach, um eine Dollarabsicherung zu betreiben."

Für solche Betriebe wird auch eine weitere neue Anforderung zur Herausforderung: "Es wird verlangt, dass die Zulieferer direkt an den Endmontagelinien präsent sind, und das gilt auch für das neue Airbus-Werk in China", sagte Unternehmensberater Hessenbruch. "Diese Internationalisierung stellt aber gerade kleinere Mittelständler vor Probleme." Ähnliches gelte für die Forderung der Herstellerkonzerne, ihre Zulieferer sollten eine Produktion in Nicht-Euro-Ländern aufbauen, so Gröning. "Kleinere Firmen haben Schwierigkeiten, da mitzuhalten."

Zusammen mit der erklärten Absicht der Flugzeugbauer, künftig nur noch mit sehr viel weniger Zulieferern direkt zusammenzuarbeiten - bei Airbus soll die Zahl dieser Unternehmen von einst 3000 auf nur noch 500 sinken -, liegen die Konsequenzen für die Branche auf der Hand: Notwendig sind Zusammenschlüsse zu größeren Systemlieferanten. Für kleine Betriebe kann dies bedeuten, sich als Subunternehmer an einen der Zulieferer der ersten Ebene anzudocken. "Sonst wird es in vielen Fällen darauf hinauslaufen, die eigene Firma an einen der Großen zu verkaufen", sagte Gröning. Zu diesen zählt in Deutschland unter anderem der Nürnberger Technologie- und Rüstungskonzern Diehl, der im Jahr 2008 zusammen mit dem französischen Partner Thales das frühere Airbus-Werk im schwäbischen Laupheim, das Kabinenkomponenten fertigt, übernommen hat.

"Wir erwarten, dass es unter den Zulieferern mehr Zusammenschlüsse geben wird", sagte Hessenbruch. In anderen Staaten wie etwa in Frankreich sei man in dieser Richtung schon viel weiter vorangekommen. "Auch auf landespolitischer Ebene gibt es nicht zuletzt in Hamburg den Willen, dies zu unterstützen." Die Wirtschaftsbehörde hat den Handlungsbedarf erkannt: "Wir sind im Hinblick auf den Luftfahrtcluster sehr aktiv und nutzen dies als Basis, die Interessen der Kleineren gegenüber den Flugzeugherstellern zu bündeln", sagte ein Behördensprecher dem Abendblatt.

Doch unabhängig von der Größe sehen sich die deutschen Zulieferfirmen immer größerer Konkurrenz gegenüber: "Airbus und Boeing suchen sich verstärkt Zulieferer in Abnehmerländern wie etwa China, um durch die lokale Wertschöpfung die Absatzchancen zu verbessern", beobachtet Hessenbruch.

Umgekehrt sollten sich aber auch die deutschen Mittelständler neue Märkte suchen, rät Gröning: "In der Hamburger Region ist diese Branche mit Airbus gewachsen. Aber man sollte sich bewusst werden, dass es noch andere potenzielle Abnehmer gibt." Gröning verweist dazu auf die wachsende Zahl von Regionaljetproduzenten, etwa Embraer in Brasilien oder auch Mitsubishi in Japan.

"Für die deutschen Zulieferer wird es in den nächsten Jahren sicher nicht einfacher", erwartet Hessenbruch. "Der Druck steigt, sich mit innovativen Entwicklungen zu profilieren." Genau hier aber sieht Gröning die kleineren Firmen im Vorteil: "Sie sind wesentlich flexibler als die Großen." Außerdem gelte es, die traditionellen Stärken wie Zuverlässigkeit, Liefertreue, Qualität und den guten Service herauszustellen. In einer Hightech-Branche wie der Luftfahrt sei der Preis eben nicht alles, so Gröning: "Das ist unsere Chance für die Zukunft."