Arbeitsagenturchef Steil erwartet für 2009 einen Anstieg der Kurzarbeit auf mehr als 6000 Betroffene sowie mehr Entlassungen.

Hamburg. In der Firma von Rainer Weyers gibt es Kurzarbeit für fünf der insgesamt acht Mitarbeiter. Das Hamburger Architektenbüro hat sich unter anderem auf den Bau und die Sanierung von Tankstellen spezialisiert. "Ein Großauftrag für 30 Tankstellen wurde überraschend zurückgezogen", sagte Seniorchef Rainer Weyers dem Abendblatt. Die Mitarbeiter standen plötzlich ohne Arbeit da. Er hätte es sich leicht machen und die betroffenen Mitarbeiter kündigen können. In Kleinbetrieben ist dies relativ problemlos. "Ich habe mich aber für Kurzarbeit entschieden, weil ich die Spezialisten im Unternehmen halten will. Wenn sich die Auftragslage wieder verbessert, können wir sofort loslegen."

So wie Weyers ergeht es immer mehr Firmen. Die Zahl der Kurzarbeiter ist in Hamburg in diesem Monat drastisch auf 3055 Personen aus 144 Betrieben angestiegen. Im November waren es noch 1000 Mitarbeiter. "Auch in den vergangenen Monaten pendelte die Zahl immer so um die tausend", sagte Rolf Steil, Chef der Hamburger Arbeitsagentur. Fürs kommende Jahr schätzt er, dass im Zuge der Konjunkturkrise die Kurzarbeit auf "deutlich über 6000 Personen pro Monat" ausgeweitet werden müsse. Auch die Arbeitslosenzahl in Hamburg werde vermutlich zunehmen. Es gebe zwei Szenarien. Das optimistische geht davon aus, dass die jetzige Zahl von gut 69 000 auf rund 80 000 im Jahr steigen wird. Das pessimistischere Szenario rechnet mit 90 000 Stellungslosen im Jahresdurchschnitt 2009. "Das könnte bedeuten, dass in einzelnen Monaten sogar die 100 000er-Marke überschritten wird", so Steil. Im Vergleich mit anderen Regionen werde Hamburg aber immer noch gut dastehen. "Die Hansestadt zählt mit ihren zahlreichen Handelsaktivitäten zu den Gewinnern der Globalisierung."

Nicht nur große Firmen wie ContiTech oder die Hamburger Stahlwerke nutzen derzeit das Instrument der Kurzarbeit, bei dem die Unternehmen nur noch die Sozialbeiträge für die Mitarbeiter übernehmen, also rund ein Drittel der üblichen Arbeitskosten. 60 Prozent des bisherigen Nettogehalts bei kinderlosen und 67 Prozent bei Kurzarbeitern mit Kindern übernimmt das Arbeitsamt. Viele Arbeitgeber erhöhen das Entgelt für ihre Beschäftigten zudem freiwillig. In den Jahren mit durchschnittlich 1000 Betroffenen Monat hat die Hamburger Agentur für Arbeit pro Jahr zwischen fünf und sechs Millionen Euro an Kurzarbeitergeld ausgezahlt.

Bevor die Agentur den antragsstellenden Firmen ihren Segen gibt, wird penibel geprüft, ob das betreffende Unternehmen die Voraussetzungen für Kurzarbeit hat, oder ob es sich nicht nur auf Kosten der Arbeitsbehörde sanieren will. "Wir gehen zu den Firmen, sprechen mit den Chefs und dem Betriebsrat, und prüfen die Auftragsbücher und Bilanzen", sagt Chris Jabs, Teamleiterin Kurzarbeit bei der Hamburger Arbeitsagentur.

"Das Unternehmen muss belegen, dass vor dem Antrag der Kurzarbeit alles versucht wurde, um die Beschäftigung zu sichern", so Jabs. Weil der Andrang derzeit so groß ist, haben sie und ihre 15 Mitarbeiter in den vergangenen Wochen bereits 450 Überstunden angesammelt.

"Kurzarbeit ist für das Unternehmen und die Mitarbeiter ein Schutz vor Jobabbau", begrüßt Jan Eulen, Hamburger Chef der Gewerkschaft IG BCE das Instrumentarium der Arbeitsagenturen. "Firmen sollten sich nicht scheuen, Kurzarbeit anzumelden", sagt auch Steil. Während die Betriebe so Kosten sparen, hätten die Mitarbeiter Zeit, die sie etwa in die berufliche Weiterbildung stecken können. Finanziert wird dies von der Arbeitsagentur.

"Mit jedem Unternehmen, das bei uns Kurzarbeit beantragt, nehmen wir spätestens acht Tage nach Antragseingang Kontakt auf", so Chris Jabs. "15 Tage später liegt unser Bescheid vor, ob Kurzarbeit in diesem Fall möglich ist oder nicht. Weitere 15 Tage später hat das betroffene Unternehmen das Kurzarbeitergeld auf seinem Konto." Dieses wird dann an die Mitarbeiter überwiesen. Nur das Kindergeld zahlt das Arbeitsamt direkt an den Beschäftigten aus.

Architekt Weyers hat gute Erfahrungen mit der Betreuung durch die Arbeitsagentur gemacht. Dennoch hofft er, bald wieder voll durchstarten zu können. Schließlich wird Kurzarbeit von der Arbeitsagentur höchstens 18 Monate in Folge bezuschusst.